Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

oder weniger versteckt hervortretende Sinnlichkeit. Aber diese blasierte Ironie, dieses launisch-abgelebte, überlegene Lächeln auf unseren Lippen war ein wenig Neid und Bedauern über unsere nervöse Ermattung.

Als ich Ernst auf die Schulter klopfte und zu ihm scherzend sagte:

"Wie genügsam doch diese Jugend ist! So ein dickes, nach allen möglichen Küchengerüchen duftendes Frauenzimmer keuchend ein paarmal durch den niederen Saal zu schleppen, bis ihnen der Schweiß aus allen Poren tropft, und sie dünken sich selig, diese Genußmenschen des Samstags, die jeunesse doree der Arbeiterviertel, puffte er den Rauch seiner Nestor Gianaglis in kleinen Ringelchen vor sich hin und entgegnete mit resigniertem Lächeln: "Wir haben eben zu früh angefangen."

Fontana tanzte, bis ihm seine Glotzaugen aus den Höhlen zu springen drohten, und dampfend vor Schweiß stelzte er mit den verschiedenen, in schreiende Farben gekleideten, preiswürdig geschmacklosen Frauenzimmern durch den Saal, eine Miene zur Schau tragend, als gienge er mit seinem noch unbezahlten, aber schon etwas schmierigen Frack zu jener bereits mystisch gewordenen, ersten Staatsprüfung,

oder weniger versteckt hervortretende Sinnlichkeit. Aber diese blasierte Ironie, dieses launisch-abgelebte, überlegene Lächeln auf unseren Lippen war ein wenig Neid und Bedauern über unsere nervöse Ermattung.

Als ich Ernst auf die Schulter klopfte und zu ihm scherzend sagte:

„Wie genügsam doch diese Jugend ist! So ein dickes, nach allen möglichen Küchengerüchen duftendes Frauenzimmer keuchend ein paarmal durch den niederen Saal zu schleppen, bis ihnen der Schweiß aus allen Poren tropft, und sie dünken sich selig, diese Genußmenschen des Samstags, die jeunesse dorée der Arbeiterviertel, puffte er den Rauch seiner Nestor Gianaglis in kleinen Ringelchen vor sich hin und entgegnete mit resigniertem Lächeln: „Wir haben eben zu früh angefangen.“

Fontana tanzte, bis ihm seine Glotzaugen aus den Höhlen zu springen drohten, und dampfend vor Schweiß stelzte er mit den verschiedenen, in schreiende Farben gekleideten, preiswürdig geschmacklosen Frauenzimmern durch den Saal, eine Miene zur Schau tragend, als gienge er mit seinem noch unbezahlten, aber schon etwas schmierigen Frack zu jener bereits mystisch gewordenen, ersten Staatsprüfung,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0071" n="73"/>
oder weniger versteckt hervortretende Sinnlichkeit. Aber diese blasierte Ironie, dieses launisch-abgelebte, überlegene Lächeln auf unseren Lippen war ein wenig Neid und Bedauern über unsere nervöse Ermattung.</p>
          <p>Als ich Ernst auf die Schulter klopfte und zu ihm scherzend sagte:</p>
          <p>&#x201E;Wie genügsam doch diese Jugend ist! So ein dickes, nach allen möglichen Küchengerüchen duftendes Frauenzimmer keuchend ein paarmal durch den niederen Saal zu schleppen, bis ihnen der Schweiß aus allen Poren tropft, und sie dünken sich selig, diese Genußmenschen des Samstags, die <hi rendition="#g">jeunesse dorée</hi> der Arbeiterviertel, puffte er den Rauch seiner <hi rendition="#g">Nestor Gianaglis</hi> in kleinen Ringelchen vor sich hin und entgegnete mit resigniertem Lächeln: &#x201E;Wir haben eben zu früh angefangen.&#x201C;</p>
          <p>Fontana tanzte, bis ihm seine Glotzaugen aus den Höhlen zu springen drohten, und dampfend vor Schweiß stelzte er mit den verschiedenen, in schreiende Farben gekleideten, preiswürdig geschmacklosen Frauenzimmern durch den Saal, eine Miene zur Schau tragend, als gienge er mit seinem noch unbezahlten, aber schon etwas schmierigen Frack zu jener bereits mystisch gewordenen, ersten Staatsprüfung,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0071] oder weniger versteckt hervortretende Sinnlichkeit. Aber diese blasierte Ironie, dieses launisch-abgelebte, überlegene Lächeln auf unseren Lippen war ein wenig Neid und Bedauern über unsere nervöse Ermattung. Als ich Ernst auf die Schulter klopfte und zu ihm scherzend sagte: „Wie genügsam doch diese Jugend ist! So ein dickes, nach allen möglichen Küchengerüchen duftendes Frauenzimmer keuchend ein paarmal durch den niederen Saal zu schleppen, bis ihnen der Schweiß aus allen Poren tropft, und sie dünken sich selig, diese Genußmenschen des Samstags, die jeunesse dorée der Arbeiterviertel, puffte er den Rauch seiner Nestor Gianaglis in kleinen Ringelchen vor sich hin und entgegnete mit resigniertem Lächeln: „Wir haben eben zu früh angefangen.“ Fontana tanzte, bis ihm seine Glotzaugen aus den Höhlen zu springen drohten, und dampfend vor Schweiß stelzte er mit den verschiedenen, in schreiende Farben gekleideten, preiswürdig geschmacklosen Frauenzimmern durch den Saal, eine Miene zur Schau tragend, als gienge er mit seinem noch unbezahlten, aber schon etwas schmierigen Frack zu jener bereits mystisch gewordenen, ersten Staatsprüfung,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/71
Zitationshilfe: Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/71>, abgerufen am 01.05.2024.