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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Tectologische Thesen.
folglich auch ihre physiologische Function ist, je abhängiger mithin
die Organe von einander und vom ganzen Antimer sind, und je mehr
das ganze Antimer centralisirt und von dem etwa übergeordneten
Metamer unabhängig ist. 1)
62. Die Form-Individuen vierter Ordnung, die Metameren oder
Folgestücke, sind allgemein um so vollkommener, je differenzirter, je
ungleichartiger ihre homotypische, organologische und histologische
Zusammensetzung, und folglich auch je vielseitiger ihre physiologische
Function ist, je abhängiger mithin die constituirenden Plastiden,
Organe und Antimeren von einander und vom ganzen Metamer sind,
und je mehr das ganze Metamer centralisirt und von der etwa über-
geordneten Person unabhängig ist.
63. Die Form-Individuen fünfter Ordnung, die Personen oder
Prosopen, sind allgemein um so vollkommener, je differenzirter, je
ungleichartiger ihre homodyname, homotypische, organologische und
histologische Zusammensetzung, und folglich auch je vielseitiger ihre
physiologische Function ist, je abhängiger mithin die constituirenden
Plastiden, Organe, Antimeren und Metameren von einander und vom
ganzen Prosopon sind, und je stärker die ganze Person centralisirt
und von dem etwa übergeordneten Stocke unabhängig ist.
1) Die vielfachen tectologischen Schwierigkeiten, welche bei den höheren
Organismen dadurch entstehen, dass die verschiedenen morphologischen Indivi-
dualitäten sich auf das Vielfältigste durch einander weben und oft in der ver-
wickeltsten Weise verbinden, sind zum Theil von uns schon in den vorhergehen-
den Capiteln besprochen worden. Besonders leicht können in dieser Hinsicht Täu-
schungen durch die gegenseitige Durchflechtung der Metameren und Antimeren,
sowie der Organe, welche als Epimeren und Parameren in ihrer gegenseitigen
relativen Lagerung ähnliche Complicationen zeigen, hervorgerufen werden (vgl.
p. 311, 316). Zum Theil liegt auch hierin der Grund, dass die homotypen und
homodynamen Verhältnisse bisher überhaupt so wenig berücksichtigt und nicht
gehörig aufgeklärt worden sind. Was das wichtige tectologische Verhältniss der
Antimeren zu den Metameren betrifft, so wollen wir hier schliesslich noch aus-
drücklich hervorheben, dass wir bei der Tectologie der Personen, insofern sie
deren Zusammensetzung aus Antimeren betrifft, stets die Zahl der Antimeren,
ebenso wie bei den Metameren, und unabhängig von der Anzahl der letzteren
bestimmen, weil diese hierbei ohne Einfluss ist. Strenggenommen müssten wir
einem Wirbelthier, welches aus vierzig Metameren besteht, achtzig Antimeren zu-
schreiben, weil jedes Metamer aus zwei Antimeren besteht. Wir schreiben aber
der ganzen Person hier nur zwei Antimeren zu, weil die gleiche homotype Zu-
sammensetzung sich in allen homodynamen Abschnitten wiederholt. Ebenso
schreiben wir einer fünfstrahligen Blüthe mit sechs fünfgliederigen Blattkreisen
(Metameren) oder einem fünfarmigen Crinoid mit sechs Metameren nicht dreissig,
sondern fünf Antimeren zu. Die Beachtung dieser Bestimmung ist besonders von
grosser Bedeutung für die richtige Erkenntniss der Grundformen.
Tectologische Thesen.
folglich auch ihre physiologische Function ist, je abhängiger mithin
die Organe von einander und vom ganzen Antimer sind, und je mehr
das ganze Antimer centralisirt und von dem etwa übergeordneten
Metamer unabhängig ist. 1)
62. Die Form-Individuen vierter Ordnung, die Metameren oder
Folgestücke, sind allgemein um so vollkommener, je differenzirter, je
ungleichartiger ihre homotypische, organologische und histologische
Zusammensetzung, und folglich auch je vielseitiger ihre physiologische
Function ist, je abhängiger mithin die constituirenden Plastiden,
Organe und Antimeren von einander und vom ganzen Metamer sind,
und je mehr das ganze Metamer centralisirt und von der etwa über-
geordneten Person unabhängig ist.
63. Die Form-Individuen fünfter Ordnung, die Personen oder
Prosopen, sind allgemein um so vollkommener, je differenzirter, je
ungleichartiger ihre homodyname, homotypische, organologische und
histologische Zusammensetzung, und folglich auch je vielseitiger ihre
physiologische Function ist, je abhängiger mithin die constituirenden
Plastiden, Organe, Antimeren und Metameren von einander und vom
ganzen Prosopon sind, und je stärker die ganze Person centralisirt
und von dem etwa übergeordneten Stocke unabhängig ist.
