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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Siebendes Buch. Die Ursachen
gar nichts durchseihen. Bei der Harnerzeugung findet
eben dieser Unbestand Statt. Es pflegt in gesunden
Menschen die Niere, gemeiniglich eine halbe Stunde
nach dem Wassertrinken, ein dünnes Wasser, das oh-
ne Farbe ist, nach der Harnblase zu senden. Man
warte noch eine Stunde, so ist solches schon gelb an
Farbe und schärfer: man trinke nicht, und man be-
wege den Leib, so wird wieder nach sehr wenigen Stun-
den, durch eben dieses Werkzeug, ein rötlicher, schwe-
rer, mit Oel und Salze beladner Harn durchgeseiht
werden. Man nehme wieder das Getränke vor die
Hand, und man halte sich ruhig, so wird der Harn
bleicher und ungeändert seyn. Es seihen die Milchge-
fässe in den Brüsten, ohne daß eine unverheiratete Frau-
ensperson davon Empfindungen hätte, ein Wasser
durch; wenn dieses Wasser entstanden ist, so keret sol-
ches dergestalt ins Blut zurükke, daß sich die so hellen
Gänge, da sie an sich gros sind, dem Gesichte ganz
und gar entziehen. Nun bringe man an der, in nichts
veränderten Brust, einen Reiz an der Warze hervor,
so wird nunmehr etwas Saft, der voller Oel und ei-
ner käsigen Zähigkeit ist, aus denen, nunmehr an der
gelben Farbe kenntlichen Gefässen herausbringen. Es
bringen die Schmierdrüsen (sebaceae) theils Milch,
theils Schmier hervor (b). Jn die Fächer des Fettes
ergiesset sich wechselweise Wasser, Gallert und Fett (c).
Blos die Leidenschaften, oder Gemütsbewegungen, trei-
ben durch die Haut, welche zu so zarter Flüßigkeit be-
stimmt ist, so gar Blut hindurch. Merenteils findet
in diesen Exempeln keine solche Ursache statt, welche
die Dichtheit in den Scheidegefässen verändert hätte.
Wunden, sie mögen an einem Theile des menschlichen
Körpers vorkommen, wo sie wollen, schwizzen anfangs
aus den zerschnittnen Gefässen Blut, hierauf eine zarte

salz-
(b) [Spaltenumbruch] eschenbach Anat. S. 327.
(c) [Spaltenumbruch] 1. Buch. 4. Abschnitt.

Siebendes Buch. Die Urſachen
gar nichts durchſeihen. Bei der Harnerzeugung findet
eben dieſer Unbeſtand Statt. Es pflegt in geſunden
Menſchen die Niere, gemeiniglich eine halbe Stunde
nach dem Waſſertrinken, ein duͤnnes Waſſer, das oh-
ne Farbe iſt, nach der Harnblaſe zu ſenden. Man
warte noch eine Stunde, ſo iſt ſolches ſchon gelb an
Farbe und ſchaͤrfer: man trinke nicht, und man be-
wege den Leib, ſo wird wieder nach ſehr wenigen Stun-
den, durch eben dieſes Werkzeug, ein roͤtlicher, ſchwe-
rer, mit Oel und Salze beladner Harn durchgeſeiht
werden. Man nehme wieder das Getraͤnke vor die
Hand, und man halte ſich ruhig, ſo wird der Harn
bleicher und ungeaͤndert ſeyn. Es ſeihen die Milchge-
faͤſſe in den Bruͤſten, ohne daß eine unverheiratete Frau-
ensperſon davon Empfindungen haͤtte, ein Waſſer
durch; wenn dieſes Waſſer entſtanden iſt, ſo keret ſol-
ches dergeſtalt ins Blut zuruͤkke, daß ſich die ſo hellen
Gaͤnge, da ſie an ſich gros ſind, dem Geſichte ganz
und gar entziehen. Nun bringe man an der, in nichts
veraͤnderten Bruſt, einen Reiz an der Warze hervor,
ſo wird nunmehr etwas Saft, der voller Oel und ei-
ner kaͤſigen Zaͤhigkeit iſt, aus denen, nunmehr an der
gelben Farbe kenntlichen Gefaͤſſen herausbringen. Es
bringen die Schmierdruͤſen (ſebaceae) theils Milch,
theils Schmier hervor (b). Jn die Faͤcher des Fettes
ergieſſet ſich wechſelweiſe Waſſer, Gallert und Fett (c).
Blos die Leidenſchaften, oder Gemuͤtsbewegungen, trei-
ben durch die Haut, welche zu ſo zarter Fluͤßigkeit be-
ſtimmt iſt, ſo gar Blut hindurch. Merenteils findet
in dieſen Exempeln keine ſolche Urſache ſtatt, welche
die Dichtheit in den Scheidegefaͤſſen veraͤndert haͤtte.
Wunden, ſie moͤgen an einem Theile des menſchlichen
Koͤrpers vorkommen, wo ſie wollen, ſchwizzen anfangs
aus den zerſchnittnen Gefaͤſſen Blut, hierauf eine zarte

