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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Sechstes Buch. Das Fortrükken
kommen geschehen könnte, und es scheint in der That die
Weisheit des Schöpfers die Entzwekke der Dinge so ab-
gewogen zu haben, daß die Leibesübung gleichsam eine
Hülfskraft für das Herz abgeben mus, und wenn diese
Hülfe wegfällt, das Herz für sich allein seinen Dienst,
schwerlich verrichten kann. Die blosse Ruhe überwin-
ternder Thiere schwächt den Umlauf so sehr, daß sich we-
der Pulsschläge (k), noch Wärme (l) an ihnen entdekken
lassen.

Daher ist die Hipochondrie (m), und oft auch die
güldne Ader (n), bei Personen welche viel sizzen, bei Ge-
lehrten, und Beherrschern der Länder, eine gemeine
Sache, weil das Blut in der Pfortader stokkt. Daher
entspringen, vom Unterlassen der Leibesübungen, die ge-
schwollnen Füsse, und die Wassersucht. Daher kömmt
auch die übermäßige Fettigkeit müßiger Leute (p), und
der Thiere, die man hindert, ihre Körper zu bewegen.
Alle diese Uebel stammen von einem gehemmten Blute
in den Blutadern her. Es war so gar jemand, dem
nicht einmal aus der Blutader Blut laufen wollte, wo-
fern dieser nicht den Leib zu üben angefangen (q). Schon
von der blossen Bewegung des Arms thut das Blut
einen höhern Sprung (r).

Die Muskelbewegung befördert die Rükkehr des Blut-
aderblutes auf mehr als eine Art. Die erste Art haben wir
erzält (s), da Blutadern, die mitten zwischen Muskeln lie-
gen, von den schwellenden Muskeln offenbar zusammen-
gedrükkt und ausgeleert werden. Da also die grossen

Stäm-
(k) [Spaltenumbruch] Vergl. damit das 4 Buch.
Hallens Geschichte der Thiere
S. 86. vom Dachsen. harvei
beim birch. T. IV. S. 537.
(l) Buch. 6. Abschn. 3. §. 10.
(m) Praelection. in boerhaav.
Institut. T. III.
S. 497.
(n) Ebendas. S. 547. Stahl
von der güldnen Ader. S. 110.
(p) [Spaltenumbruch] Praelect. in boerhaav. In-
stitut. T. III.
S. 498. und in die-
sem Werke 1. Buch.
(q) Eph. Nat. Curios. Dec. II.
ann. 2. obs.
154.
(r) dionis Cours d'oper. S.
459.
(s) 3. Buch.

Sechſtes Buch. Das Fortruͤkken
kommen geſchehen koͤnnte, und es ſcheint in der That die
Weisheit des Schoͤpfers die Entzwekke der Dinge ſo ab-
gewogen zu haben, daß die Leibesuͤbung gleichſam eine
Huͤlfskraft fuͤr das Herz abgeben mus, und wenn dieſe
Huͤlfe wegfaͤllt, das Herz fuͤr ſich allein ſeinen Dienſt,
ſchwerlich verrichten kann. Die bloſſe Ruhe uͤberwin-
ternder Thiere ſchwaͤcht den Umlauf ſo ſehr, daß ſich we-
der Pulsſchlaͤge (k), noch Waͤrme (l) an ihnen entdekken
laſſen.

Daher iſt die Hipochondrie (m), und oft auch die
guͤldne Ader (n), bei Perſonen welche viel ſizzen, bei Ge-
lehrten, und Beherrſchern der Laͤnder, eine gemeine
Sache, weil das Blut in der Pfortader ſtokkt. Daher
entſpringen, vom Unterlaſſen der Leibesuͤbungen, die ge-
ſchwollnen Fuͤſſe, und die Waſſerſucht. Daher koͤmmt
auch die uͤbermaͤßige Fettigkeit muͤßiger Leute (p), und
der Thiere, die man hindert, ihre Koͤrper zu bewegen.
Alle dieſe Uebel ſtammen von einem gehemmten Blute
in den Blutadern her. Es war ſo gar jemand, dem
nicht einmal aus der Blutader Blut laufen wollte, wo-
fern dieſer nicht den Leib zu uͤben angefangen (q). Schon
von der bloſſen Bewegung des Arms thut das Blut
einen hoͤhern Sprung (r).