1) Die vielfachen tectologischen Schwierigkeiten, welche bei den höheren
Organismen dadurch entstehen, dass die verschiedenen morphologischen Indivi-
dualitäten sich auf das Vielfältigste durch einander weben und oft in der ver-
wickeltsten Weise verbinden, sind zum Theil von uns schon in den vorhergehen-
den Capiteln besprochen worden. Besonders leicht können in dieser Hinsicht Täu-
schungen durch die gegenseitige Durchflechtung der Metameren und Antimeren,
sowie der Organe, welche als Epimeren und Parameren in ihrer gegenseitigen
relativen Lagerung ähnliche Complicationen zeigen, hervorgerufen werden (vgl.
p. 311, 316). Zum Theil liegt auch hierin der Grund, dass die homotypen und
homodynamen Verhältnisse bisher überhaupt so wenig berücksichtigt und nicht
gehörig aufgeklärt worden sind. Was das wichtige tectologische Verhältniss der
Antimeren zu den Metameren betrifft, so wollen wir hier schliesslich noch aus-
drücklich hervorheben, dass wir bei der Tectologie der Personen, insofern sie
deren Zusammensetzung aus Antimeren betrifft, stets die Zahl der Antimeren,
ebenso wie bei den Metameren, und unabhängig von der Anzahl der letzteren
bestimmen, weil diese hierbei ohne Einfluss ist. Strenggenommen müssten wir
einem Wirbelthier, welches aus vierzig Metameren besteht, achtzig Antimeren zu-
schreiben, weil jedes Metamer aus zwei Antimeren besteht. Wir schreiben aber
der ganzen Person hier nur zwei Antimeren zu, weil die gleiche homotype Zu-
sammensetzung sich in allen homodynamen Abschnitten wiederholt. Ebenso
schreiben wir einer fünfstrahligen Blüthe mit sechs fünfgliederigen Blattkreisen
(Metameren) oder einem fünfarmigen Crinoid mit sechs Metameren nicht dreissig,
sondern fünf Antimeren zu. Die Beachtung dieser Bestimmung ist besonders von
grosser Bedeutung für die richtige Erkenntniss der Grundformen.
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[373/0412] Tectologische Thesen. folglich auch ihre physiologische Function ist, je abhängiger mithin die Organe von einander und vom ganzen Antimer sind, und je mehr das ganze Antimer centralisirt und von dem etwa übergeordneten Metamer unabhängig ist. 1) 62. Die Form-Individuen vierter Ordnung, die Metameren oder Folgestücke, sind allgemein um so vollkommener, je differenzirter, je ungleichartiger ihre homotypische, organologische und histologische Zusammensetzung, und folglich auch je vielseitiger ihre physiologische Function ist, je abhängiger mithin die constituirenden Plastiden, Organe und Antimeren von einander und vom ganzen Metamer sind, und je mehr das ganze Metamer centralisirt und von der etwa über- geordneten Person unabhängig ist. 63. Die Form-Individuen fünfter Ordnung, die Personen oder Prosopen, sind allgemein um so vollkommener, je differenzirter, je ungleichartiger ihre homodyname, homotypische, organologische und histologische Zusammensetzung, und folglich auch je vielseitiger ihre physiologische Function ist, je abhängiger mithin die constituirenden Plastiden, Organe, Antimeren und Metameren von einander und vom ganzen Prosopon sind, und je stärker die ganze Person centralisirt und von dem etwa übergeordneten Stocke unabhängig ist. 1) Die vielfachen tectologischen Schwierigkeiten, welche bei den höheren Organismen dadurch entstehen, dass die verschiedenen morphologischen Indivi- dualitäten sich auf das Vielfältigste durch einander weben und oft in der ver- wickeltsten Weise verbinden, sind zum Theil von uns schon in den vorhergehen- den Capiteln besprochen worden. Besonders leicht können in dieser Hinsicht Täu- schungen durch die gegenseitige Durchflechtung der Metameren und Antimeren, sowie der Organe, welche als Epimeren und Parameren in ihrer gegenseitigen relativen Lagerung ähnliche Complicationen zeigen, hervorgerufen werden (vgl. p. 311, 316). Zum Theil liegt auch hierin der Grund, dass die homotypen und homodynamen Verhältnisse bisher überhaupt so wenig berücksichtigt und nicht gehörig aufgeklärt worden sind. Was das wichtige tectologische Verhältniss der Antimeren zu den Metameren betrifft, so wollen wir hier schliesslich noch aus- drücklich hervorheben, dass wir bei der Tectologie der Personen, insofern sie deren Zusammensetzung aus Antimeren betrifft, stets die Zahl der Antimeren, ebenso wie bei den Metameren, und unabhängig von der Anzahl der letzteren bestimmen, weil diese hierbei ohne Einfluss ist. Strenggenommen müssten wir einem Wirbelthier, welches aus vierzig Metameren besteht, achtzig Antimeren zu- schreiben, weil jedes Metamer aus zwei Antimeren besteht. Wir schreiben aber der ganzen Person hier nur zwei Antimeren zu, weil die gleiche homotype Zu- sammensetzung sich in allen homodynamen Abschnitten wiederholt. Ebenso schreiben wir einer fünfstrahligen Blüthe mit sechs fünfgliederigen Blattkreisen (Metameren) oder einem fünfarmigen Crinoid mit sechs Metameren nicht dreissig, sondern fünf Antimeren zu. Die Beachtung dieser Bestimmung ist besonders von grosser Bedeutung für die richtige Erkenntniss der Grundformen.

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/412>, abgerufen am 16.06.2024.