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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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II. Abs. Anfänge des Thieres.
ebenfalls eine unordentliche Bewegung. Die der Mut-
ter beigebrachten Schläge, und deren Folgen (h), die
Flekken drükken sich, vermittelst des Ekels und vermit-
telst des Affekts der Mutter, welcher in der Frucht einen
harmonischen Affekt verursacht, in die Frucht ein.

Andre bedienen sich dabei der Nerven (i), und der
Uebereinstimmung der Lebensgeister. Sie behaupten,
die Frucht sey ein Theil von der Mutter; es sey der Zu-
stand ihrer beiden Seelen einer und eben derselbe; sogar
bringen die Jdeen der Mutter in der Seele der Frucht
eine noch lebhaftere Jdee hervor, und diese wirket nun
auf eben die Art in ihrem Körper, als es die von der
Mutter herkommende Jdee erfordert (k).

So soll eine Frau während des Beischlafes zugleich
die Aehnlichkeit von ihrem Ehemanne (l), und bisweilen
auch so gar seine Natur in sich empfangen (m).

Doch es lässet sich sehr leicht zeigen, daß von diesem
allen nicht das mindeste statt haben könne, und daß es
keinen Weg giebt, auf welchen der Affekt der Mutter
in die Frucht einzufliessen vermag.

Nothwendig müste diese Mittheilung durch die Ner-
ven ihren Flug nehmen (n), denn diese sind es ganz al-
lein, welche die Befehle der Seele versenden. Es gehen
aber von der Mutter keine Nerven in die Frucht durch.
Die Sache ist an sich mehr als zu bekannt, und man
müste ja diese Nerven mit Augen sehe[n] können, wenn sie
sich aus dem grossen Mutterkuchen in die Nabelschnur

wer-
(h) [Spaltenumbruch] NICOLAI Erzeug. n. 152.
(i) VIEUSSENS Eph. Nat. Cur.
Dec. II. ann. 8. obs. 132. BRAD-
LEY Phil account. of the ioorks
of nature p.
168.
(k) CRUSIUS Physic. p. 1189.
(l) AMMON. hom. & morb.
p.
107.
(m) EMPEDOCLES PLUTAR-
CHUS placit. phil. L. V. c. 12.
[Spaltenumbruch] KRAUSE diss. petropol. edit.
p.
43. 44.
(n) Dies leugnete schon BLON-
DEL p. 74. ROEDERER p. 62.
ELLER Mem de Berlin. T. XII.
p. 12. & autor I. Lettres sur. l'
imagination. in diario Trivultin
1746. m. Jun.
man sezzt noch hin-
zu, der Kuchen gienge ohne
Schmerzen und Krämpfe von der
Gebärmutter los.

II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
ebenfalls eine unordentliche Bewegung. Die der Mut-
ter beigebrachten Schlaͤge, und deren Folgen (h), die
Flekken druͤkken ſich, vermittelſt des Ekels und vermit-
telſt des Affekts der Mutter, welcher in der Frucht einen
harmoniſchen Affekt verurſacht, in die Frucht ein.

Andre bedienen ſich dabei der Nerven (i), und der
Uebereinſtimmung der Lebensgeiſter. Sie behaupten,
die Frucht ſey ein Theil von der Mutter; es ſey der Zu-
ſtand ihrer beiden Seelen einer und eben derſelbe; ſogar
bringen die Jdeen der Mutter in der Seele der Frucht
eine noch lebhaftere Jdee hervor, und dieſe wirket nun
auf eben die Art in ihrem Koͤrper, als es die von der
Mutter herkommende Jdee erfordert (k).

So ſoll eine Frau waͤhrend des Beiſchlafes zugleich
die Aehnlichkeit von ihrem Ehemanne (l), und bisweilen
auch ſo gar ſeine Natur in ſich empfangen (m).

Doch es laͤſſet ſich ſehr leicht zeigen, daß von dieſem
allen nicht das mindeſte ſtatt haben koͤnne, und daß es
keinen Weg giebt, auf welchen der Affekt der Mutter
in die Frucht einzuflieſſen vermag.

