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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 14. Heinrich VI. (1190-1197).
Gefangennahme, wie einst Heinrich V. erreichte er sein Ziel, --
das hätte nur Gegenwirkungen hervorgerufen, -- sondern durch
kluge Verwertung der Schwäche des Gegners. Wie er die römische
Abstammung und Neigung Coelestins, die nachbarlichen Rivalitäts-
kämpfe der Römer ausnutzte, um durch die Preisgabe des kaiser-
freundlichen Tuskulum zunächst jene zu gewinnen und durch ihren
Druck auf den Papst seinen Zweck, die Kaiserkrönung, zu erreichen,
das war ein Meisterstück der politischen Rechenkunst, wie es für
Heinrichs Art bezeichnend ist.1)

Als er nun aber zur Eroberung Siziliens schritt, häufte sich
das Mißgeschick und führte zu einer ernstlichen Gefährdung seiner
Herrschaft. An den Mauern Neapels brach sich die Wucht des
zur See ungenügend unterstützten Angriffs, eine furchtbare Seuche
im Heere warnte noch in letzter Stunde vor der unnatürlichen
Länderverbindung, ergriff auch den Kaiser und zwang ihn zum
Abbruch der Belagerung. Eine falsche Nachricht von seinem Tode
überlieferte seine Gemahlin den Feinden. Schon vorher war aus
seinem Lager der als Geisel mitgeführte älteste Sohn Heinrichs des
Löwen entflohen, hatte eine Verbindung mit Tancred angeknüpft,
wie einst zur Zeit Konrads III. Welf mit Roger II., und suchte nun
den Aufruhr in Deutschland zu entfesseln. Noch hätte der eiligst
heimkehrende Kaiser, der auch jetzt im Hinblick auf Sizilien zu
weitem Entgegenkommen bereit war, wohl den Frieden hergestellt,
hätte nicht eine Untat die Funken zu loderndem Brande geschürt.

Heinrich verfolgte auch in der innerdeutschen Kirchenpolitik die
vom Vater vorgezeichnete Richtung, aber seinem Wesen entsprechend
in schrofferen und rücksichtsloseren Formen. Hatte jener sich bei
bischöflichen Doppelwahlen nur theoretisch ein Devolutionsrecht2) zu-
billigen lassen, so brachte Heinrich es jetzt wirklich zur Anwendung.
In den Wirren, die daraus in Lüttich entstanden, wurde der päpst-
liche Gegenkandidat Albert, ein Bruder des Herzogs von Brabant,
von deutschen Rittern ermordet (Ende 1192). Die noch frische

1) Es wäre endlich an der Zeit, daß die sentimentale Auffassung dieses
Aktes, die sich von ungenügend eingeweihten zeitgenössischen Chronisten aus-
gehend, bis in die neuesten Darstellungen hinein findet, schwände. Die Aus-
lieferung von Tuskulum an den Papst zugleich mit den anderen okkupierten
Plätzen des engeren Kirchenstaates war ja schon im Vertrage Heinrichs mit
der Kurie v. 3. April 1189 vorgesehen. Eine Treulosigkeit ist höchstens
darin zu erblicken, daß er auf Bitten der Bewohner überhaupt eine Besatzung
in die Stadt legte und dadurch Hoffnungen erweckte, in seinem Sinne aber wohl
nur den Wert dieses Verhandlungsobjektes steigerte. Was war ihm Tusku-
lum? Um seinetwillen die verbrieften Versprechungen an die Kurie zu brechen
und die Verständigung mit ihr aufs Spiel zu setzen, war von Heinrich
nicht zu verlangen.
2) Vgl. oben S. 120.

§ 14. Heinrich VI. (1190‒1197).
Gefangennahme, wie einst Heinrich V. erreichte er sein Ziel, —
das hätte nur Gegenwirkungen hervorgerufen, — sondern durch
kluge Verwertung der Schwäche des Gegners. Wie er die römische
Abstammung und Neigung Coelestins, die nachbarlichen Rivalitäts-
kämpfe der Römer ausnutzte, um durch die Preisgabe des kaiser-
freundlichen Tuskulum zunächst jene zu gewinnen und durch ihren
Druck auf den Papst seinen Zweck, die Kaiserkrönung, zu erreichen,
das war ein Meisterstück der politischen Rechenkunst, wie es für
Heinrichs Art bezeichnend ist.1)

Als er nun aber zur Eroberung Siziliens schritt, häufte sich
das Mißgeschick und führte zu einer ernstlichen Gefährdung seiner
Herrschaft. An den Mauern Neapels brach sich die Wucht des
zur See ungenügend unterstützten Angriffs, eine furchtbare Seuche
im Heere warnte noch in letzter Stunde vor der unnatürlichen
Länderverbindung, ergriff auch den Kaiser und zwang ihn zum
Abbruch der Belagerung. Eine falsche Nachricht von seinem Tode
überlieferte seine Gemahlin den Feinden. Schon vorher war aus
seinem Lager der als Geisel mitgeführte älteste Sohn Heinrichs des
Löwen entflohen, hatte eine Verbindung mit Tancred angeknüpft,
wie einst zur Zeit Konrads III. Welf mit Roger II., und suchte nun
den Aufruhr in Deutschland zu entfesseln. Noch hätte der eiligst
heimkehrende Kaiser, der auch jetzt im Hinblick auf Sizilien zu
weitem Entgegenkommen bereit war, wohl den Frieden hergestellt,
hätte nicht eine Untat die Funken zu loderndem Brande geschürt.

