Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Ursachen des Herzschlages.
hen, auch wenn sie bereits eine Zeitlang ruhig gewesen.
Folglich wird ihnen durch das Anfüllen die Verkürzungs-
kraft keineswegs benommen, sondern sie werden vielmehr
dazu angereizet (y). Jch nehme hier aber zu der Anfül-
lung ein flüßiges Wesen, indem die Klumpen von geron-
nenen Blut, wenn sie das Ohr ausdehnen (z), dasselbe
vielmehr unbeweglich machen.

Daß die Nervenkraft von den Fasern der Muskeln
überwältigt werde, ist der Wahrheit ebenfalls entgegen.
Es wirket die der Faser anerschaffene zusammenziehende
Kraft (a), und die zwote von denen Nerven mitgetheilte
Kraft (b), zu einerlei Zeit und auf einmal zugleich, und
sie werden beide durch die Faser unterstüzzet, verstärket
und beschleuniget. Denn es ziehet sich eine Faser ohne
Nerven nur mittelmäßig zusammen, sie wird aber viel
lebhafter angezogen, so bald die Nervenkraft dazu kommt.

Nun wollen wir auch zeigen, daß die Mitwirkung
des Blutes, bei der Action eines Muskels nur einen ent-
fernten Einfluß äussere. Wenn man die Halsadern un-
terbindet, so wirken die Muskeln des Gesichtes und des
Kopfes unverändert fort. Wenn die Schlagader des
Arms gebunden wird, so erfolget keine Lähmung (c),
und bei denen Fröschen behalten auch die Muskeln ihre
Wirksamkeit noch, wenn man gleich das Herz herausge-
schnitten hat. Der heisse Brand, welcher auf das von
seinem gewöhnlichen Orte weggeleitete Blut erfolgt, zie-
het erst lange Zeit hernach, wenn die Muskelfasern be-
reits sind zerstöret worden, die Lähmung nach sich.

Es ist auch bereits oben das Vorgeben widerlegt
worden, daß das Herz gerade Fasern habe, die sich ent-
weder gegen einander wenden, oder so wenig unter sich

im
(y) [Spaltenumbruch] §. 4. Abschn. 5. B. 4.
(z) Second Memoire Exp. 521.
545.
(a) Ebendas. S. 256.
(b) [Spaltenumbruch] Ebendas.
(c) Blos einige schwere Träg-
heit, parisol lournal oeconom.
1756. Ianvier.
P p p 2

Urſachen des Herzſchlages.
hen, auch wenn ſie bereits eine Zeitlang ruhig geweſen.
Folglich wird ihnen durch das Anfuͤllen die Verkuͤrzungs-
kraft keineswegs benommen, ſondern ſie werden vielmehr
dazu angereizet (y). Jch nehme hier aber zu der Anfuͤl-
lung ein fluͤßiges Weſen, indem die Klumpen von geron-
nenen Blut, wenn ſie das Ohr ausdehnen (z), daſſelbe
vielmehr unbeweglich machen.

Daß die Nervenkraft von den Faſern der Muskeln
uͤberwaͤltigt werde, iſt der Wahrheit ebenfalls entgegen.
Es wirket die der Faſer anerſchaffene zuſammenziehende
Kraft (a), und die zwote von denen Nerven mitgetheilte
Kraft (b), zu einerlei Zeit und auf einmal zugleich, und
ſie werden beide durch die Faſer unterſtuͤzzet, verſtaͤrket
und beſchleuniget. Denn es ziehet ſich eine Faſer ohne
Nerven nur mittelmaͤßig zuſammen, ſie wird aber viel
lebhafter angezogen, ſo bald die Nervenkraft dazu kommt.

