Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

der Verschiedenheit der Säfte.
lange Zeit fort, und verwandelt sich bisweilen in die so
genannte Harnruhr (diabetes) (u).

Jndem berümte Männer diese Erscheinungen in Er-
wägung zogen, so leiteten sie viele Sachen daraus her,
welche zu der Beherrschung des Scheidungsprocesses
das ihrige mit beitragen. Johann Gottfried von Ber-
ger
(x) fiel auf die Vermutung, daß die Spannungs-
kraft (tonus) der Theile von dem Nervensaft ihre Dauer
bekomme, und daß folglich die Nerven zur Absondrung
das ihrige mit thäten. Dagegen behauptete der be-
rümte Karl Malouin, daß wenigstens der Lauf des
Saftes durch die Drüsen von den Nerven aufgehalten
würde, wenn indessen das Triebwerk des Herzens bliebe,
wie es ist (y). Noch weiter ging der berümte Franz
Quesnai (z), indem derselbe den Unterscheid der Säfte,
von der verschiednen Emfindlichkeit der Absondrungs-
gefässe herleitete. Es eignet aber auch der berümte
Gottlieb von Bordeu denen Nerven so starken Einflus
zu, daß er ohnlängst behaupten wollte, die Absonderungen
gerieten in Unordnung, sobald die Nerven unterbunden
wären (a); hingegen nehme das Zusammenziehn der
Schlagadern, und folglich auch das Absondern davon
zu. David Hartley (b) beschreibet in den absondern-
den Werkzeugen eine, der peristaltischen änliche Bewe-
gung, und wenn diese von einer reizenden Ursache ver-
grössert würde, so käme eine größre Menge Saft zum
(a*)

Vor-
(u) [Spaltenumbruch] hoore Posthum. S. 20. wenn
ich nicht irre. Er folgert daher,
daß der Unterscheid der Absonde-
rung, weder von der Bewegung
des Blutes, noch von dessen Ge-
schwindigkeit, oder dem Nachdruk-
ke herrüre. Dergleichen nimmt
auch Krazzenstein in seiner theor.
diabetis
an, indem er diese Harn-
ruhr von Nerven herleitet, welche
die Blutadergefässe verschnüren
sollen. Die Kraft der Emfindlich-
[Spaltenumbruch] keit bei Absonderungen, wiederho-
len die fränkischen Anmerkungen.
T. III. S. 418.
(x) De natura humana. S. 122.
(y) Des corps solides, et fluides
S. 63.
(z) Essays sur l' oeconomie ani-
male. T. III.
S. 437.
(a) Recherches sur les glandes.
S. 352.
(b) Essays on man. S. 174.
(a*) S. 369.

der Verſchiedenheit der Saͤfte.
lange Zeit fort, und verwandelt ſich bisweilen in die ſo
genannte Harnruhr (diabetes) (u).

Jndem beruͤmte Maͤnner dieſe Erſcheinungen in Er-
waͤgung zogen, ſo leiteten ſie viele Sachen daraus her,
welche zu der Beherrſchung des Scheidungsproceſſes
das ihrige mit beitragen. Johann Gottfried von Ber-
ger
(x) fiel auf die Vermutung, daß die Spannungs-
kraft (tonus) der Theile von dem Nervenſaft ihre Dauer
bekomme, und daß folglich die Nerven zur Abſondrung
das ihrige mit thaͤten. Dagegen behauptete der be-
ruͤmte Karl Malouin, daß wenigſtens der Lauf des
Saftes durch die Druͤſen von den Nerven aufgehalten
wuͤrde, wenn indeſſen das Triebwerk des Herzens bliebe,
wie es iſt (y). Noch weiter ging der beruͤmte Franz
Quesnai (z), indem derſelbe den Unterſcheid der Saͤfte,
von der verſchiednen Emfindlichkeit der Abſondrungs-
gefaͤſſe herleitete. Es eignet aber auch der beruͤmte
Gottlieb von Bordeu denen Nerven ſo ſtarken Einflus
zu, daß er ohnlaͤngſt behaupten wollte, die Abſonderungen
gerieten in Unordnung, ſobald die Nerven unterbunden
waͤren (a); hingegen nehme das Zuſammenziehn der
Schlagadern, und folglich auch das Abſondern davon
zu. David Hartley (b) beſchreibet in den abſondern-
den Werkzeugen eine, der periſtaltiſchen aͤnliche Bewe-
gung, und wenn dieſe von einer reizenden Urſache ver-
groͤſſert wuͤrde, ſo kaͤme eine groͤßre Menge Saft zum
(a*)

