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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Viertes Buch. Das Herz.
er sich bewegt, seine Wärme, und er würde mit dem Le-
ben alle Wärme verlieren, so bald er aufhören wollte sich
zu bewegen. Man siehet also, daß das Blut seine Wär-
me nicht von der Luft bekommt.

Bei der Hipothese des berühmten Bertier hätte al-
lerdings die Ursache sollen angezeigt werden, warum die
mit dem Blute vermischte Luft warm wird. Man muß
diese Frage nicht auf den Menschen allein einschränken,
dessen Blut schon seine angeborne Wärme bei sich führet,
sondern sie vornämlich auf die Fische, die vierfüßigen Thie-
re, und die Jnsekten, als die allerweitläuftigste Classe von
Thieren, anwenden. Jn allen diesen hat das Blut eben
diejenige gemäßigte Wärme, mit der die Luft versehen
ist (k). Es ist also vergebens, wenn man annehmen will,
daß sich diese Luft, wenn sie in das Blut gelanget ist, aus-
dehne. Wenn dieser Grund weggerissen wird, so fällt das
ganze Gebäude von selbsten über den Haufen. Es wird
aber auch das Blut ausserdem, laut dem Versuche, den
der berühmte Samuel Aurivillius (l) gemacht hat, in
einer Glaßröhre durch die Kälte entweder gar nicht, oder
doch nur um einen so geringen Grad, fortbewegt, daß
solcher zur Bewegung der Blutmasse so viel als nichts
beiträgt, wofern sie nicht von der Kälte ihre Richtung
bekommt, und von der Wärme sehr ausgedehnt wird.
Der berühmte Bertier hat bei seinem Versuche allzu viel
Wärme zu Hülfe genommen.

Diesem allen kann man noch beifügen, daß hier das-
jenige ebenfalls gilt, was wir bereits von dem Zusammen-
ziehen der Schlagadern erwähnt haben, und daß es hier
noch einen grössern Grad der Gültigkeit habe. Die Wär-
(i)

me
(k) Hiervon wird im 6ten Bu-
[Spaltenumbruch] che ausführlicher gehandelt wer-
den.
(l) Jn der inaugur. Disp. de
Inaequali amplit. vasor. pulm.
die
im VII Theil unserer Sammlung
wieder abgedrukt worden.
(i) [Spaltenumbruch] Denn es war diese Kälte un-
ter dem 58 Grade. Man findet
aber auch bis zum 80sten Grad
Wallfische und Nationen, in dem
westlichen Grönland.

Viertes Buch. Das Herz.
er ſich bewegt, ſeine Waͤrme, und er wuͤrde mit dem Le-
ben alle Waͤrme verlieren, ſo bald er aufhoͤren wollte ſich
zu bewegen. Man ſiehet alſo, daß das Blut ſeine Waͤr-
me nicht von der Luft bekommt.

Bei der Hipotheſe des beruͤhmten Bertier haͤtte al-
lerdings die Urſache ſollen angezeigt werden, warum die
mit dem Blute vermiſchte Luft warm wird. Man muß
dieſe Frage nicht auf den Menſchen allein einſchraͤnken,
deſſen Blut ſchon ſeine angeborne Waͤrme bei ſich fuͤhret,
ſondern ſie vornaͤmlich auf die Fiſche, die vierfuͤßigen Thie-
re, und die Jnſekten, als die allerweitlaͤuftigſte Claſſe von
Thieren, anwenden. Jn allen dieſen hat das Blut eben
diejenige gemaͤßigte Waͤrme, mit der die Luft verſehen
iſt (k). Es iſt alſo vergebens, wenn man annehmen will,
daß ſich dieſe Luft, wenn ſie in das Blut gelanget iſt, aus-
dehne. Wenn dieſer Grund weggeriſſen wird, ſo faͤllt das
ganze Gebaͤude von ſelbſten uͤber den Haufen. Es wird
aber auch das Blut auſſerdem, laut dem Verſuche, den
der beruͤhmte Samuel Aurivillius (l) gemacht hat, in
einer Glaßroͤhre durch die Kaͤlte entweder gar nicht, oder
doch nur um einen ſo geringen Grad, fortbewegt, daß
ſolcher zur Bewegung der Blutmaſſe ſo viel als nichts
beitraͤgt, wofern ſie nicht von der Kaͤlte ihre Richtung
bekommt, und von der Waͤrme ſehr ausgedehnt wird.
Der beruͤhmte Bertier hat bei ſeinem Verſuche allzu viel
Waͤrme zu Huͤlfe genommen.

