Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Gefässe.
der Talg hätte ergiessen können (m). Jndessen läst sich
dieser ehrliche Alte durch die lezteren Versuche überreden,
daß sich das Blut wieder unter der Gestalt eines Dun-
stes in die flokkige Substanz der Theile des thierischen
Körpers verbreite (n).

Hierdurch wurde aber das Parenchima gleichwol
noch nicht ohne Vertheidigung gelassen. Denn Johann
Mayov (o) hatte sich dessen bisher noch dergestalt an-
genommen, daß er vorgab, eine Schlagader endige sich
in ein Bläschen, aus dem hernach eine Blutader wieder
entstünde. Diese Hipothese nahm darauf Duverney (p),
und mit einiger Veränderung auch Georg Christoph
Schelhammer (q) an, indem er die Verbindungen
von beiderlei Gefässen unter sich so einrichtete, daß durch
einige Löcherchen das Blut eben so frei aus einem in das
andere übergienge, wie die einförmige Oefnung zwischen
beiden Herzkammern dergleichen freien Durchgang dem-
selben verstattet. Ferner verwarf Theod. Kerkring (r)
die Gemeinschaft unter diesen Gefässen, weil die Luft aus
den Schlagadern nicht in die Blutadern zu bringen war,
ob er sich gleich vergebens der Präparationen des Ruy-
schen
bediente. Selbst Stahl (s) führte die zellige
Zwischenräume von Fasern zwischen den Schlag- und
Blutadern wieder ein, darinnen entweder das Blut still-
stehen, oder wenigstens langsam fliessen müste, nachdem
es die Seele vor gut befände, als welche diese Fasern
nach ihrem Willkühr verschiedentlich bewege: und da-
her käme es, daß das Blut bald in grösserer, bald in ge-
ringerer Menge hindurchgienge, nachdem nämlich die

Seele
(m) [Spaltenumbruch] Epist. anat. III. S. 28.
(n) Thesaur. IV. n. 96. Thes.
VI.
gegen das Ende. Thes. X. n.
35. Thes. max. n. 19. 112. Advers. I.
n. 6. II. n. 8. Epist. probl. XVI.
(o) Oper. omn. belg. ed. S. 307.
(p) Mem. de l'Acad. des scienc.
[Spaltenumbruch] 1699. T. I. S. 281. führt die Milz
und Lunge zum Beispiele an.
(q) Physiol. p. CLXV. CLXXI.
(r) Spicil. obs. 8.
(s) Hist. temperament. Diss. de
motib. humor. spasmod. et de Me-
chanismo motus progr. sanguin.

Zweites Buch. Gefaͤſſe.
der Talg haͤtte ergieſſen koͤnnen (m). Jndeſſen laͤſt ſich
dieſer ehrliche Alte durch die lezteren Verſuche uͤberreden,
daß ſich das Blut wieder unter der Geſtalt eines Dun-
ſtes in die flokkige Subſtanz der Theile des thieriſchen
Koͤrpers verbreite (n).

Hierdurch wurde aber das Parenchima gleichwol
noch nicht ohne Vertheidigung gelaſſen. Denn Johann
Mayov (o) hatte ſich deſſen bisher noch dergeſtalt an-
genommen, daß er vorgab, eine Schlagader endige ſich
in ein Blaͤschen, aus dem hernach eine Blutader wieder
entſtuͤnde. Dieſe Hipotheſe nahm darauf Duverney (p),
und mit einiger Veraͤnderung auch Georg Chriſtoph
Schelhammer (q) an, indem er die Verbindungen
von beiderlei Gefaͤſſen unter ſich ſo einrichtete, daß durch
einige Loͤcherchen das Blut eben ſo frei aus einem in das
andere uͤbergienge, wie die einfoͤrmige Oefnung zwiſchen
beiden Herzkammern dergleichen freien Durchgang dem-
ſelben verſtattet. Ferner verwarf Theod. Kerkring (r)
die Gemeinſchaft unter dieſen Gefaͤſſen, weil die Luft aus
den Schlagadern nicht in die Blutadern zu bringen war,
ob er ſich gleich vergebens der Praͤparationen des Ruy-
ſchen
bediente. Selbſt Stahl (s) fuͤhrte die zellige
Zwiſchenraͤume von Faſern zwiſchen den Schlag- und
Blutadern wieder ein, darinnen entweder das Blut ſtill-
ſtehen, oder wenigſtens langſam flieſſen muͤſte, nachdem
es die Seele vor gut befaͤnde, als welche dieſe Faſern
nach ihrem Willkuͤhr verſchiedentlich bewege: und da-
her kaͤme es, daß das Blut bald in groͤſſerer, bald in ge-
ringerer Menge hindurchgienge, nachdem naͤmlich die

