Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

der Verschiedenheit der Säfte.
einer noch zärtern Seite betrachten will, der am Herzen
angrenzende Theil noch ehe ausgedehnt werden, indem
dieser den Stos des erweiternden Stempels zuerst em-
pfunden, und zulezt die kleine Mündung, durch welche
nur ein einziges Kügelchen zu laufen Plazz hat und
welche also zum Absondern geschikkt bleibt. Es ist näm-
lich zu glauben, daß das Herz seine Kraft wieder den
Anfang eines Cilinders mit stärkerm Nachdrukke äusse-
re und die Dehnungskraft daselbst stärker spielen lasse,
als gegen den Endpunkt.

Die Sache ist in der That an sich viel zu einfach,
als daß sie einer so grossen Scharfsinnigkeit bedürftig
wäre. Es ist gewis, so gros das Gefässistem in einer
reifen Frucht, und je grösser es nach Proportion des
kleinen Körpers ist, daß nicht destoweniger doch eine Zeit
gewesen, da die ganze Aorte nicht weiter, als der Durch-
messer eines einzigen roten Kügelchen gewesen. Zu sel-
biger Zeit hat in der Frucht kein Blut seyn können, und
es ist auch wirklich keines vorhanden gewesen. Jn die-
sem so zarten Alter waren in der That die Absondrungs-
gänge viel kleiner, als im erwachsnen Menschen, da nicht
einmal die Aorte Blut führte. Folglich bewegte sich zu
der damaligen Zeit durch diese Auswurfsgefässe ein um
ein vieles zärterer Saft hindurch, als durch ein gleich-
namiges Auswurfsgefässe im erwachsenen Menschen ge-
schicht, und es ward damals überhaupt kein änlicher
Saft aus diesem Eingeweide abgeschieden. Denn es
wird in einer Frucht überhaupt weder Saame noch das
Monatsblut, noch Galle (q), noch der schwarze Anstrich
der Traubenhaut (r), noch Fett (s), sondern überall ein

träger
(q) [Spaltenumbruch] Nämlich Schleim, statt der
Galle. Die grünliche Farbe lässet
sich erst den 13 und 11 Tag sehen.
Die Bitterkeit erst den vierzehn-
ten Tag. Memoir. sur le poulet.
S. 160.
(r) [Spaltenumbruch] Er fängt an am vierten Ta-
ge zu entstehen. Ebendas. S. 160.
(s) Es fängt an zu werden nach
dem vierten Monat, wenigstens laut
meinen Versuchen, in Kindern. 1.
Buch.
Y y 3

der Verſchiedenheit der Saͤfte.
einer noch zaͤrtern Seite betrachten will, der am Herzen
angrenzende Theil noch ehe ausgedehnt werden, indem
dieſer den Stos des erweiternden Stempels zuerſt em-
pfunden, und zulezt die kleine Muͤndung, durch welche
nur ein einziges Kuͤgelchen zu laufen Plazz hat und
welche alſo zum Abſondern geſchikkt bleibt. Es iſt naͤm-
lich zu glauben, daß das Herz ſeine Kraft wieder den
Anfang eines Cilinders mit ſtaͤrkerm Nachdrukke aͤuſſe-
re und die Dehnungskraft daſelbſt ſtaͤrker ſpielen laſſe,
als gegen den Endpunkt.

Die Sache iſt in der That an ſich viel zu einfach,
als daß ſie einer ſo groſſen Scharfſinnigkeit beduͤrftig
waͤre. Es iſt gewis, ſo gros das Gefaͤsſiſtem in einer
reifen Frucht, und je groͤſſer es nach Proportion des
kleinen Koͤrpers iſt, daß nicht deſtoweniger doch eine Zeit
geweſen, da die ganze Aorte nicht weiter, als der Durch-
meſſer eines einzigen roten Kuͤgelchen geweſen. Zu ſel-
biger Zeit hat in der Frucht kein Blut ſeyn koͤnnen, und
es iſt auch wirklich keines vorhanden geweſen. Jn die-
ſem ſo zarten Alter waren in der That die Abſondrungs-
gaͤnge viel kleiner, als im erwachſnen Menſchen, da nicht
einmal die Aorte Blut fuͤhrte. Folglich bewegte ſich zu
der damaligen Zeit durch dieſe Auswurfsgefaͤſſe ein um
ein vieles zaͤrterer Saft hindurch, als durch ein gleich-
namiges Auswurfsgefaͤſſe im erwachſenen Menſchen ge-
ſchicht, und es ward damals uͤberhaupt kein aͤnlicher
Saft aus dieſem Eingeweide abgeſchieden. Denn es
wird in einer Frucht uͤberhaupt weder Saame noch das
Monatsblut, noch Galle (q), noch der ſchwarze Anſtrich
der Traubenhaut (r), noch Fett (s), ſondern uͤberall ein

