Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
IV. Abs. Das Leben der Frucht.

Es ist nemlich der Dottergang ein Darmbruch des
Hühnchens (e), und er läuft mit dem Gedärme, und
mit der Haut des kleinen Thierchens in einem Stükke
fort.

Es ist ferner das Wachsthum der innern Fruchthaut
(f), älter als der Nabel, und dennoch hängen alle wach-
sende Stellen der Frucht von der Wirksamkeit des Her-
zens ab (g), und es würde hier nicht wachsen können, wo-
fern diese bewegende Kraft verschwände. Endlich so
muß diese Frucht schon gelebt haben, da man das Ey
der Brütung übergab. Denn es war blos die Kraft
dieses kleinen Herzens die Ursache, daß das Ey nicht in
den folgenden Stunden zu faulen anfing, und daß es sich
zu einer ungemein schönen Figur ausbildete und diese
Zeichnung fängt sich langsam, und gradenweise, mit den
ersten Stunden der Brütung an.

Folglich befindet sich in der noch unförmlichen
Frucht schon ein Herz, und es sind darinnen Gefässe vor-
handen, welche die Nabelstämme hervor bringen, eine
Holader, eine Gekröseblutader, eine linke Bekkenschlag-
ader, eine obere Aorte, und die übrige Wurzeln derselben,
welches man die Schlagadergänge nennt.

Wenn vor kurzem ein berühmter Mann, vor der
vier und zwanzigsten Stunde kein Herz gefunden (h), so
muß man solches einzig und allein der schlecht umgrenz-
ten Figur eines ganz weichen Breies zuschreiben, welche
damals das Herz ausmachte (h*).

Man muß sich auch nicht vorstellen, daß der Kopf
noch keine Gefässe gehabt habe. Denn da auch der

Kopf
(e) [Spaltenumbruch] Ibid. p. 187.
(f) Es erscheinet solches in der
Stnnde 12. p. 14. es wächst vor
der 48 Stunde, mehr als doppelt
so lang p. 17. Und es ändert nichts
die Sache, wenn gleich dieses am-
nion
ein Stükk von der Dotter-
[Spaltenumbruch] haut gewesen, wie ich nun gefun-
den zu haben glaube.
(g) p. 35.
(h) WOLF theor gener. germ.
p.
265.
(h*) L. XXIX. p. 116. 178.
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.

Es iſt nemlich der Dottergang ein Darmbruch des
Huͤhnchens (e), und er laͤuft mit dem Gedaͤrme, und
mit der Haut des kleinen Thierchens in einem Stuͤkke
fort.

Es iſt ferner das Wachsthum der innern Fruchthaut
(f), aͤlter als der Nabel, und dennoch haͤngen alle wach-
ſende Stellen der Frucht von der Wirkſamkeit des Her-
zens ab (g), und es wuͤrde hier nicht wachſen koͤnnen, wo-
fern dieſe bewegende Kraft verſchwaͤnde. Endlich ſo
muß dieſe Frucht ſchon gelebt haben, da man das Ey
der Bruͤtung uͤbergab. Denn es war blos die Kraft
dieſes kleinen Herzens die Urſache, daß das Ey nicht in
den folgenden Stunden zu faulen anfing, und daß es ſich
zu einer ungemein ſchoͤnen Figur ausbildete und dieſe
Zeichnung faͤngt ſich langſam, und gradenweiſe, mit den
erſten Stunden der Bruͤtung an.

Folglich befindet ſich in der noch unfoͤrmlichen
Frucht ſchon ein Herz, und es ſind darinnen Gefaͤſſe vor-
handen, welche die Nabelſtaͤmme hervor bringen, eine
Holader, eine Gekroͤſeblutader, eine linke Bekkenſchlag-
ader, eine obere Aorte, und die uͤbrige Wurzeln derſelben,
welches man die Schlagadergaͤnge nennt.

