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Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.

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taktlos aber würde es sein, eine Unterhaltung auf religiöses Gebiet hinüberzuspielen, besonders wenn man weiß, daß andre die eigne Ansicht nicht teilen. Ja, der gute Ton erfordert es sogar, daß man in dieser Hinsicht die größte Schonung walten läßt und nichts sagt, was einen der Anwesenden nur im geringsten unangenehm berühren könnte. Die religiöse Unduldsamkeit, die gerade von den "aufgeklärt" sein wollenden, am meisten ausgeübt wird, gehört wenigstens nicht in den Salon, in die Gesellschaft.

Und noch ein drittes ist es, was sich freilich den beiden eben genannten Punkten kaum zur Seite stellen darf und doch nach dem gesellschaftlichen Übereinkommen mit nicht geringerer Schonung im Gespräch behandelt werden muß: der Aberglaube. Es würde im höchsten Grad taktlos sein, wollte man sich bei einem andern über irgend eine abergläubische Gewohnheit lustig machen oder gar dieselbe mit Absicht verletzen. So vollkommen ist niemand, daß er nicht irgend welche kleine Schwächen hat, die er vom andern respektiert zu haben wünscht, obgleich sie manchmal recht störend sind; warum also den oder jenen Aberglauben nicht berücksichtigen, der doch in den meisten Fällen niemand belästigt.

taktlos aber würde es sein, eine Unterhaltung auf religiöses Gebiet hinüberzuspielen, besonders wenn man weiß, daß andre die eigne Ansicht nicht teilen. Ja, der gute Ton erfordert es sogar, daß man in dieser Hinsicht die größte Schonung walten läßt und nichts sagt, was einen der Anwesenden nur im geringsten unangenehm berühren könnte. Die religiöse Unduldsamkeit, die gerade von den „aufgeklärt“ sein wollenden, am meisten ausgeübt wird, gehört wenigstens nicht in den Salon, in die Gesellschaft.

Und noch ein drittes ist es, was sich freilich den beiden eben genannten Punkten kaum zur Seite stellen darf und doch nach dem gesellschaftlichen Übereinkommen mit nicht geringerer Schonung im Gespräch behandelt werden muß: der Aberglaube. Es würde im höchsten Grad taktlos sein, wollte man sich bei einem andern über irgend eine abergläubische Gewohnheit lustig machen oder gar dieselbe mit Absicht verletzen. So vollkommen ist niemand, daß er nicht irgend welche kleine Schwächen hat, die er vom andern respektiert zu haben wünscht, obgleich sie manchmal recht störend sind; warum also den oder jenen Aberglauben nicht berücksichtigen, der doch in den meisten Fällen niemand belästigt.

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[206/0216] taktlos aber würde es sein, eine Unterhaltung auf religiöses Gebiet hinüberzuspielen, besonders wenn man weiß, daß andre die eigne Ansicht nicht teilen. Ja, der gute Ton erfordert es sogar, daß man in dieser Hinsicht die größte Schonung walten läßt und nichts sagt, was einen der Anwesenden nur im geringsten unangenehm berühren könnte. Die religiöse Unduldsamkeit, die gerade von den „aufgeklärt“ sein wollenden, am meisten ausgeübt wird, gehört wenigstens nicht in den Salon, in die Gesellschaft. Und noch ein drittes ist es, was sich freilich den beiden eben genannten Punkten kaum zur Seite stellen darf und doch nach dem gesellschaftlichen Übereinkommen mit nicht geringerer Schonung im Gespräch behandelt werden muß: der Aberglaube. Es würde im höchsten Grad taktlos sein, wollte man sich bei einem andern über irgend eine abergläubische Gewohnheit lustig machen oder gar dieselbe mit Absicht verletzen. So vollkommen ist niemand, daß er nicht irgend welche kleine Schwächen hat, die er vom andern respektiert zu haben wünscht, obgleich sie manchmal recht störend sind; warum also den oder jenen Aberglauben nicht berücksichtigen, der doch in den meisten Fällen niemand belästigt.

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Zitationshilfe: Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/216>, abgerufen am 05.05.2024.