Vor-
(u) [Spaltenumbruch] hoore Poſthum. S. 20. wenn
ich nicht irre. Er folgert daher,
daß der Unterſcheid der Abſonde-
rung, weder von der Bewegung
des Blutes, noch von deſſen Ge-
ſchwindigkeit, oder dem Nachdruk-
ke herruͤre. Dergleichen nimmt
auch Krazzenſtein in ſeiner theor.
diabetis
an, indem er dieſe Harn-
ruhr von Nerven herleitet, welche
die Blutadergefaͤſſe verſchnuͤren
ſollen. Die Kraft der Emfindlich-
[Spaltenumbruch] keit bei Abſonderungen, wiederho-
len die fraͤnkiſchen Anmerkungen.
T. III. S. 418.
(x) De natura humana. S. 122.
(y) Des corps ſolides, et fluides
S. 63.
(z) Eſſays ſur l’ oeconomie ani-
male. T. III.
S. 437.
(a) Recherches ſur les glandes.
S. 352.
(b) Eſſays on man. S. 174.
(a*) S. 369.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0739" n="719"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Ver&#x017F;chiedenheit der Sa&#x0364;fte.</hi></fw><lb/>
lange Zeit fort, und verwandelt &#x017F;ich bisweilen in die &#x017F;o<lb/>
genannte Harnruhr (<hi rendition="#aq">diabetes</hi>) <note place="foot" n="(u)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">hoore</hi> Po&#x017F;thum.</hi> S. 20. wenn<lb/>
ich nicht irre. Er folgert daher,<lb/>
daß der Unter&#x017F;cheid der Ab&#x017F;onde-<lb/>
rung, weder von der Bewegung<lb/>
des Blutes, noch von de&#x017F;&#x017F;en Ge-<lb/>
&#x017F;chwindigkeit, oder dem Nachdruk-<lb/>
ke herru&#x0364;re. Dergleichen nimmt<lb/>
auch <hi rendition="#fr">Krazzen&#x017F;tein</hi> in &#x017F;einer <hi rendition="#aq">theor.<lb/>
diabetis</hi> an, indem er die&#x017F;e Harn-<lb/>
ruhr von Nerven herleitet, welche<lb/>
die Blutadergefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;chnu&#x0364;ren<lb/>
&#x017F;ollen. Die Kraft der Emfindlich-<lb/><cb/>
keit bei Ab&#x017F;onderungen, wiederho-<lb/>
len die fra&#x0364;nki&#x017F;chen Anmerkungen.<lb/><hi rendition="#aq">T. III.</hi> S. 418.</note>.</p><lb/>
            <p>Jndem beru&#x0364;mte Ma&#x0364;nner die&#x017F;e Er&#x017F;cheinungen in Er-<lb/>
wa&#x0364;gung zogen, &#x017F;o leiteten &#x017F;ie viele Sachen daraus her,<lb/>
welche zu der Beherr&#x017F;chung des Scheidungsproce&#x017F;&#x017F;es<lb/>
das ihrige mit beitragen. Johann Gottfried von <hi rendition="#fr">Ber-<lb/>
ger</hi> <note place="foot" n="(x)"><hi rendition="#aq">De natura humana.</hi> S. 122.</note> fiel auf die Vermutung, daß die Spannungs-<lb/>
kraft (<hi rendition="#aq">tonus</hi>) der Theile von dem Nerven&#x017F;aft ihre Dauer<lb/>
bekomme, und daß folglich die Nerven zur Ab&#x017F;ondrung<lb/>
das ihrige mit tha&#x0364;ten. Dagegen behauptete der be-<lb/>
ru&#x0364;mte Karl <hi rendition="#fr">Malouin,</hi> daß wenig&#x017F;tens der Lauf des<lb/>
Saftes durch die Dru&#x0364;&#x017F;en von den Nerven aufgehalten<lb/>
wu&#x0364;rde, wenn inde&#x017F;&#x017F;en das Triebwerk des Herzens bliebe,<lb/>
wie es i&#x017F;t <note place="foot" n="(y)"><hi rendition="#aq">Des corps &#x017F;olides, et fluides</hi><lb/>
S. 63.</note>. Noch weiter ging der beru&#x0364;mte Franz<lb/><hi rendition="#fr">Quesnai</hi> <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;ays &#x017F;ur l&#x2019; oeconomie ani-<lb/>
male. T. III.</hi> S. 437.</note>, indem der&#x017F;elbe den Unter&#x017F;cheid der Sa&#x0364;fte,<lb/>
von der ver&#x017F;chiednen Emfindlichkeit der Ab&#x017F;ondrungs-<lb/>
gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e herleitete. Es eignet aber auch der beru&#x0364;mte<lb/>
