Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

IIII. Abschn. dessen Erscheinungen.
nämlich der berühmte Stephan Hales (u) 522 Zoll Luft,
innerhalb zwo Minnten, durchs Einatmen unnüzze ge-
macht. Wir aber sezzen für ein mittelmäßiges Einat-
men nur 40 Zoll frische Luft (x). Dieser Vorrath ist für
dreizehn Atemholungen, und folglich beinahe für 1 Minute
hinlänglich, und wenn diese Zeit verflossen ist, so fängt
sich in der That, mit der in der Lunge verhaltnen, und
unaufgefrischten Luft, die gröste Beklemmung an. Jch
halte auch davor, daß das Blut, bei einerlei Luft, nicht
umlaufen könne, daß es auf- und unterwerts bewegt
würde, ob dieses gleich der vortrefliche Jakob Benig-
nus Winslow
(y), und Engelmann (z) behaupten.
Von kalten Thieren gebe ichs zu, denn diese verderben
die Luft nicht eben so, als der Frosch, das Kamäleon (a),
die Schildkröte, denn bei diesen bleibt die Lunge sehr
aufgeblasen. Diese Thiere haben wenig Blut, welches
durch die Lunge liefe; allein man kann diesen Schluß
nicht auf Thiere von warmen Blute ziehen. Wir wer-
den nämlich zeigen, daß in solcher Zeit, ein Ertrunkner
erstikke; dieser Tod aber sezzt voraus, daß das Blut
stille gestanden, und daß daher eine tödtliche Verände-
rung erfolgt sei.

Nun hat die Lunge, gegen die eingeatmete Luft eine,
von der Natur schon abgewogne Zusammenziehungskraft.
Wenn sie voll Luft geblasen worden, so sinkt sie, so bald
die Luft wieder entweichen, oder herausfahren kann,
überhaupt nieder, und es ist die Zusammenziehungskrast
in der Lunge so gros, daß sie sich von freien Stükken,
auch nach dem Tode, von der stärksten Ausdehnung in

den
(u) [Spaltenumbruch] Haemastat. S. 323. 324. als
sich eiu schädlicher Dampf mit bei
mischte.
(x) Vorhergeh. § 6.
(y) Mem. von 1738. S. 69.
(z) Harlem Verhandel. T. IV.
S. 394. von Ertrunknen.
(a) [Spaltenumbruch] Die Pariser vom Kasuar. Von
der Schildkröte, Mem. avant. 1690.
de la tortue.
S. 197. BAGLIV.
S. 462. Rösel Frösche. S. 25. mor-
gagni
advers. V.
S. 42. 43. tav-
vry
anat. raisonn.
S. 93.
C c 3

IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen.
naͤmlich der beruͤhmte Stephan Hales (u) 522 Zoll Luft,
innerhalb zwo Minnten, durchs Einatmen unnuͤzze ge-
macht. Wir aber ſezzen fuͤr ein mittelmaͤßiges Einat-
men nur 40 Zoll friſche Luft (x). Dieſer Vorrath iſt fuͤr
dreizehn Atemholungen, und folglich beinahe fuͤr 1 Minute
hinlaͤnglich, und wenn dieſe Zeit verfloſſen iſt, ſo faͤngt
ſich in der That, mit der in der Lunge verhaltnen, und
unaufgefriſchten Luft, die groͤſte Beklemmung an. Jch
halte auch davor, daß das Blut, bei einerlei Luft, nicht
umlaufen koͤnne, daß es auf- und unterwerts bewegt
wuͤrde, ob dieſes gleich der vortrefliche Jakob Benig-
nus Winslow
(y), und Engelmann (z) behaupten.
Von kalten Thieren gebe ichs zu, denn dieſe verderben
die Luft nicht eben ſo, als der Froſch, das Kamaͤleon (a),
die Schildkroͤte, denn bei dieſen bleibt die Lunge ſehr
aufgeblaſen. Dieſe Thiere haben wenig Blut, welches
durch die Lunge liefe; allein man kann dieſen Schluß
nicht auf Thiere von warmen Blute ziehen. Wir wer-
den naͤmlich zeigen, daß in ſolcher Zeit, ein Ertrunkner
erſtikke; dieſer Tod aber ſezzt voraus, daß das Blut
ſtille geſtanden, und daß daher eine toͤdtliche Veraͤnde-
rung erfolgt ſei.