traͤger
(q) [Spaltenumbruch] Naͤmlich Schleim, ſtatt der
Galle. Die gruͤnliche Farbe laͤſſet
ſich erſt den 13 und 11 Tag ſehen.
Die Bitterkeit erſt den vierzehn-
ten Tag. Memoir. ſur le poulet.
S. 160.
(r) [Spaltenumbruch] Er faͤngt an am vierten Ta-
ge zu entſtehen. Ebendaſ. S. 160.
(s) Es faͤngt an zu werden nach
dem vierten Monat, wenigſtens laut
meinen Verſuchen, in Kindern. 1.
Buch.
Y y 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0729" n="709"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Ver&#x017F;chiedenheit der Sa&#x0364;fte.</hi></fw><lb/>
einer noch za&#x0364;rtern Seite betrachten will, der am Herzen<lb/>
angrenzende Theil noch ehe ausgedehnt werden, indem<lb/>
die&#x017F;er den Stos des erweiternden Stempels zuer&#x017F;t em-<lb/>
pfunden, und zulezt die kleine Mu&#x0364;ndung, durch welche<lb/>
nur ein einziges Ku&#x0364;gelchen zu laufen Plazz hat und<lb/>
welche al&#x017F;o zum Ab&#x017F;ondern ge&#x017F;chikkt bleibt. Es i&#x017F;t na&#x0364;m-<lb/>
lich zu glauben, daß das Herz &#x017F;eine Kraft wieder den<lb/>
Anfang eines Cilinders mit &#x017F;ta&#x0364;rkerm Nachdrukke a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
re und die Dehnungskraft da&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ta&#x0364;rker &#x017F;pielen la&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
als gegen den Endpunkt.</p><lb/>
            <p>Die Sache i&#x017F;t in der That an &#x017F;ich viel zu einfach,<lb/>
als daß &#x017F;ie einer &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Scharf&#x017F;innigkeit bedu&#x0364;rftig<lb/>
wa&#x0364;re. Es i&#x017F;t gewis, &#x017F;o gros das Gefa&#x0364;s&#x017F;i&#x017F;tem in einer<lb/>
reifen Frucht, und je gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er es nach Proportion des<lb/>
kleinen Ko&#x0364;rpers i&#x017F;t, daß nicht de&#x017F;toweniger doch eine Zeit<lb/>
gewe&#x017F;en, da die ganze Aorte nicht weiter, als der Durch-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;er eines einzigen roten Ku&#x0364;gelchen gewe&#x017F;en. Zu &#x017F;el-<lb/>
biger Zeit hat in der Frucht kein Blut &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, und<lb/>
es i&#x017F;t auch wirklich keines vorhanden gewe&#x017F;en. Jn die-<lb/>
&#x017F;em &#x017F;o zarten Alter waren in der That die Ab&#x017F;ondrungs-<lb/>
ga&#x0364;nge viel kleiner, als im erwach&#x017F;nen Men&#x017F;chen, da nicht<lb/>
einmal die Aorte Blut fu&#x0364;hrte. Folglich bewegte &#x017F;ich zu<lb/>
der damaligen Zeit durch die&#x017F;e Auswurfsgefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ein um<lb/>
ein vieles za&#x0364;rterer Saft hindurch, als durch ein gleich-<lb/>
namiges Auswurfsgefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e im erwach&#x017F;enen Men&#x017F;chen ge-<lb/>
&#x017F;chicht, und es ward damals u&#x0364;berhaupt kein a&#x0364;nlicher<lb/>
Saft aus die&#x017F;em Eingeweide abge&#x017F;chieden. Denn es<lb/>
wird in einer Frucht u&#x0364;berhaupt weder Saame noch das<lb/>
Monatsblut, noch Galle <note place="foot" n="(q)"><cb/>
