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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178-1190).
deutschen Kolonisation auch jetzt nicht ins Stocken, so ging der
politische Einfluß auf die Slawenlande an der Ostsee bald genug
bedenklich zurück, und Dänemark, das die Lehensabhängigkeit dem
Reiche kündigte, trat hier die Herrschaft des Löwen an. Friedrich
war diesen Dingen gegenüber keineswegs gleichgültig, er suchte die
Lehenshoheit über Pommern dem Reiche, freilich ohne dauernden
Erfolg, zu gewinnen, er begünstigte Lübeck; aber im Strome der
großen Weltpolitik konnte er auf die Dauer den fernen Grenzge-
bieten des Nordostens nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken.

Für ihn selbst aber war der rasche und vollständige Sieg über
den weithin gefürchteten Gegner, mochte er ihn auch mit den
Fürsten teilen, ein bedeutender Erfolg; im Reiche wie im Auslande
schnellte das kaiserliche Ansehen mit einem gewaltigen Ruck in
die Höhe. Friedenssicherheit und Machtbewußtsein atmeten die
glanzvollen Hoftage der nächsten Jahre, vor allen andern das von
den Dichtern verherrlichte große Mainzer Pfingstfest von 1184: eine
Feier des Herrscherhauses, die Schwertleite der beiden ältesten
Söhne Barbarossas, erhoben zu einem Nationalfest, in der Be-
herbergung, Verköstigung und Ordnung von mehreren Zehntausenden
der Gäste trotz eines störenden Unfalls eine staunenerregende or-
ganisatorische Leistung, eine furchtgebietende Heerschau der deut-
schen Ritterschaft, und mehr als alles das: die Verkörperung einer
neuanbrechenden, großen Kulturepoche. Der Händedruck, den dort
der Troubadour Herr Guiot von Provins und der deutsche Dichter
Heinrich von Veldeke miteinander austauschten, versinnbildlichte
gleichsam das Hineinfluten der ritterlichen Kultur Frankreichs in
das Reichsgebiet. Sie bedeutete ein erstes Schönheitsideal des
Lebens seit den Tagen des Altertums, ein erstes Erwachen sinn-
licher Weltfreude neben den strengen Forderungen christlicher Moral,
eine erste Laienbildung. Sie verband den Reichtum mohammeda-
nischer Kultureinflüsse mit der Eigenart der keltisch-germanischen
Nation. Sie brachte eine Veredlung der Empfindungsweise, ein
verfeinertes Formgefühl in Leben und Kunst, eine Bereicherung
der Phantasie. Rittertugend und Heldendichtung, Frauendienst und
Minnepoesie waren die vornehmsten Blüten dieser Kultur. Ihr
Einströmen in Deutschland bedeutete eine Verwälschung der füh-
renden Gesellschaftskreise wie nur je in den Tagen des Rokoko,
aber mit dem grundlegenden Unterschiede, daß hier eine starke,
selbstbewußte Nation, weit davon entfernt, sich an das fremde
Wesen zu verlieren, die neue Bildung auf den kräftigen Stamm
ihrer Eigenart pfropfte und so Blüten trieb, welche die Leistungen
der französischen Meister oft genug in den Schatten stellten. Nicht
gar lange nach dem Mainzer Feste begann Walter von der Vogel-

Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 11

§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190).
deutschen Kolonisation auch jetzt nicht ins Stocken, so ging der
politische Einfluß auf die Slawenlande an der Ostsee bald genug
bedenklich zurück, und Dänemark, das die Lehensabhängigkeit dem
Reiche kündigte, trat hier die Herrschaft des Löwen an. Friedrich
war diesen Dingen gegenüber keineswegs gleichgültig, er suchte die
Lehenshoheit über Pommern dem Reiche, freilich ohne dauernden
Erfolg, zu gewinnen, er begünstigte Lübeck; aber im Strome der
großen Weltpolitik konnte er auf die Dauer den fernen Grenzge-
bieten des Nordostens nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken.