Dieſem allen kann man noch beifuͤgen, daß hier das-
jenige ebenfalls gilt, was wir bereits von dem Zuſammen-
ziehen der Schlagadern erwaͤhnt haben, und daß es hier
noch einen groͤſſern Grad der Guͤltigkeit habe. Die Waͤr-
(i)

me
(k) Hiervon wird im 6ten Bu-
[Spaltenumbruch] che ausfuͤhrlicher gehandelt wer-
den.
(l) Jn der inaugur. Diſp. de
Inæquali amplit. vaſor. pulm.
die
im VII Theil unſerer Sammlung
wieder abgedrukt worden.
(i) [Spaltenumbruch] Denn es war dieſe Kaͤlte un-
ter dem 58 Grade. Man findet
aber auch bis zum 80ſten Grad
Wallfiſche und Nationen, in dem
weſtlichen Groͤnland.
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[852/0908] Viertes Buch. Das Herz. er ſich bewegt, ſeine Waͤrme, und er wuͤrde mit dem Le- ben alle Waͤrme verlieren, ſo bald er aufhoͤren wollte ſich zu bewegen. Man ſiehet alſo, daß das Blut ſeine Waͤr- me nicht von der Luft bekommt. Bei der Hipotheſe des beruͤhmten Bertier haͤtte al- lerdings die Urſache ſollen angezeigt werden, warum die mit dem Blute vermiſchte Luft warm wird. Man muß dieſe Frage nicht auf den Menſchen allein einſchraͤnken, deſſen Blut ſchon ſeine angeborne Waͤrme bei ſich fuͤhret, ſondern ſie vornaͤmlich auf die Fiſche, die vierfuͤßigen Thie- re, und die Jnſekten, als die allerweitlaͤuftigſte Claſſe von Thieren, anwenden. Jn allen dieſen hat das Blut eben diejenige gemaͤßigte Waͤrme, mit der die Luft verſehen iſt (k). Es iſt alſo vergebens, wenn man annehmen will, daß ſich dieſe Luft, wenn ſie in das Blut gelanget iſt, aus- dehne. Wenn dieſer Grund weggeriſſen wird, ſo faͤllt das ganze Gebaͤude von ſelbſten uͤber den Haufen. Es wird aber auch das Blut auſſerdem, laut dem Verſuche, den der beruͤhmte Samuel Aurivillius (l) gemacht hat, in einer Glaßroͤhre durch die Kaͤlte entweder gar nicht, oder doch nur um einen ſo geringen Grad, fortbewegt, daß ſolcher zur Bewegung der Blutmaſſe ſo viel als nichts beitraͤgt, wofern ſie nicht von der Kaͤlte ihre Richtung bekommt, und von der Waͤrme ſehr ausgedehnt wird. Der beruͤhmte Bertier hat bei ſeinem Verſuche allzu viel Waͤrme zu Huͤlfe genommen. Dieſem allen kann man noch beifuͤgen, daß hier das- jenige ebenfalls gilt, was wir bereits von dem Zuſammen- ziehen der Schlagadern erwaͤhnt haben, und daß es hier noch einen groͤſſern Grad der Guͤltigkeit habe. Die Waͤr- me (i) (k) Hiervon wird im 6ten Bu- che ausfuͤhrlicher gehandelt wer- den. (l) Jn der inaugur. Diſp. de Inæquali amplit. vaſor. pulm. die im VII Theil unſerer Sammlung wieder abgedrukt worden. (i) Denn es war dieſe Kaͤlte un- ter dem 58 Grade. Man findet aber auch bis zum 80ſten Grad Wallfiſche und Nationen, in dem weſtlichen Groͤnland.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 852. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/908>, abgerufen am 16.05.2024.