Seele
(m) [Spaltenumbruch] Epiſt. anat. III. S. 28.
(n) Theſaur. IV. n. 96. Theſ.
VI.
gegen das Ende. Theſ. X. n.
35. Theſ. max. n. 19. 112. Adverſ. I.
n. 6. II. n. 8. Epiſt. probl. XVI.
(o) Oper. omn. belg. ed. S. 307.
(p) Mem. de l’Acad. des ſcienc.
[Spaltenumbruch] 1699. T. I. S. 281. fuͤhrt die Milz
und Lunge zum Beiſpiele an.
(q) Phyſiol. p. CLXV. CLXXI.
(r) Spicil. obſ. 8.
(s) Hiſt. temperament. Diſſ. de
motib. humor. ſpaſmod. et de Me-
chaniſmo motus progr. ſanguin.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0230" n="174"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweites Buch. Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
der Talg ha&#x0364;tte ergie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen <note place="foot" n="(m)"><cb/><hi rendition="#aq">Epi&#x017F;t. anat. III.</hi> S. 28.</note>. Jnde&#x017F;&#x017F;en la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;er ehrliche Alte durch die lezteren Ver&#x017F;uche u&#x0364;berreden,<lb/>
daß &#x017F;ich das Blut wieder unter der Ge&#x017F;talt eines Dun-<lb/>
&#x017F;tes in die flokkige Sub&#x017F;tanz der Theile des thieri&#x017F;chen<lb/>
Ko&#x0364;rpers verbreite <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq">The&#x017F;aur. IV. n. 96. The&#x017F;.<lb/>
VI.</hi> gegen das Ende. <hi rendition="#aq">The&#x017F;. X. n.<lb/>
35. The&#x017F;. max. n. 19. 112. Adver&#x017F;. I.<lb/>
n. 6. II. n. 8. Epi&#x017F;t. probl. XVI.</hi></note>.</p><lb/>
            <p>Hierdurch wurde aber das Parenchima gleichwol<lb/>
noch nicht ohne Vertheidigung gela&#x017F;&#x017F;en. Denn Johann<lb/><hi rendition="#fr">Mayov</hi> <note place="foot" n="(o)"><hi rendition="#aq">Oper. omn. belg. ed.</hi> S. 307.</note> hatte &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en bisher noch derge&#x017F;talt an-<lb/>
genommen, daß er vorgab, eine Schlagader endige &#x017F;ich<lb/>
in ein Bla&#x0364;schen, aus dem hernach eine Blutader wieder<lb/>
ent&#x017F;tu&#x0364;nde. Die&#x017F;e Hipothe&#x017F;e nahm darauf <hi rendition="#fr">Duverney</hi> <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq">Mem. de l&#x2019;Acad. des &#x017F;cienc.</hi><lb/><cb/>
1699. <hi rendition="#aq">T. I.</hi> S. 281. fu&#x0364;hrt die Milz<lb/>
und Lunge zum Bei&#x017F;piele an.</note>,<lb/>
und mit einiger Vera&#x0364;nderung auch Georg Chri&#x017F;toph<lb/><hi rendition="#fr">Schelhammer</hi> <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq">Phy&#x017F;iol. p. CLXV. CLXXI.</hi></note> an, indem er die Verbindungen<lb/>
von beiderlei Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en unter &#x017F;ich &#x017F;o einrichtete, daß durch<lb/>
einige Lo&#x0364;cherchen das Blut eben &#x017F;o frei aus einem in das<lb/>
andere u&#x0364;bergienge, wie die einfo&#x0364;rmige Oefnung zwi&#x017F;chen<lb/>
beiden Herzkammern dergleichen freien Durchgang dem-<lb/>
&#x017F;elben ver&#x017F;tattet. Ferner verwarf Theod. <hi rendition="#fr">Kerkring</hi> <note place="foot" n="(r)"><hi rendition="#aq">Spicil. ob&#x017F;.</hi> 8.</note><lb/>
die Gemein&#x017F;chaft unter die&#x017F;en Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, weil die Luft aus<lb/>
den Schlagadern nicht in die Blutadern zu bringen war,<lb/>
ob er &#x017F;ich gleich vergebens der Pra&#x0364;parationen des <hi rendition="#fr">Ruy-<lb/>