Wenn vor kurzem ein beruͤhmter Mann, vor der
vier und zwanzigſten Stunde kein Herz gefunden (h), ſo
muß man ſolches einzig und allein der ſchlecht umgrenz-
ten Figur eines ganz weichen Breies zuſchreiben, welche
damals das Herz ausmachte (h*).

Man muß ſich auch nicht vorſtellen, daß der Kopf
noch keine Gefaͤſſe gehabt habe. Denn da auch der

Kopf
(e) [Spaltenumbruch] Ibid. p. 187.
(f) Es erſcheinet ſolches in der
Stnnde 12. p. 14. es waͤchſt vor
der 48 Stunde, mehr als doppelt
ſo lang p. 17. Und es aͤndert nichts
die Sache, wenn gleich dieſes am-
nion
ein Stuͤkk von der Dotter-
[Spaltenumbruch] haut geweſen, wie ich nun gefun-
den zu haben glaube.
(g) p. 35.
(h) WOLF theor gener. germ.
p.
265.
(h*) L. XXIX. p. 116. 178.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0479" n="425[427]"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ab&#x017F;. Das Leben der Frucht.</hi> </fw><lb/>
              <p>Es i&#x017F;t nemlich der Dottergang ein Darmbruch des<lb/>
Hu&#x0364;hnchens <note place="foot" n="(e)"><cb/><hi rendition="#aq">Ibid. p.</hi> 187.</note>, und er la&#x0364;uft mit dem Geda&#x0364;rme, und<lb/>
mit der Haut des kleinen Thierchens in einem Stu&#x0364;kke<lb/>
fort.</p><lb/>
              <p>Es i&#x017F;t ferner das Wachsthum der innern Fruchthaut<lb/><note place="foot" n="(f)">Es er&#x017F;cheinet &#x017F;olches in der<lb/>
Stnnde 12. <hi rendition="#aq">p.</hi> 14. es wa&#x0364;ch&#x017F;t vor<lb/>
der 48 Stunde, mehr als doppelt<lb/>
&#x017F;o lang <hi rendition="#aq">p.</hi> 17. Und es a&#x0364;ndert nichts<lb/>
die Sache, wenn gleich die&#x017F;es <hi rendition="#aq">am-<lb/>
nion</hi> ein Stu&#x0364;kk von der Dotter-<lb/><cb/>
haut gewe&#x017F;en, wie ich nun gefun-<lb/>
den zu haben glaube.</note>, a&#x0364;lter als der Nabel, und dennoch ha&#x0364;ngen alle wach-<lb/>
&#x017F;ende Stellen der Frucht von der Wirk&#x017F;amkeit des Her-<lb/>
zens ab <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 35.</note>, und es wu&#x0364;rde hier nicht wach&#x017F;en ko&#x0364;nnen, wo-<lb/>
fern die&#x017F;e bewegende Kraft ver&#x017F;chwa&#x0364;nde. Endlich &#x017F;o<lb/>
muß die&#x017F;e Frucht &#x017F;chon gelebt haben, da man das Ey<lb/>
der Bru&#x0364;tung u&#x0364;bergab. Denn es war blos die Kraft<lb/>
die&#x017F;es kleinen Herzens die Ur&#x017F;ache, daß das Ey nicht in<lb/>
den folgenden Stunden zu faulen anfing, und daß es &#x017F;ich<lb/>
zu einer ungemein &#x017F;cho&#x0364;nen Figur ausbildete und die&#x017F;e<lb/>
Zeichnung fa&#x0364;ngt &#x017F;ich lang&#x017F;am, und gradenwei&#x017F;e, mit den<lb/>
er&#x017F;ten Stunden der Bru&#x0364;tung an.</p><lb/>
              <p>Folglich befindet &#x017F;ich in der noch unfo&#x0364;rmlichen<lb/>
Frucht &#x017F;chon ein Herz, und es &#x017F;ind darinnen Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e vor-<lb/>
handen, welche die Nabel&#x017F;ta&#x0364;mme hervor bringen, eine<lb/>
Holader, eine Gekro&#x0364;&#x017F;eblutader, eine linke Bekken&#x017F;chlag-<lb/>
