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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Viertes Buch. Das Herz.
gradswirbel das Mark zersticht (c). Die harte Mem-
brane des Rükkenmarks lässet sich ohne Schaden zerschnei-
den, und es stirbt das Thier nicht davon, wenn das Mark
der Länge nach zerschnitten worden, es verlieret aber au-
genbliklich das Leben, wenn das Mark nach der Queere
durchschnitten wird (d). Als der knopfförmige Fortsaz
(processus condyloides) des Hinterhauptes von dem er-
sten und zwoten Wirbel losgewichen war, so erfolgte ein
schleuniger Tod (e). Von der Verrenkung des Kopfes
und einem gespaltenen Rükkenmarke, starb ein Mensch
sogleich in einem Augenblik (f). Nachdem man eine Na-
del durch das Rükkenmark eines Hundes gestochen hatte,
so erfolgte ebenfalls ein sehneller Tod. Die Brasilianer
tödten die wilden Ochsen mit einem Stiche, indem sie das
Eisen in den Nakken stossen (h). Jch übergehe die übri-
gen Exempel, deren es sonst noch eine grosse Menge
giebt (i).

Wir finden aber auch, daß am Herzen sehr heftige
Bewegungen erfolgen, und die Heftigkeit des Pulsschlags
ungemein vermehret werde, so bald das Hirnmark (me-
dulla oblongata
) gereizzet wird (k).

Der Leser wird es aber nicht übel nehmen, wenn ich
auch diese Dinge nicht vor vollkommen gegründet halte.
Erstlich leidet der Herzschlag durch die Verwundungen
des Rükkenmarkes, bei kalten Thieren keinen Schaden,
wenn man auch gleich das Mark nach der Queere durch-
schneidet. Hernach habe ich auch an Hunden eben dieses
(g)
(l)

Mark
(c) [Spaltenumbruch] De Hippecr. & Plat. decret.
L. VII. c.
3.
(d) Beim Oribasius, nach der
Ausgabe des Dundas, S. 28.
(e) Schneider de Osse occi-
pitis.
(f) Petit Maladie des os T. I.
S. 66.
(h) [Spaltenumbruch] Dampier in seinen Reisen.
Vergleiche damit den Zodiac. med.
gall. T. III.
S. 56.
(i) Man sehe indessen nach die
Commentar. in boerhaav. Praele-
ction. T. II. ad n.
284.
(k) Ens am angef. Ort, n. 2.
(g) Bohn de lethalit. vulne-
rum,
S. 38. Leeuwenhök Oper.
T. II.
S. 152.
(l) Second Memoire sur les par-
ties irrit. & sensibl. Exp.
159. 160.
479. 480.

Viertes Buch. Das Herz.
gradswirbel das Mark zerſticht (c). Die harte Mem-
brane des Ruͤkkenmarks laͤſſet ſich ohne Schaden zerſchnei-
den, und es ſtirbt das Thier nicht davon, wenn das Mark
der Laͤnge nach zerſchnitten worden, es verlieret aber au-
genbliklich das Leben, wenn das Mark nach der Queere
durchſchnitten wird (d). Als der knopffoͤrmige Fortſaz
(proceſſus condyloides) des Hinterhauptes von dem er-
ſten und zwoten Wirbel losgewichen war, ſo erfolgte ein
ſchleuniger Tod (e). Von der Verrenkung des Kopfes
und einem geſpaltenen Ruͤkkenmarke, ſtarb ein Menſch
ſogleich in einem Augenblik (f). Nachdem man eine Na-
del durch das Ruͤkkenmark eines Hundes geſtochen hatte,
ſo erfolgte ebenfalls ein ſehneller Tod. Die Braſilianer
toͤdten die wilden Ochſen mit einem Stiche, indem ſie das
Eiſen in den Nakken ſtoſſen (h). Jch uͤbergehe die uͤbri-
gen Exempel, deren es ſonſt noch eine groſſe Menge
giebt (i).

Wir finden aber auch, daß am Herzen ſehr heftige
Bewegungen erfolgen, und die Heftigkeit des Pulsſchlags
ungemein vermehret werde, ſo bald das Hirnmark (me-
dulla oblongata
) gereizzet wird (k).