Nun wollen wir auch zeigen, daß die Mitwirkung
des Blutes, bei der Action eines Muskels nur einen ent-
fernten Einfluß aͤuſſere. Wenn man die Halsadern un-
terbindet, ſo wirken die Muskeln des Geſichtes und des
Kopfes unveraͤndert fort. Wenn die Schlagader des
Arms gebunden wird, ſo erfolget keine Laͤhmung (c),
und bei denen Froͤſchen behalten auch die Muskeln ihre
Wirkſamkeit noch, wenn man gleich das Herz herausge-
ſchnitten hat. Der heiſſe Brand, welcher auf das von
ſeinem gewoͤhnlichen Orte weggeleitete Blut erfolgt, zie-
het erſt lange Zeit hernach, wenn die Muskelfaſern be-
reits ſind zerſtoͤret worden, die Laͤhmung nach ſich.

Es iſt auch bereits oben das Vorgeben widerlegt
worden, daß das Herz gerade Faſern habe, die ſich ent-
weder gegen einander wenden, oder ſo wenig unter ſich

im
(y) [Spaltenumbruch] §. 4. Abſchn. 5. B. 4.
(z) Second Memoire Exp. 521.
545.
(a) Ebendaſ. S. 256.
(b) [Spaltenumbruch] Ebendaſ.
(c) Blos einige ſchwere Traͤg-
heit, parisol lournal oeconom.
1756. Ianvier.
P p p 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f1019" n="963"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ur&#x017F;achen des Herz&#x017F;chlages.</hi></fw><lb/>
hen, auch wenn &#x017F;ie bereits eine Zeitlang ruhig gewe&#x017F;en.<lb/>
Folglich wird ihnen durch das Anfu&#x0364;llen die Verku&#x0364;rzungs-<lb/>
kraft keineswegs benommen, &#x017F;ondern &#x017F;ie werden vielmehr<lb/>
dazu angereizet <note place="foot" n="(y)"><cb/>
§. 4. Ab&#x017F;chn. 5. B. 4.</note>. Jch nehme hier aber zu der Anfu&#x0364;l-<lb/>
lung ein flu&#x0364;ßiges We&#x017F;en, indem die Klumpen von geron-<lb/>
nenen Blut, wenn &#x017F;ie das Ohr ausdehnen <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq">Second Memoire Exp.</hi> 521.<lb/>
545.</note>, da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
vielmehr unbeweglich machen.</p><lb/>
            <p>Daß die Nervenkraft von den Fa&#x017F;ern der Muskeln<lb/>
u&#x0364;berwa&#x0364;ltigt werde, i&#x017F;t der Wahrheit ebenfalls entgegen.<lb/>
Es wirket die der Fa&#x017F;er aner&#x017F;chaffene zu&#x017F;ammenziehende<lb/>
Kraft <note place="foot" n="(a)">Ebenda&#x017F;. S. 256.</note>, und die zwote von denen Nerven mitgetheilte<lb/>
Kraft <note place="foot" n="(b)"><cb/>
Ebenda&#x017F;.</note>, zu einerlei Zeit und auf einmal zugleich, und<lb/>
&#x017F;ie werden beide durch die Fa&#x017F;er unter&#x017F;tu&#x0364;zzet, ver&#x017F;ta&#x0364;rket<lb/>
und be&#x017F;chleuniget. Denn es ziehet &#x017F;ich eine Fa&#x017F;er ohne<lb/>
Nerven nur mittelma&#x0364;ßig zu&#x017F;ammen, &#x017F;ie wird aber viel<lb/>
lebhafter angezogen, &#x017F;o bald die Nervenkraft dazu kommt.</p><lb/>
            <p>Nun wollen wir auch zeigen, daß die Mitwirkung<lb/>
des Blutes, bei der Action eines Muskels nur einen ent-<lb/>
fernten Einfluß a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere. Wenn man die Halsadern un-<lb/>
terbindet, &#x017F;o wirken die Muskeln des Ge&#x017F;ichtes und des<lb/>
Kopfes unvera&#x0364;ndert fort. Wenn die Schlagader des<lb/>
Arms gebunden wird, &#x017F;o erfolget keine La&#x0364;hmung <note place="foot" n="(c)">Blos einige &#x017F;chwere Tra&#x0364;g-<lb/>