&#x017F;chen</hi> bediente. Selb&#x017F;t <hi rendition="#fr">Stahl</hi> <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq">Hi&#x017F;t. temperament. Di&#x017F;&#x017F;. de<lb/>
motib. humor. &#x017F;pa&#x017F;mod. et de Me-<lb/>
chani&#x017F;mo motus progr. &#x017F;anguin.</hi></note> fu&#x0364;hrte die zellige<lb/>
Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume von Fa&#x017F;ern zwi&#x017F;chen den Schlag- und<lb/>
Blutadern wieder ein, darinnen entweder das Blut &#x017F;till-<lb/>
&#x017F;tehen, oder wenig&#x017F;tens lang&#x017F;am flie&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;te, nachdem<lb/>
es die Seele vor gut befa&#x0364;nde, als welche die&#x017F;e Fa&#x017F;ern<lb/>
nach ihrem Willku&#x0364;hr ver&#x017F;chiedentlich bewege: und da-<lb/>
her ka&#x0364;me es, daß das Blut bald in gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer, bald in ge-<lb/>
ringerer Menge hindurchgienge, nachdem na&#x0364;mlich die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Seele</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0230] Zweites Buch. Gefaͤſſe. der Talg haͤtte ergieſſen koͤnnen (m). Jndeſſen laͤſt ſich dieſer ehrliche Alte durch die lezteren Verſuche uͤberreden, daß ſich das Blut wieder unter der Geſtalt eines Dun- ſtes in die flokkige Subſtanz der Theile des thieriſchen Koͤrpers verbreite (n). Hierdurch wurde aber das Parenchima gleichwol noch nicht ohne Vertheidigung gelaſſen. Denn Johann Mayov (o) hatte ſich deſſen bisher noch dergeſtalt an- genommen, daß er vorgab, eine Schlagader endige ſich in ein Blaͤschen, aus dem hernach eine Blutader wieder entſtuͤnde. Dieſe Hipotheſe nahm darauf Duverney (p), und mit einiger Veraͤnderung auch Georg Chriſtoph Schelhammer (q) an, indem er die Verbindungen von beiderlei Gefaͤſſen unter ſich ſo einrichtete, daß durch einige Loͤcherchen das Blut eben ſo frei aus einem in das andere uͤbergienge, wie die einfoͤrmige Oefnung zwiſchen beiden Herzkammern dergleichen freien Durchgang dem- ſelben verſtattet. Ferner verwarf Theod. Kerkring (r) die Gemeinſchaft unter dieſen Gefaͤſſen, weil die Luft aus den Schlagadern nicht in die Blutadern zu bringen war, ob er ſich gleich vergebens der Praͤparationen des Ruy- ſchen bediente. Selbſt Stahl (s) fuͤhrte die zellige Zwiſchenraͤume von Faſern zwiſchen den Schlag- und Blutadern wieder ein, darinnen entweder das Blut ſtill- ſtehen, oder wenigſtens langſam flieſſen muͤſte, nachdem es die Seele vor gut befaͤnde, als welche dieſe Faſern nach ihrem Willkuͤhr verſchiedentlich bewege: und da- her kaͤme es, daß das Blut bald in groͤſſerer, bald in ge- ringerer Menge hindurchgienge, nachdem naͤmlich die Seele (m) Epiſt. anat. III. S. 28. (n) Theſaur. IV. n. 96. Theſ. VI. gegen das Ende. Theſ. X. n. 35. Theſ. max. n. 19. 112. Adverſ. I. n. 6. II. n. 8. Epiſt. probl. XVI. (o) Oper. omn. belg. ed. S. 307. (p) Mem. de l’Acad. des ſcienc. 1699. T. I. S. 281. fuͤhrt die Milz und Lunge zum Beiſpiele an. (q) Phyſiol. p. CLXV. CLXXI. (r) Spicil. obſ. 8. (s) Hiſt. temperament. Diſſ. de motib. humor. ſpaſmod. et de Me- chaniſmo motus progr. ſanguin.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/230
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/230>, abgerufen am 28.04.2024.