Für ihn selbst aber war der rasche und vollständige Sieg über
den weithin gefürchteten Gegner, mochte er ihn auch mit den
Fürsten teilen, ein bedeutender Erfolg; im Reiche wie im Auslande
schnellte das kaiserliche Ansehen mit einem gewaltigen Ruck in
die Höhe. Friedenssicherheit und Machtbewußtsein atmeten die
glanzvollen Hoftage der nächsten Jahre, vor allen andern das von
den Dichtern verherrlichte große Mainzer Pfingstfest von 1184: eine
Feier des Herrscherhauses, die Schwertleite der beiden ältesten
Söhne Barbarossas, erhoben zu einem Nationalfest, in der Be-
herbergung, Verköstigung und Ordnung von mehreren Zehntausenden
der Gäste trotz eines störenden Unfalls eine staunenerregende or-
ganisatorische Leistung, eine furchtgebietende Heerschau der deut-
schen Ritterschaft, und mehr als alles das: die Verkörperung einer
neuanbrechenden, großen Kulturepoche. Der Händedruck, den dort
der Troubadour Herr Guiot von Provins und der deutsche Dichter
Heinrich von Veldeke miteinander austauschten, versinnbildlichte
gleichsam das Hineinfluten der ritterlichen Kultur Frankreichs in
das Reichsgebiet. Sie bedeutete ein erstes Schönheitsideal des
Lebens seit den Tagen des Altertums, ein erstes Erwachen sinn-
licher Weltfreude neben den strengen Forderungen christlicher Moral,
eine erste Laienbildung. Sie verband den Reichtum mohammeda-
nischer Kultureinflüsse mit der Eigenart der keltisch-germanischen
Nation. Sie brachte eine Veredlung der Empfindungsweise, ein
verfeinertes Formgefühl in Leben und Kunst, eine Bereicherung
der Phantasie. Rittertugend und Heldendichtung, Frauendienst und
Minnepoesie waren die vornehmsten Blüten dieser Kultur. Ihr
Einströmen in Deutschland bedeutete eine Verwälschung der füh-
renden Gesellschaftskreise wie nur je in den Tagen des Rokoko,
aber mit dem grundlegenden Unterschiede, daß hier eine starke,
selbstbewußte Nation, weit davon entfernt, sich an das fremde
Wesen zu verlieren, die neue Bildung auf den kräftigen Stamm
ihrer Eigenart pfropfte und so Blüten trieb, welche die Leistungen
der französischen Meister oft genug in den Schatten stellten. Nicht
gar lange nach dem Mainzer Feste begann Walter von der Vogel-

Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 11
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[161/0169] § 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190). deutschen Kolonisation auch jetzt nicht ins Stocken, so ging der politische Einfluß auf die Slawenlande an der Ostsee bald genug bedenklich zurück, und Dänemark, das die Lehensabhängigkeit dem Reiche kündigte, trat hier die Herrschaft des Löwen an. Friedrich war diesen Dingen gegenüber keineswegs gleichgültig, er suchte die Lehenshoheit über Pommern dem Reiche, freilich ohne dauernden Erfolg, zu gewinnen, er begünstigte Lübeck; aber im Strome der großen Weltpolitik konnte er auf die Dauer den fernen Grenzge- bieten des Nordostens nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Für ihn selbst aber war der rasche und vollständige Sieg über den weithin gefürchteten Gegner, mochte er ihn auch mit den Fürsten teilen, ein bedeutender Erfolg; im Reiche wie im Auslande schnellte das kaiserliche Ansehen mit einem gewaltigen Ruck in die Höhe. Friedenssicherheit und Machtbewußtsein atmeten die glanzvollen Hoftage der nächsten Jahre, vor allen andern das von den Dichtern verherrlichte große Mainzer Pfingstfest von 1184: eine Feier des Herrscherhauses, die Schwertleite der beiden ältesten Söhne Barbarossas, erhoben zu einem Nationalfest, in der Be- herbergung, Verköstigung und Ordnung von mehreren Zehntausenden der Gäste trotz eines störenden Unfalls eine staunenerregende or- ganisatorische Leistung, eine furchtgebietende Heerschau der deut- schen Ritterschaft, und mehr als alles das: die Verkörperung einer neuanbrechenden, großen Kulturepoche. Der Händedruck, den dort der Troubadour Herr Guiot von Provins und der deutsche Dichter Heinrich von Veldeke miteinander austauschten, versinnbildlichte gleichsam das Hineinfluten der ritterlichen Kultur Frankreichs in das Reichsgebiet. Sie bedeutete ein erstes Schönheitsideal des Lebens seit den Tagen des Altertums, ein erstes Erwachen sinn- licher Weltfreude neben den strengen Forderungen christlicher Moral, eine erste Laienbildung. Sie verband den Reichtum mohammeda- nischer Kultureinflüsse mit der Eigenart der keltisch-germanischen Nation. Sie brachte eine Veredlung der Empfindungsweise, ein verfeinertes Formgefühl in Leben und Kunst, eine Bereicherung der Phantasie. Rittertugend und Heldendichtung, Frauendienst und Minnepoesie waren die vornehmsten Blüten dieser Kultur. Ihr Einströmen in Deutschland bedeutete eine Verwälschung der füh- renden Gesellschaftskreise wie nur je in den Tagen des Rokoko, aber mit dem grundlegenden Unterschiede, daß hier eine starke, selbstbewußte Nation, weit davon entfernt, sich an das fremde Wesen zu verlieren, die neue Bildung auf den kräftigen Stamm ihrer Eigenart pfropfte und so Blüten trieb, welche die Leistungen der französischen Meister oft genug in den Schatten stellten. Nicht gar lange nach dem Mainzer Feste begann Walter von der Vogel- Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 11

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/169>, abgerufen am 05.05.2024.