Der Leſer wird es aber nicht uͤbel nehmen, wenn ich
auch dieſe Dinge nicht vor vollkommen gegruͤndet halte.
Erſtlich leidet der Herzſchlag durch die Verwundungen
des Ruͤkkenmarkes, bei kalten Thieren keinen Schaden,
wenn man auch gleich das Mark nach der Queere durch-
ſchneidet. Hernach habe ich auch an Hunden eben dieſes
(g)
(l)

Mark
(c) [Spaltenumbruch] De Hippecr. & Plat. decret.
L. VII. c.
3.
(d) Beim Oribaſius, nach der
Ausgabe des Dundas, S. 28.
(e) Schneider de Oſſe occi-
pitis.
(f) Petit Maladie des os T. I.
S. 66.
(h) [Spaltenumbruch] Dampier in ſeinen Reiſen.
Vergleiche damit den Zodiac. med.
gall. T. III.
S. 56.
(i) Man ſehe indeſſen nach die
Commentar. in boerhaav. Præle-
ction. T. II. ad n.
284.
(k) Ens am angef. Ort, n. 2.
(g) Bohn de lethalit. vulne-
rum,
S. 38. Leeuwenhök Oper.
T. II.
S. 152.
(l) Second Memoire ſur les par-
ties irrit. & ſenſibl. Exp.
159. 160.
479. 480.
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[888/0944] Viertes Buch. Das Herz. gradswirbel das Mark zerſticht (c). Die harte Mem- brane des Ruͤkkenmarks laͤſſet ſich ohne Schaden zerſchnei- den, und es ſtirbt das Thier nicht davon, wenn das Mark der Laͤnge nach zerſchnitten worden, es verlieret aber au- genbliklich das Leben, wenn das Mark nach der Queere durchſchnitten wird (d). Als der knopffoͤrmige Fortſaz (proceſſus condyloides) des Hinterhauptes von dem er- ſten und zwoten Wirbel losgewichen war, ſo erfolgte ein ſchleuniger Tod (e). Von der Verrenkung des Kopfes und einem geſpaltenen Ruͤkkenmarke, ſtarb ein Menſch ſogleich in einem Augenblik (f). Nachdem man eine Na- del durch das Ruͤkkenmark eines Hundes geſtochen hatte, ſo erfolgte ebenfalls ein ſehneller Tod. Die Braſilianer toͤdten die wilden Ochſen mit einem Stiche, indem ſie das Eiſen in den Nakken ſtoſſen (h). Jch uͤbergehe die uͤbri- gen Exempel, deren es ſonſt noch eine groſſe Menge giebt (i). Wir finden aber auch, daß am Herzen ſehr heftige Bewegungen erfolgen, und die Heftigkeit des Pulsſchlags ungemein vermehret werde, ſo bald das Hirnmark (me- dulla oblongata) gereizzet wird (k). Der Leſer wird es aber nicht uͤbel nehmen, wenn ich auch dieſe Dinge nicht vor vollkommen gegruͤndet halte. Erſtlich leidet der Herzſchlag durch die Verwundungen des Ruͤkkenmarkes, bei kalten Thieren keinen Schaden, wenn man auch gleich das Mark nach der Queere durch- ſchneidet. Hernach habe ich auch an Hunden eben dieſes Mark (g) (l) (c) De Hippecr. & Plat. decret. L. VII. c. 3. (d) Beim Oribaſius, nach der Ausgabe des Dundas, S. 28. (e) Schneider de Oſſe occi- pitis. (f) Petit Maladie des os T. I. S. 66. (h) Dampier in ſeinen Reiſen. Vergleiche damit den Zodiac. med. gall. T. III. S. 56. (i) Man ſehe indeſſen nach die Commentar. in boerhaav. Præle- ction. T. II. ad n. 284. (k) Ens am angef. Ort, n. 2. (g) Bohn de lethalit. vulne- rum, S. 38. Leeuwenhök Oper. T. II. S. 152. (l) Second Memoire ſur les par- ties irrit. & ſenſibl. Exp. 159. 160. 479. 480.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 888. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/944>, abgerufen am 28.04.2024.