Die Muskelbewegung befoͤrdert die Ruͤkkehr des Blut-
aderblutes auf mehr als eine Art. Die erſte Art haben wir
erzaͤlt (s), da Blutadern, die mitten zwiſchen Muskeln lie-
gen, von den ſchwellenden Muskeln offenbar zuſammen-
gedruͤkkt und ausgeleert werden. Da alſo die groſſen

Staͤm-
(k) [Spaltenumbruch] Vergl. damit das 4 Buch.
Hallens Geſchichte der Thiere
S. 86. vom Dachſen. harvei
beim birch. T. IV. S. 537.
(l) Buch. 6. Abſchn. 3. §. 10.
(m) Praelection. in boerhaav.
Inſtitut. T. III.
S. 497.
(n) Ebendaſ. S. 547. Stahl
von der guͤldnen Ader. S. 110.
(p) [Spaltenumbruch] Praelect. in boerhaav. In-
ſtitut. T. III.
S. 498. und in die-
ſem Werke 1. Buch.
(q) Eph. Nat. Curioſ. Dec. II.
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154.
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[528/0548] Sechſtes Buch. Das Fortruͤkken kommen geſchehen koͤnnte, und es ſcheint in der That die Weisheit des Schoͤpfers die Entzwekke der Dinge ſo ab- gewogen zu haben, daß die Leibesuͤbung gleichſam eine Huͤlfskraft fuͤr das Herz abgeben mus, und wenn dieſe Huͤlfe wegfaͤllt, das Herz fuͤr ſich allein ſeinen Dienſt, ſchwerlich verrichten kann. Die bloſſe Ruhe uͤberwin- ternder Thiere ſchwaͤcht den Umlauf ſo ſehr, daß ſich we- der Pulsſchlaͤge (k), noch Waͤrme (l) an ihnen entdekken laſſen. Daher iſt die Hipochondrie (m), und oft auch die guͤldne Ader (n), bei Perſonen welche viel ſizzen, bei Ge- lehrten, und Beherrſchern der Laͤnder, eine gemeine Sache, weil das Blut in der Pfortader ſtokkt. Daher entſpringen, vom Unterlaſſen der Leibesuͤbungen, die ge- ſchwollnen Fuͤſſe, und die Waſſerſucht. Daher koͤmmt auch die uͤbermaͤßige Fettigkeit muͤßiger Leute (p), und der Thiere, die man hindert, ihre Koͤrper zu bewegen. Alle dieſe Uebel ſtammen von einem gehemmten Blute in den Blutadern her. Es war ſo gar jemand, dem nicht einmal aus der Blutader Blut laufen wollte, wo- fern dieſer nicht den Leib zu uͤben angefangen (q). Schon von der bloſſen Bewegung des Arms thut das Blut einen hoͤhern Sprung (r). Die Muskelbewegung befoͤrdert die Ruͤkkehr des Blut- aderblutes auf mehr als eine Art. Die erſte Art haben wir erzaͤlt (s), da Blutadern, die mitten zwiſchen Muskeln lie- gen, von den ſchwellenden Muskeln offenbar zuſammen- gedruͤkkt und ausgeleert werden. Da alſo die groſſen Staͤm- (k) Vergl. damit das 4 Buch. Hallens Geſchichte der Thiere S. 86. vom Dachſen. harvei beim birch. T. IV. S. 537. (l) Buch. 6. Abſchn. 3. §. 10. (m) Praelection. in boerhaav. Inſtitut. T. III. S. 497. (n) Ebendaſ. S. 547. Stahl von der guͤldnen Ader. S. 110. (p) Praelect. in boerhaav. In- ſtitut. T. III. S. 498. und in die- ſem Werke 1. Buch. (q) Eph. Nat. Curioſ. Dec. II. ann. 2. obſ. 154. (r) dioniſ Cours d’oper. S. 459. (s) 3. Buch.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/548>, abgerufen am 28.04.2024.