Nun hat die Lunge, gegen die eingeatmete Luft eine,
von der Natur ſchon abgewogne Zuſammenziehungskraft.
Wenn ſie voll Luft geblaſen worden, ſo ſinkt ſie, ſo bald
die Luft wieder entweichen, oder herausfahren kann,
uͤberhaupt nieder, und es iſt die Zuſammenziehungskraſt
in der Lunge ſo gros, daß ſie ſich von freien Stuͤkken,
auch nach dem Tode, von der ſtaͤrkſten Ausdehnung in

den
(u) [Spaltenumbruch] Haemaſtat. S. 323. 324. als
ſich eiu ſchaͤdlicher Dampf mit bei
miſchte.
(x) Vorhergeh. § 6.
(y) Mem. von 1738. S. 69.
(z) Harlem Verhandel. T. IV.
S. 394. von Ertrunknen.
(a) [Spaltenumbruch] Die Pariſer vom Kaſuar. Von
der Schildkroͤte, Mem. avant. 1690.
de la tortue.
S. 197. BAGLIV.
S. 462. Roͤſel Froͤſche. S. 25. mor-
gagni
adverſ. V.
S. 42. 43. tav-
vry
anat. raiſonn.
S. 93.
C c 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0411" n="405"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IIII.</hi> Ab&#x017F;chn. de&#x017F;&#x017F;en Er&#x017F;cheinungen.</hi></fw><lb/>
na&#x0364;mlich der beru&#x0364;hmte <hi rendition="#fr">Stephan Hales</hi> <note place="foot" n="(u)"><cb/><hi rendition="#aq">Haema&#x017F;tat.</hi> S. 323. 324. als<lb/>
&#x017F;ich eiu &#x017F;cha&#x0364;dlicher Dampf mit bei<lb/>
mi&#x017F;chte.</note> 522 Zoll Luft,<lb/>
innerhalb zwo Minnten, durchs Einatmen unnu&#x0364;zze ge-<lb/>
macht. Wir aber &#x017F;ezzen fu&#x0364;r ein mittelma&#x0364;ßiges Einat-<lb/>
men nur 40 Zoll fri&#x017F;che Luft <note place="foot" n="(x)">Vorhergeh. § 6.</note>. Die&#x017F;er Vorrath i&#x017F;t fu&#x0364;r<lb/>
dreizehn Atemholungen, und folglich beinahe fu&#x0364;r 1 Minute<lb/>
hinla&#x0364;nglich, und wenn die&#x017F;e Zeit verflo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, &#x017F;o fa&#x0364;ngt<lb/>
&#x017F;ich in der That, mit der in der Lunge verhaltnen, und<lb/>
unaufgefri&#x017F;chten Luft, die gro&#x0364;&#x017F;te Beklemmung an. Jch<lb/>
halte auch davor, daß das Blut, bei einerlei Luft, nicht<lb/>
umlaufen ko&#x0364;nne, daß es auf- und unterwerts bewegt<lb/>
wu&#x0364;rde, ob die&#x017F;es gleich der vortrefliche <hi rendition="#fr">Jakob Benig-<lb/>
nus Winslow</hi> <note place="foot" n="(y)"><hi rendition="#aq">Mem.</hi> von 1738. S. 69.</note>, und <hi rendition="#fr">Engelmann</hi> <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq">Harlem Verhandel. T. IV.</hi><lb/>
S. 394. von Ertrunknen.</note> behaupten.<lb/>
Von kalten Thieren gebe ichs zu, denn die&#x017F;e verderben<lb/>
die Luft nicht eben &#x017F;o, als der Fro&#x017F;ch, das Kama&#x0364;leon <note place="foot" n="(a)"><cb/>
Die Pari&#x017F;er vom Ka&#x017F;uar. Von<lb/>
der Schildkro&#x0364;te, <hi rendition="#aq">Mem. avant. 1690.<lb/>
de la tortue.</hi> S. 197. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">BAGLIV.</hi></hi><lb/>
S. 462. <hi rendition="#fr">Ro&#x0364;&#x017F;el</hi> Fro&#x0364;&#x017F;che. S. 25. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">mor-<lb/>
gagni</hi></hi> adver&#x017F;. V.</hi> S. 42. 43. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">tav-<lb/>
vry</hi></hi> anat. rai&#x017F;onn.</hi> S. 93.</note>,<lb/>
die Schildkro&#x0364;te, denn bei die&#x017F;en bleibt die Lunge &#x017F;ehr<lb/>
aufgebla&#x017F;en. Die&#x017F;e Thiere haben wenig Blut, welches<lb/>
