Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Besitzthümer und Entbehrungen aufgeklärt hat. So wie die Post die Vermittlung der Entfernung ist, so braucht man das Schriftwesen jezt nur noch als eine sichtbare Verkörperung der ihnen zur Verbreitung anvertrauten Gedanken. Die Gedanken selbst will man von den Jndividuen abziehen, man will objektive Wünsche, Gefühle und ganz verkörperte Jdeen aus den Massen herausgreifen, oder den Massen zuführen. Die Literatur ist dabei entweder ein ganz gleichgültiger und uneingeweihter Dollmetscher geworden, oder sie muß, um ihre Worte in Thaten zu verwandeln, mit den frechsten und leidenschaftlichsten Farben auftragen.

Es wird mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden seyn, die Literatur unserer Zeit aus ihrem erniedrigten Zustande zu befreien. Es ist ein großes Unglück, daß sich so viel schöne Hebel und Kräfte der Literatur, so viel ausgezeichnete, schriftstellerische Talente dazu hergegeben haben, in dem Streite der Jnteressen Partei zu nehmen, und als Advokaten so mancher Privilegien, namentlich gegen die Jdeen aufzutreten, welche das Volk mit politischer und religiöser Freiheit verbinden wollte. Es hat sich hierdurch der Masse eine große Abneigung gegen die Literatur überhaupt bemächtigt. Die Wirkung des Gedruckten ist beinah jezt keine andere, als eine Zweifel erregende; der gemeine Mann liest und erwägt darauf, wie viel er davon wohl glauben dürfe. Jm Allgemeinen

Besitzthümer und Entbehrungen aufgeklärt hat. So wie die Post die Vermittlung der Entfernung ist, so braucht man das Schriftwesen jezt nur noch als eine sichtbare Verkörperung der ihnen zur Verbreitung anvertrauten Gedanken. Die Gedanken selbst will man von den Jndividuen abziehen, man will objektive Wünsche, Gefühle und ganz verkörperte Jdeen aus den Massen herausgreifen, oder den Massen zuführen. Die Literatur ist dabei entweder ein ganz gleichgültiger und uneingeweihter Dollmetscher geworden, oder sie muß, um ihre Worte in Thaten zu verwandeln, mit den frechsten und leidenschaftlichsten Farben auftragen.

Es wird mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden seyn, die Literatur unserer Zeit aus ihrem erniedrigten Zustande zu befreien. Es ist ein großes Unglück, daß sich so viel schöne Hebel und Kräfte der Literatur, so viel ausgezeichnete, schriftstellerische Talente dazu hergegeben haben, in dem Streite der Jnteressen Partei zu nehmen, und als Advokaten so mancher Privilegien, namentlich gegen die Jdeen aufzutreten, welche das Volk mit politischer und religiöser Freiheit verbinden wollte. Es hat sich hierdurch der Masse eine große Abneigung gegen die Literatur überhaupt bemächtigt. Die Wirkung des Gedruckten ist beinah jezt keine andere, als eine Zweifel erregende; der gemeine Mann liest und erwägt darauf, wie viel er davon wohl glauben dürfe. Jm Allgemeinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0438" n="436"/>
Besitzthümer und Entbehrungen aufgeklärt hat. So wie die Post die Vermittlung der Entfernung ist, so braucht man das Schriftwesen jezt nur noch als eine sichtbare Verkörperung der ihnen zur Verbreitung anvertrauten Gedanken. Die Gedanken selbst will man von den Jndividuen abziehen, man will objektive Wünsche, Gefühle und ganz verkörperte Jdeen aus den Massen herausgreifen, oder den Massen zuführen. Die Literatur ist dabei entweder ein ganz gleichgültiger und uneingeweihter Dollmetscher geworden, oder sie muß, um ihre Worte in Thaten zu verwandeln, mit den frechsten und leidenschaftlichsten Farben auftragen.</p>
        <p>Es wird mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden seyn, die Literatur unserer Zeit aus ihrem erniedrigten Zustande zu befreien. Es ist ein großes Unglück, daß sich so viel schöne Hebel und Kräfte der Literatur, so viel ausgezeichnete, schriftstellerische Talente dazu hergegeben haben, in dem Streite der Jnteressen Partei zu nehmen, und als Advokaten so mancher Privilegien, namentlich gegen die Jdeen aufzutreten, welche das Volk mit politischer und religiöser Freiheit verbinden wollte. Es hat sich hierdurch der Masse eine große Abneigung gegen die Literatur überhaupt bemächtigt. Die Wirkung des Gedruckten ist beinah jezt keine andere, als eine Zweifel erregende; der gemeine Mann liest und erwägt darauf, wie viel er davon wohl glauben dürfe. Jm Allgemeinen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[436/0438] Besitzthümer und Entbehrungen aufgeklärt hat. So wie die Post die Vermittlung der Entfernung ist, so braucht man das Schriftwesen jezt nur noch als eine sichtbare Verkörperung der ihnen zur Verbreitung anvertrauten Gedanken. Die Gedanken selbst will man von den Jndividuen abziehen, man will objektive Wünsche, Gefühle und ganz verkörperte Jdeen aus den Massen herausgreifen, oder den Massen zuführen. Die Literatur ist dabei entweder ein ganz gleichgültiger und uneingeweihter Dollmetscher geworden, oder sie muß, um ihre Worte in Thaten zu verwandeln, mit den frechsten und leidenschaftlichsten Farben auftragen. Es wird mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden seyn, die Literatur unserer Zeit aus ihrem erniedrigten Zustande zu befreien. Es ist ein großes Unglück, daß sich so viel schöne Hebel und Kräfte der Literatur, so viel ausgezeichnete, schriftstellerische Talente dazu hergegeben haben, in dem Streite der Jnteressen Partei zu nehmen, und als Advokaten so mancher Privilegien, namentlich gegen die Jdeen aufzutreten, welche das Volk mit politischer und religiöser Freiheit verbinden wollte. Es hat sich hierdurch der Masse eine große Abneigung gegen die Literatur überhaupt bemächtigt. Die Wirkung des Gedruckten ist beinah jezt keine andere, als eine Zweifel erregende; der gemeine Mann liest und erwägt darauf, wie viel er davon wohl glauben dürfe. Jm Allgemeinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/438
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/438>, abgerufen am 14.05.2024.