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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775.

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III. Abschn. Der Harn.

Es ist nicht leicht, die Natur desselben zu beschreiben,
da er sich mehr, als irgend eine Flüßigkeit im mensch-
lichen Körper unähnlich; ja er ist in einem, und eben
denselben Körper, z. E. in der Frucht anders, als im
Knaben, Manne und Greise; nachdem man warm oder
kalt ist, nachdem man Speise und Trank vor kurzem
genossen, oder sich beider Dinge enthalten, allezeit an-
ders beschaffen. Folglich ist es auf keinerlei Art möglich,
daß man eine vollkommen getreue Historie von einer so
veränderlichen Flüßigkeit, mit einiger beständigen Aen-
lichkeit schildern könnte.

Jn der Frucht ist wenig Flüßigkeit in den Nieren,
oder in der Blase enthalten, und diese ist noch dazu bei-
nahe wäßrig, ein wenig zähe, etwas trübe, ohne Ge-
schmakk, und von keinem Geruche.

So wie aber das Kind nach und nach heranwächst (a),
so bekömmt auch der Harn mit der Zeit eine gelbe Farbe,
einen Geruch, und einen scharfen Geschmakk: und die-
ses geschieht auch in den Thieren, so, deren Nieren, so
lange sie noch zart sind, eßbar sind, aber übelriechend,
und zur Speise untauglich werden, wenn sie sich im Stan-
de befinden, daß sie sich begatten können.

Der Harn ist auch im hohen Alter schärfer, stinken-
der und stärker gefärbt.

Er ist ferner in Personen, welche Frost leiden, wäß-
rig, blaß, von wenigem Geruche, oder ohne Schärfe;
empfindet man, es sei wovon es wolle, Hizze, und selbst
von der unschuldigsten Bewegung des Körpers, so wird
eben dieser Harn roth, scharf und übelriechend.

Doch es machen auch die traurige Gemüthsbewegun-
gen den Urin wäßrig, und dieses thun auch die tödtlichen
Revolutionen in den Krankheiten.

Sein
(a) Der Harn ist gelinde bei Neugebornen BOHN. p. 194.
H. Phisiol. 7. B. J i
III. Abſchn. Der Harn.

Es iſt nicht leicht, die Natur deſſelben zu beſchreiben,
da er ſich mehr, als irgend eine Fluͤßigkeit im menſch-
lichen Koͤrper unaͤhnlich; ja er iſt in einem, und eben
denſelben Koͤrper, z. E. in der Frucht anders, als im
Knaben, Manne und Greiſe; nachdem man warm oder
kalt iſt, nachdem man Speiſe und Trank vor kurzem
genoſſen, oder ſich beider Dinge enthalten, allezeit an-
ders beſchaffen. Folglich iſt es auf keinerlei Art moͤglich,
daß man eine vollkommen getreue Hiſtorie von einer ſo
veraͤnderlichen Fluͤßigkeit, mit einiger beſtaͤndigen Aen-
lichkeit ſchildern koͤnnte.

Jn der Frucht iſt wenig Fluͤßigkeit in den Nieren,
oder in der Blaſe enthalten, und dieſe iſt noch dazu bei-
nahe waͤßrig, ein wenig zaͤhe, etwas truͤbe, ohne Ge-
ſchmakk, und von keinem Geruche.

So wie aber das Kind nach und nach heranwaͤchſt (a),
ſo bekoͤmmt auch der Harn mit der Zeit eine gelbe Farbe,
einen Geruch, und einen ſcharfen Geſchmakk: und die-
ſes geſchieht auch in den Thieren, ſo, deren Nieren, ſo
lange ſie noch zart ſind, eßbar ſind, aber uͤbelriechend,
und zur Speiſe untauglich werden, wenn ſie ſich im Stan-
de befinden, daß ſie ſich begatten koͤnnen.

Der Harn iſt auch im hohen Alter ſchaͤrfer, ſtinken-
der und ſtaͤrker gefaͤrbt.

Er iſt ferner in Perſonen, welche Froſt leiden, waͤß-
rig, blaß, von wenigem Geruche, oder ohne Schaͤrfe;
empfindet man, es ſei wovon es wolle, Hizze, und ſelbſt
von der unſchuldigſten Bewegung des Koͤrpers, ſo wird
eben dieſer Harn roth, ſcharf und uͤbelriechend.

Doch es machen auch die traurige Gemuͤthsbewegun-
gen den Urin waͤßrig, und dieſes thun auch die toͤdtlichen
Revolutionen in den Krankheiten.

Sein
(a) Der Harn iſt gelinde bei Neugebornen BOHN. p. 194.
H. Phiſiol. 7. B. J i
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[497/0533] III. Abſchn. Der Harn. Es iſt nicht leicht, die Natur deſſelben zu beſchreiben, da er ſich mehr, als irgend eine Fluͤßigkeit im menſch- lichen Koͤrper unaͤhnlich; ja er iſt in einem, und eben denſelben Koͤrper, z. E. in der Frucht anders, als im Knaben, Manne und Greiſe; nachdem man warm oder kalt iſt, nachdem man Speiſe und Trank vor kurzem genoſſen, oder ſich beider Dinge enthalten, allezeit an- ders beſchaffen. Folglich iſt es auf keinerlei Art moͤglich, daß man eine vollkommen getreue Hiſtorie von einer ſo veraͤnderlichen Fluͤßigkeit, mit einiger beſtaͤndigen Aen- lichkeit ſchildern koͤnnte. Jn der Frucht iſt wenig Fluͤßigkeit in den Nieren, oder in der Blaſe enthalten, und dieſe iſt noch dazu bei- nahe waͤßrig, ein wenig zaͤhe, etwas truͤbe, ohne Ge- ſchmakk, und von keinem Geruche. So wie aber das Kind nach und nach heranwaͤchſt (a), ſo bekoͤmmt auch der Harn mit der Zeit eine gelbe Farbe, einen Geruch, und einen ſcharfen Geſchmakk: und die- ſes geſchieht auch in den Thieren, ſo, deren Nieren, ſo lange ſie noch zart ſind, eßbar ſind, aber uͤbelriechend, und zur Speiſe untauglich werden, wenn ſie ſich im Stan- de befinden, daß ſie ſich begatten koͤnnen. Der Harn iſt auch im hohen Alter ſchaͤrfer, ſtinken- der und ſtaͤrker gefaͤrbt. Er iſt ferner in Perſonen, welche Froſt leiden, waͤß- rig, blaß, von wenigem Geruche, oder ohne Schaͤrfe; empfindet man, es ſei wovon es wolle, Hizze, und ſelbſt von der unſchuldigſten Bewegung des Koͤrpers, ſo wird eben dieſer Harn roth, ſcharf und uͤbelriechend. Doch es machen auch die traurige Gemuͤthsbewegun- gen den Urin waͤßrig, und dieſes thun auch die toͤdtlichen Revolutionen in den Krankheiten. Sein (a) Der Harn iſt gelinde bei Neugebornen BOHN. p. 194. H. Phiſiol. 7. B. J i

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/533>, abgerufen am 29.04.2024.