Na&#x0364;mlich Schleim, &#x017F;tatt der<lb/>
Galle. Die gru&#x0364;nliche Farbe la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et<lb/>
&#x017F;ich er&#x017F;t den 13 und 11 Tag &#x017F;ehen.<lb/>
Die Bitterkeit er&#x017F;t den vierzehn-<lb/>
ten Tag. <hi rendition="#aq">Memoir. &#x017F;ur le poulet.</hi><lb/>
S. 160.</note>, noch der &#x017F;chwarze An&#x017F;trich<lb/>
der Traubenhaut <note place="foot" n="(r)"><cb/>
Er fa&#x0364;ngt an am vierten Ta-<lb/>
ge zu ent&#x017F;tehen. Ebenda&#x017F;. S. 160.</note>, noch Fett <note place="foot" n="(s)">Es fa&#x0364;ngt an zu werden nach<lb/>
dem vierten Monat, wenig&#x017F;tens laut<lb/>
meinen Ver&#x017F;uchen, in Kindern. 1.<lb/>
Buch.</note>, &#x017F;ondern u&#x0364;berall ein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y y 3</fw><fw place="bottom" type="catch">tra&#x0364;ger</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[709/0729] der Verſchiedenheit der Saͤfte. einer noch zaͤrtern Seite betrachten will, der am Herzen angrenzende Theil noch ehe ausgedehnt werden, indem dieſer den Stos des erweiternden Stempels zuerſt em- pfunden, und zulezt die kleine Muͤndung, durch welche nur ein einziges Kuͤgelchen zu laufen Plazz hat und welche alſo zum Abſondern geſchikkt bleibt. Es iſt naͤm- lich zu glauben, daß das Herz ſeine Kraft wieder den Anfang eines Cilinders mit ſtaͤrkerm Nachdrukke aͤuſſe- re und die Dehnungskraft daſelbſt ſtaͤrker ſpielen laſſe, als gegen den Endpunkt. Die Sache iſt in der That an ſich viel zu einfach, als daß ſie einer ſo groſſen Scharfſinnigkeit beduͤrftig waͤre. Es iſt gewis, ſo gros das Gefaͤsſiſtem in einer reifen Frucht, und je groͤſſer es nach Proportion des kleinen Koͤrpers iſt, daß nicht deſtoweniger doch eine Zeit geweſen, da die ganze Aorte nicht weiter, als der Durch- meſſer eines einzigen roten Kuͤgelchen geweſen. Zu ſel- biger Zeit hat in der Frucht kein Blut ſeyn koͤnnen, und es iſt auch wirklich keines vorhanden geweſen. Jn die- ſem ſo zarten Alter waren in der That die Abſondrungs- gaͤnge viel kleiner, als im erwachſnen Menſchen, da nicht einmal die Aorte Blut fuͤhrte. Folglich bewegte ſich zu der damaligen Zeit durch dieſe Auswurfsgefaͤſſe ein um ein vieles zaͤrterer Saft hindurch, als durch ein gleich- namiges Auswurfsgefaͤſſe im erwachſenen Menſchen ge- ſchicht, und es ward damals uͤberhaupt kein aͤnlicher Saft aus dieſem Eingeweide abgeſchieden. Denn es wird in einer Frucht uͤberhaupt weder Saame noch das Monatsblut, noch Galle (q), noch der ſchwarze Anſtrich der Traubenhaut (r), noch Fett (s), ſondern uͤberall ein traͤger (q) Naͤmlich Schleim, ſtatt der Galle. Die gruͤnliche Farbe laͤſſet ſich erſt den 13 und 11 Tag ſehen. Die Bitterkeit erſt den vierzehn- ten Tag. Memoir. ſur le poulet. S. 160. (r) Er faͤngt an am vierten Ta- ge zu entſtehen. Ebendaſ. S. 160. (s) Es faͤngt an zu werden nach dem vierten Monat, wenigſtens laut meinen Verſuchen, in Kindern. 1. Buch. Y y 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/729
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/729>, abgerufen am 28.04.2024.