Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er die Schriften seines Feindes Serto-
rius aus dem Wege räumte; warum nicht
an unserm HErrn, daß er die Schriften ei-
nes Celsus untergehen lassen? Jch meyne
also nicht ohne Grund, daß Gott für alle
Bücher, woran uns was gelegen, wenigstens
so viel Aufmerksamkeit getragen als Cäsar
für die beschriebene Rolle, mit der er in die
See sprang, oder Paulus für sein Perga-
men zu Troada. *)

Hatte der Künstler, welcher mit einer Lin-
se durch ein Nadelöhr traf, nicht an einen
Scheffel Linsen genung zur Uebung seiner er-
worbenen Geschicklichkeit? Diese Frage möch-
te man an alle Gelehrte thun, welche die
Werke der Alten nicht klüger, als jener die
Linsen, zu brauchen wißen. Wenn wir mehr
hätten, als uns die Zeit hat schenken wol-
len; so würden wir selbst genöthiget werden
unsere Ladungen über Bord zu werfen, un-

sere
*) 2 Tim. IV. 13.
B 5

daß er die Schriften ſeines Feindes Serto-
rius aus dem Wege raͤumte; warum nicht
an unſerm HErrn, daß er die Schriften ei-
nes Celſus untergehen laſſen? Jch meyne
alſo nicht ohne Grund, daß Gott fuͤr alle
Buͤcher, woran uns was gelegen, wenigſtens
ſo viel Aufmerkſamkeit getragen als Caͤſar
fuͤr die beſchriebene Rolle, mit der er in die
See ſprang, oder Paulus fuͤr ſein Perga-
men zu Troada. *)

Hatte der Kuͤnſtler, welcher mit einer Lin-
ſe durch ein Nadeloͤhr traf, nicht an einen
Scheffel Linſen genung zur Uebung ſeiner er-
worbenen Geſchicklichkeit? Dieſe Frage moͤch-
te man an alle Gelehrte thun, welche die
Werke der Alten nicht kluͤger, als jener die
Linſen, zu brauchen wißen. Wenn wir mehr
haͤtten, als uns die Zeit hat ſchenken wol-
len; ſo wuͤrden wir ſelbſt genoͤthiget werden
unſere Ladungen uͤber Bord zu werfen, un-

ſere
*) 2 Tim. IV. 13.
B 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0029" n="25"/>
daß er die Schriften &#x017F;eines Feindes Serto-<lb/>
rius aus dem Wege ra&#x0364;umte; warum nicht<lb/>
an un&#x017F;erm HErrn, daß er die Schriften ei-<lb/>
nes Cel&#x017F;us untergehen la&#x017F;&#x017F;en? Jch meyne<lb/>
al&#x017F;o nicht ohne Grund, daß Gott fu&#x0364;r alle<lb/>
Bu&#x0364;cher, woran uns was gelegen, wenig&#x017F;tens<lb/>
&#x017F;o viel Aufmerk&#x017F;amkeit getragen als Ca&#x0364;&#x017F;ar<lb/>
fu&#x0364;r die be&#x017F;chriebene Rolle, mit der er in die<lb/>
See &#x017F;prang, oder Paulus fu&#x0364;r &#x017F;ein Perga-<lb/>
men zu Troada. <note place="foot" n="*)">2 Tim. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 13.</note></p><lb/>
            <p>Hatte der Ku&#x0364;n&#x017F;tler, welcher mit einer Lin-<lb/>
&#x017F;e durch ein Nadelo&#x0364;hr traf, nicht an einen<lb/>
Scheffel Lin&#x017F;en genung zur Uebung &#x017F;einer er-<lb/>
worbenen Ge&#x017F;chicklichkeit? Die&#x017F;e Frage mo&#x0364;ch-<lb/>
te man an alle Gelehrte thun, welche die<lb/>
Werke der Alten nicht klu&#x0364;ger, als jener die<lb/>
Lin&#x017F;en, zu brauchen wißen. Wenn wir mehr<lb/>
ha&#x0364;tten, als uns die Zeit hat <hi rendition="#fr">&#x017F;chenken</hi> wol-<lb/>
len; &#x017F;o wu&#x0364;rden wir &#x017F;elb&#x017F;t geno&#x0364;thiget werden<lb/>
un&#x017F;ere Ladungen u&#x0364;ber Bord zu werfen, un-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ere</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0029] daß er die Schriften ſeines Feindes Serto- rius aus dem Wege raͤumte; warum nicht an unſerm HErrn, daß er die Schriften ei- nes Celſus untergehen laſſen? Jch meyne alſo nicht ohne Grund, daß Gott fuͤr alle Buͤcher, woran uns was gelegen, wenigſtens ſo viel Aufmerkſamkeit getragen als Caͤſar fuͤr die beſchriebene Rolle, mit der er in die See ſprang, oder Paulus fuͤr ſein Perga- men zu Troada. *) Hatte der Kuͤnſtler, welcher mit einer Lin- ſe durch ein Nadeloͤhr traf, nicht an einen Scheffel Linſen genung zur Uebung ſeiner er- worbenen Geſchicklichkeit? Dieſe Frage moͤch- te man an alle Gelehrte thun, welche die Werke der Alten nicht kluͤger, als jener die Linſen, zu brauchen wißen. Wenn wir mehr haͤtten, als uns die Zeit hat ſchenken wol- len; ſo wuͤrden wir ſelbſt genoͤthiget werden unſere Ladungen uͤber Bord zu werfen, un- ſere *) 2 Tim. IV. 13. B 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759/29
Zitationshilfe: [Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759/29>, abgerufen am 09.10.2024.