ſalz-
(b) [Spaltenumbruch] eſchenbach Anat. S. 327.
(c) [Spaltenumbruch] 1. Buch. 4. Abſchnitt.
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[778/0798] Siebendes Buch. Die Urſachen gar nichts durchſeihen. Bei der Harnerzeugung findet eben dieſer Unbeſtand Statt. Es pflegt in geſunden Menſchen die Niere, gemeiniglich eine halbe Stunde nach dem Waſſertrinken, ein duͤnnes Waſſer, das oh- ne Farbe iſt, nach der Harnblaſe zu ſenden. Man warte noch eine Stunde, ſo iſt ſolches ſchon gelb an Farbe und ſchaͤrfer: man trinke nicht, und man be- wege den Leib, ſo wird wieder nach ſehr wenigen Stun- den, durch eben dieſes Werkzeug, ein roͤtlicher, ſchwe- rer, mit Oel und Salze beladner Harn durchgeſeiht werden. Man nehme wieder das Getraͤnke vor die Hand, und man halte ſich ruhig, ſo wird der Harn bleicher und ungeaͤndert ſeyn. Es ſeihen die Milchge- faͤſſe in den Bruͤſten, ohne daß eine unverheiratete Frau- ensperſon davon Empfindungen haͤtte, ein Waſſer durch; wenn dieſes Waſſer entſtanden iſt, ſo keret ſol- ches dergeſtalt ins Blut zuruͤkke, daß ſich die ſo hellen Gaͤnge, da ſie an ſich gros ſind, dem Geſichte ganz und gar entziehen. Nun bringe man an der, in nichts veraͤnderten Bruſt, einen Reiz an der Warze hervor, ſo wird nunmehr etwas Saft, der voller Oel und ei- ner kaͤſigen Zaͤhigkeit iſt, aus denen, nunmehr an der gelben Farbe kenntlichen Gefaͤſſen herausbringen. Es bringen die Schmierdruͤſen (ſebaceae) theils Milch, theils Schmier hervor (b). Jn die Faͤcher des Fettes ergieſſet ſich wechſelweiſe Waſſer, Gallert und Fett (c). Blos die Leidenſchaften, oder Gemuͤtsbewegungen, trei- ben durch die Haut, welche zu ſo zarter Fluͤßigkeit be- ſtimmt iſt, ſo gar Blut hindurch. Merenteils findet in dieſen Exempeln keine ſolche Urſache ſtatt, welche die Dichtheit in den Scheidegefaͤſſen veraͤndert haͤtte. Wunden, ſie moͤgen an einem Theile des menſchlichen Koͤrpers vorkommen, wo ſie wollen, ſchwizzen anfangs aus den zerſchnittnen Gefaͤſſen Blut, hierauf eine zarte ſalz- (b) eſchenbach Anat. S. 327. (c) 1. Buch. 4. Abſchnitt.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 778. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/798>, abgerufen am 28.04.2024.