Nothwendig muͤſte dieſe Mittheilung durch die Ner-
ven ihren Flug nehmen (n), denn dieſe ſind es ganz al-
lein, welche die Befehle der Seele verſenden. Es gehen
aber von der Mutter keine Nerven in die Frucht durch.
Die Sache iſt an ſich mehr als zu bekannt, und man
muͤſte ja dieſe Nerven mit Augen ſehe[n] koͤnnen, wenn ſie
ſich aus dem groſſen Mutterkuchen in die Nabelſchnur

wer-
(h) [Spaltenumbruch] NICOLAI Erzeug. n. 152.
(i) VIEUSSENS Eph. Nat. Cur.
Dec. II. ann. 8. obſ. 132. BRAD-
LEY Phil account. of the ioorks
of nature p.
168.
(k) CRUSIUS Phyſic. p. 1189.
(l) AMMON. hom. & morb.
p.
107.
(m) EMPEDOCLES PLUTAR-
CHUS placit. phil. L. V. c. 12.
[Spaltenumbruch] KRAUSE diſſ. petropol. edit.
p.
43. 44.
(n) Dies leugnete ſchon BLON-
DEL p. 74. ROEDERER p. 62.
ELLER Mem de Berlin. T. XII.
p. 12. & autor I. Lettres ſur. l’
imagination. in diario Trivultin
1746. m. Jun.
man ſezzt noch hin-
zu, der Kuchen gienge ohne
Schmerzen und Kraͤmpfe von der
Gebaͤrmutter los.
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[221/0273] II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres. ebenfalls eine unordentliche Bewegung. Die der Mut- ter beigebrachten Schlaͤge, und deren Folgen (h), die Flekken druͤkken ſich, vermittelſt des Ekels und vermit- telſt des Affekts der Mutter, welcher in der Frucht einen harmoniſchen Affekt verurſacht, in die Frucht ein. Andre bedienen ſich dabei der Nerven (i), und der Uebereinſtimmung der Lebensgeiſter. Sie behaupten, die Frucht ſey ein Theil von der Mutter; es ſey der Zu- ſtand ihrer beiden Seelen einer und eben derſelbe; ſogar bringen die Jdeen der Mutter in der Seele der Frucht eine noch lebhaftere Jdee hervor, und dieſe wirket nun auf eben die Art in ihrem Koͤrper, als es die von der Mutter herkommende Jdee erfordert (k). So ſoll eine Frau waͤhrend des Beiſchlafes zugleich die Aehnlichkeit von ihrem Ehemanne (l), und bisweilen auch ſo gar ſeine Natur in ſich empfangen (m). Doch es laͤſſet ſich ſehr leicht zeigen, daß von dieſem allen nicht das mindeſte ſtatt haben koͤnne, und daß es keinen Weg giebt, auf welchen der Affekt der Mutter in die Frucht einzuflieſſen vermag. Nothwendig muͤſte dieſe Mittheilung durch die Ner- ven ihren Flug nehmen (n), denn dieſe ſind es ganz al- lein, welche die Befehle der Seele verſenden. Es gehen aber von der Mutter keine Nerven in die Frucht durch. Die Sache iſt an ſich mehr als zu bekannt, und man muͤſte ja dieſe Nerven mit Augen ſehen koͤnnen, wenn ſie ſich aus dem groſſen Mutterkuchen in die Nabelſchnur wer- (h) NICOLAI Erzeug. n. 152. (i) VIEUSSENS Eph. Nat. Cur. Dec. II. ann. 8. obſ. 132. BRAD- LEY Phil account. of the ioorks of nature p. 168. (k) CRUSIUS Phyſic. p. 1189. (l) AMMON. hom. & morb. p. 107. (m) EMPEDOCLES PLUTAR- CHUS placit. phil. L. V. c. 12. KRAUSE diſſ. petropol. edit. p. 43. 44. (n) Dies leugnete ſchon BLON- DEL p. 74. ROEDERER p. 62. ELLER Mem de Berlin. T. XII. p. 12. & autor I. Lettres ſur. l’ imagination. in diario Trivultin 1746. m. Jun. man ſezzt noch hin- zu, der Kuchen gienge ohne Schmerzen und Kraͤmpfe von der Gebaͤrmutter los.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/273>, abgerufen am 27.04.2024.