Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

rinn für eine Wahrsagerinn gehalten, und
sich innerlich über ihre Aehnlichkeit mit dem
Vater Sokrates gefreut, der es für gleich
anständig hielt einen Jdeoten zu spielen oder
Göttern zu glauben. Jst übrigens der Ver-
dacht gegründet, daß sich Apoll nach den
Menschen richte, weil diese zu dumm sind
sich nach ihn zu richten: so handelt er als
ein Gott, dem es leichter fällt zu philippisi-
ren oder zu sokratisiren, als uns Apollos zu
seyn.

Die Ueberlieferung eines Götterspruches
will aber so wenig als ein Komet sagen für
einen Philosophen von heutigem Geschmack.
Wir müssen nach seiner Meynung in dem
Buche, welches das thörichste Volk auf uns
gebracht, und in den Ueberbleibseln der Grie-
chen und Römer, so bald es auf Orakel, Er-
scheinungen, Träume und dergleichen Me-
teoren ankommt, diese Mährchen unserer

Kin-

rinn fuͤr eine Wahrſagerinn gehalten, und
ſich innerlich uͤber ihre Aehnlichkeit mit dem
Vater Sokrates gefreut, der es fuͤr gleich
anſtaͤndig hielt einen Jdeoten zu ſpielen oder
Goͤttern zu glauben. Jſt uͤbrigens der Ver-
dacht gegruͤndet, daß ſich Apoll nach den
Menſchen richte, weil dieſe zu dumm ſind
ſich nach ihn zu richten: ſo handelt er als
ein Gott, dem es leichter faͤllt zu philippiſi-
ren oder zu ſokratiſiren, als uns Apollos zu
ſeyn.

Die Ueberlieferung eines Goͤtterſpruches
will aber ſo wenig als ein Komet ſagen fuͤr
einen Philoſophen von heutigem Geſchmack.
Wir muͤſſen nach ſeiner Meynung in dem
Buche, welches das thoͤrichſte Volk auf uns
gebracht, und in den Ueberbleibſeln der Grie-
chen und Roͤmer, ſo bald es auf Orakel, Er-
ſcheinungen, Traͤume und dergleichen Me-
teoren ankommt, dieſe Maͤhrchen unſerer

Kin-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0040" n="36"/>
rinn fu&#x0364;r eine Wahr&#x017F;agerinn gehalten, und<lb/>
&#x017F;ich innerlich u&#x0364;ber ihre Aehnlichkeit mit dem<lb/>
Vater Sokrates gefreut, der es fu&#x0364;r gleich<lb/>
an&#x017F;ta&#x0364;ndig hielt einen Jdeoten zu &#x017F;pielen oder<lb/>
Go&#x0364;ttern zu glauben. J&#x017F;t u&#x0364;brigens der Ver-<lb/>
dacht gegru&#x0364;ndet, daß &#x017F;ich Apoll nach den<lb/>
Men&#x017F;chen richte, weil die&#x017F;e zu dumm &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ich nach ihn zu richten: &#x017F;o handelt er als<lb/>
ein Gott, dem es leichter fa&#x0364;llt zu philippi&#x017F;i-<lb/>
ren oder zu &#x017F;okrati&#x017F;iren, als uns Apollos zu<lb/>
&#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>Die Ueberlieferung eines Go&#x0364;tter&#x017F;pruches<lb/>
will aber &#x017F;o wenig als ein Komet &#x017F;agen fu&#x0364;r<lb/>
einen Philo&#x017F;ophen von heutigem Ge&#x017F;chmack.<lb/>
Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nach &#x017F;einer Meynung in dem<lb/><hi rendition="#fr">Buche,</hi> welches das tho&#x0364;rich&#x017F;te Volk auf uns<lb/>
gebracht, und in den Ueberbleib&#x017F;eln der Grie-<lb/>
chen und Ro&#x0364;mer, &#x017F;o bald es auf Orakel, Er-<lb/>
&#x017F;cheinungen, Tra&#x0364;ume und dergleichen Me-<lb/>
teoren ankommt, die&#x017F;e Ma&#x0364;hrchen un&#x017F;erer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kin-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0040] rinn fuͤr eine Wahrſagerinn gehalten, und ſich innerlich uͤber ihre Aehnlichkeit mit dem Vater Sokrates gefreut, der es fuͤr gleich anſtaͤndig hielt einen Jdeoten zu ſpielen oder Goͤttern zu glauben. Jſt uͤbrigens der Ver- dacht gegruͤndet, daß ſich Apoll nach den Menſchen richte, weil dieſe zu dumm ſind ſich nach ihn zu richten: ſo handelt er als ein Gott, dem es leichter faͤllt zu philippiſi- ren oder zu ſokratiſiren, als uns Apollos zu ſeyn. Die Ueberlieferung eines Goͤtterſpruches will aber ſo wenig als ein Komet ſagen fuͤr einen Philoſophen von heutigem Geſchmack. Wir muͤſſen nach ſeiner Meynung in dem Buche, welches das thoͤrichſte Volk auf uns gebracht, und in den Ueberbleibſeln der Grie- chen und Roͤmer, ſo bald es auf Orakel, Er- ſcheinungen, Traͤume und dergleichen Me- teoren ankommt, dieſe Maͤhrchen unſerer Kin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759/40
Zitationshilfe: [Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759/40>, abgerufen am 09.10.2024.