Gottlieb von <hi rendition="#fr">Bordeu</hi> denen Nerven &#x017F;o &#x017F;tarken Einflus<lb/>
zu, daß er ohnla&#x0364;ng&#x017F;t behaupten wollte, die Ab&#x017F;onderungen<lb/>
gerieten in Unordnung, &#x017F;obald die Nerven unterbunden<lb/>
wa&#x0364;ren <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq">Recherches &#x017F;ur les glandes.</hi><lb/>
S. 352.</note>; hingegen nehme das Zu&#x017F;ammenziehn der<lb/>
Schlagadern, und folglich auch das Ab&#x017F;ondern davon<lb/>
zu. David <hi rendition="#fr">Hartley</hi> <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;ays on man.</hi> S. 174.</note> be&#x017F;chreibet in den ab&#x017F;ondern-<lb/>
den Werkzeugen eine, der peri&#x017F;talti&#x017F;chen a&#x0364;nliche Bewe-<lb/>
gung, und wenn die&#x017F;e von einer reizenden Ur&#x017F;ache ver-<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert wu&#x0364;rde, &#x017F;o ka&#x0364;me eine gro&#x0364;ßre Menge Saft zum<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Vor-</fw><lb/><note place="foot" n="(a*)">S. 369.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[719/0739] der Verſchiedenheit der Saͤfte. lange Zeit fort, und verwandelt ſich bisweilen in die ſo genannte Harnruhr (diabetes) (u). Jndem beruͤmte Maͤnner dieſe Erſcheinungen in Er- waͤgung zogen, ſo leiteten ſie viele Sachen daraus her, welche zu der Beherrſchung des Scheidungsproceſſes das ihrige mit beitragen. Johann Gottfried von Ber- ger (x) fiel auf die Vermutung, daß die Spannungs- kraft (tonus) der Theile von dem Nervenſaft ihre Dauer bekomme, und daß folglich die Nerven zur Abſondrung das ihrige mit thaͤten. Dagegen behauptete der be- ruͤmte Karl Malouin, daß wenigſtens der Lauf des Saftes durch die Druͤſen von den Nerven aufgehalten wuͤrde, wenn indeſſen das Triebwerk des Herzens bliebe, wie es iſt (y). Noch weiter ging der beruͤmte Franz Quesnai (z), indem derſelbe den Unterſcheid der Saͤfte, von der verſchiednen Emfindlichkeit der Abſondrungs- gefaͤſſe herleitete. Es eignet aber auch der beruͤmte Gottlieb von Bordeu denen Nerven ſo ſtarken Einflus zu, daß er ohnlaͤngſt behaupten wollte, die Abſonderungen gerieten in Unordnung, ſobald die Nerven unterbunden waͤren (a); hingegen nehme das Zuſammenziehn der Schlagadern, und folglich auch das Abſondern davon zu. David Hartley (b) beſchreibet in den abſondern- den Werkzeugen eine, der periſtaltiſchen aͤnliche Bewe- gung, und wenn dieſe von einer reizenden Urſache ver- groͤſſert wuͤrde, ſo kaͤme eine groͤßre Menge Saft zum Vor- (a*) (u) hoore Poſthum. S. 20. wenn ich nicht irre. Er folgert daher, daß der Unterſcheid der Abſonde- rung, weder von der Bewegung des Blutes, noch von deſſen Ge- ſchwindigkeit, oder dem Nachdruk- ke herruͤre. Dergleichen nimmt auch Krazzenſtein in ſeiner theor. diabetis an, indem er dieſe Harn- ruhr von Nerven herleitet, welche die Blutadergefaͤſſe verſchnuͤren ſollen. Die Kraft der Emfindlich- keit bei Abſonderungen, wiederho- len die fraͤnkiſchen Anmerkungen. T. III. S. 418. (x) De natura humana. S. 122. (y) Des corps ſolides, et fluides S. 63. (z) Eſſays ſur l’ oeconomie ani- male. T. III. S. 437. (a) Recherches ſur les glandes. S. 352. (b) Eſſays on man. S. 174. (a*) S. 369.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/739
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 719. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/739>, abgerufen am 16.05.2024.