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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Der Schlaf. XVII. Buch.
fördert wird. Wir haben gezeigt, wie derselbe von Din-
gen verursacht wird, welche die Bewegung des Bluts und
der Geister mindern; nun sollen die gegenseitige Ursachen
folgen.

Zwischen beiden ist die Kälte das Mittelding, und die
Hauptursache (d+), warum Thiere im Winter einschlafen
(d*), da die meisten, wenigstens im Winter keine Noth-
wendigkeit zu schlafen, fühlen, wenn man sie bei sich er-
hält. Ueberhaupt mindert die Kälte den Umlauf
des Blutes, und sie hemmt denselben völlig wenn es
völlig zum Gerinnen und Gefrieren kömmt. Es kann
aber auch der Frost auf andre Weise einen unwidersteh-
lichen Schlaf machen. Er treibt nämlich offenbar alle
Feuchtigkeiten von der Haut (e), und den äussersten Thei-
len gegen die inwendigen zurükke, daß die Finger unem-
pfindlich, unbeweglich werden, nicht ausdünsten, und
endlich weis und von heissen Brande angegriffen werden.
Da also das Blut nach einwerts zu getrieben wird, so
steigt es nach dem Gehirn, die Schlagadern desselben be-
kommen den stärksten Zufluß davon, die verengerte Blut-
adern führen wenig zurükke, da es doch hier immer warm ist,
weil der Kopf von den knochigten Dekken gegen die Wit-
terungen beschüzzt wird. Davon entsteht eine sanfte Ein-
ladung zum Schlafe, und wenn man sich diesen überläst,
so erfolgt ein vollständiger Schlaf, worinnen man, weil
in diesem Zustande die Lebenskräfte abnehmen, gewis den
Tod findet (f): weil das Blut endlich gerinnet, und die-
ses ist ein Uebel, welches unsern Alpenbewohnern öfters
begegnet, wenn sie durch abgelegne Fussteige, die mit
übermäßigem Schnee bedekkt sind, wandern. Man hätte

sie
(d+) [Spaltenumbruch] Conf. p. 593. not b.
(d*) Glis (le loir) BUFFON
T. III p.
559 Murmelthier p.
224. Fledermaus Hist. natur des
anunaux.
(e) Verschnürt die Hautblut-
adern STAHL de motu tonico p. 28.
(f) [Spaltenumbruch] WEPFER eicut. aquat. pag.
44. apoplex. p. 391. BOYLE on
frost append. p. 28. KLOEKHOF
frigus nervi inimicum. pag. 35.
BOERHAAVE Praelect. T. III. p.

523. 524.

Der Schlaf. XVII. Buch.
foͤrdert wird. Wir haben gezeigt, wie derſelbe von Din-
gen verurſacht wird, welche die Bewegung des Bluts und
der Geiſter mindern; nun ſollen die gegenſeitige Urſachen
folgen.

Zwiſchen beiden iſt die Kaͤlte das Mittelding, und die
Haupturſache (d†), warum Thiere im Winter einſchlafen
(d*), da die meiſten, wenigſtens im Winter keine Noth-
wendigkeit zu ſchlafen, fuͤhlen, wenn man ſie bei ſich er-
haͤlt. Ueberhaupt mindert die Kaͤlte den Umlauf
des Blutes, und ſie hemmt denſelben voͤllig wenn es
voͤllig zum Gerinnen und Gefrieren koͤmmt. Es kann
aber auch der Froſt auf andre Weiſe einen unwiderſteh-
lichen Schlaf machen. Er treibt naͤmlich offenbar alle
Feuchtigkeiten von der Haut (e), und den aͤuſſerſten Thei-
len gegen die inwendigen zuruͤkke, daß die Finger unem-
pfindlich, unbeweglich werden, nicht ausduͤnſten, und
endlich weis und von heiſſen Brande angegriffen werden.
Da alſo das Blut nach einwerts zu getrieben wird, ſo
ſteigt es nach dem Gehirn, die Schlagadern deſſelben be-
kommen den ſtaͤrkſten Zufluß davon, die verengerte Blut-
adern fuͤhren wenig zuruͤkke, da es doch hier immer warm iſt,
weil der Kopf von den knochigten Dekken gegen die Wit-
terungen beſchuͤzzt wird. Davon entſteht eine ſanfte Ein-
ladung zum Schlafe, und wenn man ſich dieſen uͤberlaͤſt,
ſo erfolgt ein vollſtaͤndiger Schlaf, worinnen man, weil
in dieſem Zuſtande die Lebenskraͤfte abnehmen, gewis den
Tod findet (f): weil das Blut endlich gerinnet, und die-
ſes iſt ein Uebel, welches unſern Alpenbewohnern oͤfters
begegnet, wenn ſie durch abgelegne Fusſteige, die mit
uͤbermaͤßigem Schnee bedekkt ſind, wandern. Man haͤtte