durch die Lunge liefe; allein man kann die&#x017F;en Schluß<lb/>
nicht auf Thiere von warmen Blute ziehen. Wir wer-<lb/>
den na&#x0364;mlich zeigen, daß in &#x017F;olcher Zeit, ein Ertrunkner<lb/>
er&#x017F;tikke; die&#x017F;er Tod aber &#x017F;ezzt voraus, daß das Blut<lb/>
&#x017F;tille ge&#x017F;tanden, und daß daher eine to&#x0364;dtliche Vera&#x0364;nde-<lb/>
rung erfolgt &#x017F;ei.</p><lb/>
            <p>Nun hat die Lunge, gegen die eingeatmete Luft eine,<lb/>
von der Natur &#x017F;chon abgewogne Zu&#x017F;ammenziehungskraft.<lb/>
Wenn &#x017F;ie voll Luft gebla&#x017F;en worden, &#x017F;o &#x017F;inkt &#x017F;ie, &#x017F;o bald<lb/>
die Luft wieder entweichen, oder herausfahren kann,<lb/>
u&#x0364;berhaupt nieder, und es i&#x017F;t die Zu&#x017F;ammenziehungskra&#x017F;t<lb/>
in der Lunge &#x017F;o gros, daß &#x017F;ie &#x017F;ich von freien Stu&#x0364;kken,<lb/>
auch nach dem Tode, von der &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Ausdehnung in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 3</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0411] IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen. naͤmlich der beruͤhmte Stephan Hales (u) 522 Zoll Luft, innerhalb zwo Minnten, durchs Einatmen unnuͤzze ge- macht. Wir aber ſezzen fuͤr ein mittelmaͤßiges Einat- men nur 40 Zoll friſche Luft (x). Dieſer Vorrath iſt fuͤr dreizehn Atemholungen, und folglich beinahe fuͤr 1 Minute hinlaͤnglich, und wenn dieſe Zeit verfloſſen iſt, ſo faͤngt ſich in der That, mit der in der Lunge verhaltnen, und unaufgefriſchten Luft, die groͤſte Beklemmung an. Jch halte auch davor, daß das Blut, bei einerlei Luft, nicht umlaufen koͤnne, daß es auf- und unterwerts bewegt wuͤrde, ob dieſes gleich der vortrefliche Jakob Benig- nus Winslow (y), und Engelmann (z) behaupten. Von kalten Thieren gebe ichs zu, denn dieſe verderben die Luft nicht eben ſo, als der Froſch, das Kamaͤleon (a), die Schildkroͤte, denn bei dieſen bleibt die Lunge ſehr aufgeblaſen. Dieſe Thiere haben wenig Blut, welches durch die Lunge liefe; allein man kann dieſen Schluß nicht auf Thiere von warmen Blute ziehen. Wir wer- den naͤmlich zeigen, daß in ſolcher Zeit, ein Ertrunkner erſtikke; dieſer Tod aber ſezzt voraus, daß das Blut ſtille geſtanden, und daß daher eine toͤdtliche Veraͤnde- rung erfolgt ſei. Nun hat die Lunge, gegen die eingeatmete Luft eine, von der Natur ſchon abgewogne Zuſammenziehungskraft. Wenn ſie voll Luft geblaſen worden, ſo ſinkt ſie, ſo bald die Luft wieder entweichen, oder herausfahren kann, uͤberhaupt nieder, und es iſt die Zuſammenziehungskraſt in der Lunge ſo gros, daß ſie ſich von freien Stuͤkken, auch nach dem Tode, von der ſtaͤrkſten Ausdehnung in den (u) Haemaſtat. S. 323. 324. als ſich eiu ſchaͤdlicher Dampf mit bei miſchte. (x) Vorhergeh. § 6. (y) Mem. von 1738. S. 69. (z) Harlem Verhandel. T. IV. S. 394. von Ertrunknen. (a) Die Pariſer vom Kaſuar. Von der Schildkroͤte, Mem. avant. 1690. de la tortue. S. 197. BAGLIV. S. 462. Roͤſel Froͤſche. S. 25. mor- gagni adverſ. V. S. 42. 43. tav- vry anat. raiſonn. S. 93. C c 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/411
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/411>, abgerufen am 27.04.2024.