heit, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">parisol</hi> lournal oeconom.<lb/>
1756. Ianvier.</hi></note>,<lb/>
und bei denen Fro&#x0364;&#x017F;chen behalten auch die Muskeln ihre<lb/>
Wirk&#x017F;amkeit noch, wenn man gleich das Herz herausge-<lb/>
&#x017F;chnitten hat. Der hei&#x017F;&#x017F;e Brand, welcher auf das von<lb/>
&#x017F;einem gewo&#x0364;hnlichen Orte weggeleitete Blut erfolgt, zie-<lb/>
het er&#x017F;t lange Zeit hernach, wenn die Muskelfa&#x017F;ern be-<lb/>
reits &#x017F;ind zer&#x017F;to&#x0364;ret worden, die La&#x0364;hmung nach &#x017F;ich.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t auch bereits oben das Vorgeben widerlegt<lb/>
worden, daß das Herz gerade Fa&#x017F;ern habe, die &#x017F;ich ent-<lb/>
weder gegen einander wenden, oder &#x017F;o wenig unter &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P p p 2</fw><fw place="bottom" type="catch">im</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[963/1019] Urſachen des Herzſchlages. hen, auch wenn ſie bereits eine Zeitlang ruhig geweſen. Folglich wird ihnen durch das Anfuͤllen die Verkuͤrzungs- kraft keineswegs benommen, ſondern ſie werden vielmehr dazu angereizet (y). Jch nehme hier aber zu der Anfuͤl- lung ein fluͤßiges Weſen, indem die Klumpen von geron- nenen Blut, wenn ſie das Ohr ausdehnen (z), daſſelbe vielmehr unbeweglich machen. Daß die Nervenkraft von den Faſern der Muskeln uͤberwaͤltigt werde, iſt der Wahrheit ebenfalls entgegen. Es wirket die der Faſer anerſchaffene zuſammenziehende Kraft (a), und die zwote von denen Nerven mitgetheilte Kraft (b), zu einerlei Zeit und auf einmal zugleich, und ſie werden beide durch die Faſer unterſtuͤzzet, verſtaͤrket und beſchleuniget. Denn es ziehet ſich eine Faſer ohne Nerven nur mittelmaͤßig zuſammen, ſie wird aber viel lebhafter angezogen, ſo bald die Nervenkraft dazu kommt. Nun wollen wir auch zeigen, daß die Mitwirkung des Blutes, bei der Action eines Muskels nur einen ent- fernten Einfluß aͤuſſere. Wenn man die Halsadern un- terbindet, ſo wirken die Muskeln des Geſichtes und des Kopfes unveraͤndert fort. Wenn die Schlagader des Arms gebunden wird, ſo erfolget keine Laͤhmung (c), und bei denen Froͤſchen behalten auch die Muskeln ihre Wirkſamkeit noch, wenn man gleich das Herz herausge- ſchnitten hat. Der heiſſe Brand, welcher auf das von ſeinem gewoͤhnlichen Orte weggeleitete Blut erfolgt, zie- het erſt lange Zeit hernach, wenn die Muskelfaſern be- reits ſind zerſtoͤret worden, die Laͤhmung nach ſich. Es iſt auch bereits oben das Vorgeben widerlegt worden, daß das Herz gerade Faſern habe, die ſich ent- weder gegen einander wenden, oder ſo wenig unter ſich im (y) §. 4. Abſchn. 5. B. 4. (z) Second Memoire Exp. 521. 545. (a) Ebendaſ. S. 256. (b) Ebendaſ. (c) Blos einige ſchwere Traͤg- heit, parisol lournal oeconom. 1756. Ianvier. P p p 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/1019
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 963. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/1019>, abgerufen am 15.05.2024.