ſie
(d†) [Spaltenumbruch] Conf. p. 593. not b.
(d*) Glis (le loir) BUFFON
T. III p.
559 Murmelthier p.
224. Fledermaus Hiſt. natur des
anunaux.
(e) Verſchnuͤrt die Hautblut-
adern STAHL de motu tonico p. 28.
(f) [Spaltenumbruch] WEPFER eicut. aquat. pag.
44. apoplex. p. 391. BOYLE on
froſt append. p. 28. KLOEKHOF
frigus nervi inimicum. pag. 35.
BOERHAAVE Prælect. T. III. p.

523. 524.
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[1152/1170] Der Schlaf. XVII. Buch. foͤrdert wird. Wir haben gezeigt, wie derſelbe von Din- gen verurſacht wird, welche die Bewegung des Bluts und der Geiſter mindern; nun ſollen die gegenſeitige Urſachen folgen. Zwiſchen beiden iſt die Kaͤlte das Mittelding, und die Haupturſache (d†), warum Thiere im Winter einſchlafen (d*), da die meiſten, wenigſtens im Winter keine Noth- wendigkeit zu ſchlafen, fuͤhlen, wenn man ſie bei ſich er- haͤlt. Ueberhaupt mindert die Kaͤlte den Umlauf des Blutes, und ſie hemmt denſelben voͤllig wenn es voͤllig zum Gerinnen und Gefrieren koͤmmt. Es kann aber auch der Froſt auf andre Weiſe einen unwiderſteh- lichen Schlaf machen. Er treibt naͤmlich offenbar alle Feuchtigkeiten von der Haut (e), und den aͤuſſerſten Thei- len gegen die inwendigen zuruͤkke, daß die Finger unem- pfindlich, unbeweglich werden, nicht ausduͤnſten, und endlich weis und von heiſſen Brande angegriffen werden. Da alſo das Blut nach einwerts zu getrieben wird, ſo ſteigt es nach dem Gehirn, die Schlagadern deſſelben be- kommen den ſtaͤrkſten Zufluß davon, die verengerte Blut- adern fuͤhren wenig zuruͤkke, da es doch hier immer warm iſt, weil der Kopf von den knochigten Dekken gegen die Wit- terungen beſchuͤzzt wird. Davon entſteht eine ſanfte Ein- ladung zum Schlafe, und wenn man ſich dieſen uͤberlaͤſt, ſo erfolgt ein vollſtaͤndiger Schlaf, worinnen man, weil in dieſem Zuſtande die Lebenskraͤfte abnehmen, gewis den Tod findet (f): weil das Blut endlich gerinnet, und die- ſes iſt ein Uebel, welches unſern Alpenbewohnern oͤfters begegnet, wenn ſie durch abgelegne Fusſteige, die mit uͤbermaͤßigem Schnee bedekkt ſind, wandern. Man haͤtte ſie (d†) Conf. p. 593. not b. (d*) Glis (le loir) BUFFON T. III p. 559 Murmelthier p. 224. Fledermaus Hiſt. natur des anunaux. (e) Verſchnuͤrt die Hautblut- adern STAHL de motu tonico p. 28. (f) WEPFER eicut. aquat. pag. 44. apoplex. p. 391. BOYLE on froſt append. p. 28. KLOEKHOF frigus nervi inimicum. pag. 35. BOERHAAVE Prælect. T. III. p. 523. 524.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1170>, abgerufen am 18.05.2024.