ader, eine obere Aorte, und die u&#x0364;brige Wurzeln der&#x017F;elben,<lb/>
welches man die Schlagaderga&#x0364;nge nennt.</p><lb/>
              <p>Wenn vor kurzem ein beru&#x0364;hmter Mann, vor der<lb/>
vier und zwanzig&#x017F;ten Stunde kein Herz gefunden <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq">WOLF theor gener. germ.<lb/>
p.</hi> 265.</note>, &#x017F;o<lb/>
muß man &#x017F;olches einzig und allein der &#x017F;chlecht umgrenz-<lb/>
ten Figur eines ganz weichen Breies zu&#x017F;chreiben, welche<lb/>
damals das Herz ausmachte <note place="foot" n="(h*)"><hi rendition="#aq">L. XXIX. p.</hi> 116. 178.</note>.</p><lb/>
              <p>Man muß &#x017F;ich auch nicht vor&#x017F;tellen, daß der Kopf<lb/>
noch keine Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gehabt habe. Denn da auch der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kopf</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[425[427]/0479] IV. Abſ. Das Leben der Frucht. Es iſt nemlich der Dottergang ein Darmbruch des Huͤhnchens (e), und er laͤuft mit dem Gedaͤrme, und mit der Haut des kleinen Thierchens in einem Stuͤkke fort. Es iſt ferner das Wachsthum der innern Fruchthaut (f), aͤlter als der Nabel, und dennoch haͤngen alle wach- ſende Stellen der Frucht von der Wirkſamkeit des Her- zens ab (g), und es wuͤrde hier nicht wachſen koͤnnen, wo- fern dieſe bewegende Kraft verſchwaͤnde. Endlich ſo muß dieſe Frucht ſchon gelebt haben, da man das Ey der Bruͤtung uͤbergab. Denn es war blos die Kraft dieſes kleinen Herzens die Urſache, daß das Ey nicht in den folgenden Stunden zu faulen anfing, und daß es ſich zu einer ungemein ſchoͤnen Figur ausbildete und dieſe Zeichnung faͤngt ſich langſam, und gradenweiſe, mit den erſten Stunden der Bruͤtung an. Folglich befindet ſich in der noch unfoͤrmlichen Frucht ſchon ein Herz, und es ſind darinnen Gefaͤſſe vor- handen, welche die Nabelſtaͤmme hervor bringen, eine Holader, eine Gekroͤſeblutader, eine linke Bekkenſchlag- ader, eine obere Aorte, und die uͤbrige Wurzeln derſelben, welches man die Schlagadergaͤnge nennt. Wenn vor kurzem ein beruͤhmter Mann, vor der vier und zwanzigſten Stunde kein Herz gefunden (h), ſo muß man ſolches einzig und allein der ſchlecht umgrenz- ten Figur eines ganz weichen Breies zuſchreiben, welche damals das Herz ausmachte (h*). Man muß ſich auch nicht vorſtellen, daß der Kopf noch keine Gefaͤſſe gehabt habe. Denn da auch der Kopf (e) Ibid. p. 187. (f) Es erſcheinet ſolches in der Stnnde 12. p. 14. es waͤchſt vor der 48 Stunde, mehr als doppelt ſo lang p. 17. Und es aͤndert nichts die Sache, wenn gleich dieſes am- nion ein Stuͤkk von der Dotter- haut geweſen, wie ich nun gefun- den zu haben glaube. (g) p. 35. (h) WOLF theor gener. germ. p. 265. (h*) L. XXIX. p. 116. 178.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/479
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 425[427]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/479>, abgerufen am 02.05.2024.