Heinrich verfolgte auch in der innerdeutschen Kirchenpolitik die
vom Vater vorgezeichnete Richtung, aber seinem Wesen entsprechend
in schrofferen und rücksichtsloseren Formen. Hatte jener sich bei
bischöflichen Doppelwahlen nur theoretisch ein Devolutionsrecht2) zu-
billigen lassen, so brachte Heinrich es jetzt wirklich zur Anwendung.
In den Wirren, die daraus in Lüttich entstanden, wurde der päpst-
liche Gegenkandidat Albert, ein Bruder des Herzogs von Brabant,
von deutschen Rittern ermordet (Ende 1192). Die noch frische

1) Es wäre endlich an der Zeit, daß die sentimentale Auffassung dieses
Aktes, die sich von ungenügend eingeweihten zeitgenössischen Chronisten aus-
gehend, bis in die neuesten Darstellungen hinein findet, schwände. Die Aus-
lieferung von Tuskulum an den Papst zugleich mit den anderen okkupierten
Plätzen des engeren Kirchenstaates war ja schon im Vertrage Heinrichs mit
der Kurie v. 3. April 1189 vorgesehen. Eine Treulosigkeit ist höchstens
darin zu erblicken, daß er auf Bitten der Bewohner überhaupt eine Besatzung
in die Stadt legte und dadurch Hoffnungen erweckte, in seinem Sinne aber wohl
nur den Wert dieses Verhandlungsobjektes steigerte. Was war ihm Tusku-
lum? Um seinetwillen die verbrieften Versprechungen an die Kurie zu brechen
und die Verständigung mit ihr aufs Spiel zu setzen, war von Heinrich
nicht zu verlangen.
2) Vgl. oben S. 120.
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[175/0183] § 14. Heinrich VI. (1190‒1197). Gefangennahme, wie einst Heinrich V. erreichte er sein Ziel, — das hätte nur Gegenwirkungen hervorgerufen, — sondern durch kluge Verwertung der Schwäche des Gegners. Wie er die römische Abstammung und Neigung Coelestins, die nachbarlichen Rivalitäts- kämpfe der Römer ausnutzte, um durch die Preisgabe des kaiser- freundlichen Tuskulum zunächst jene zu gewinnen und durch ihren Druck auf den Papst seinen Zweck, die Kaiserkrönung, zu erreichen, das war ein Meisterstück der politischen Rechenkunst, wie es für Heinrichs Art bezeichnend ist. 1) Als er nun aber zur Eroberung Siziliens schritt, häufte sich das Mißgeschick und führte zu einer ernstlichen Gefährdung seiner Herrschaft. An den Mauern Neapels brach sich die Wucht des zur See ungenügend unterstützten Angriffs, eine furchtbare Seuche im Heere warnte noch in letzter Stunde vor der unnatürlichen Länderverbindung, ergriff auch den Kaiser und zwang ihn zum Abbruch der Belagerung. Eine falsche Nachricht von seinem Tode überlieferte seine Gemahlin den Feinden. Schon vorher war aus seinem Lager der als Geisel mitgeführte älteste Sohn Heinrichs des Löwen entflohen, hatte eine Verbindung mit Tancred angeknüpft, wie einst zur Zeit Konrads III. Welf mit Roger II., und suchte nun den Aufruhr in Deutschland zu entfesseln. Noch hätte der eiligst heimkehrende Kaiser, der auch jetzt im Hinblick auf Sizilien zu weitem Entgegenkommen bereit war, wohl den Frieden hergestellt, hätte nicht eine Untat die Funken zu loderndem Brande geschürt. Heinrich verfolgte auch in der innerdeutschen Kirchenpolitik die vom Vater vorgezeichnete Richtung, aber seinem Wesen entsprechend in schrofferen und rücksichtsloseren Formen. Hatte jener sich bei bischöflichen Doppelwahlen nur theoretisch ein Devolutionsrecht 2) zu- billigen lassen, so brachte Heinrich es jetzt wirklich zur Anwendung. In den Wirren, die daraus in Lüttich entstanden, wurde der päpst- liche Gegenkandidat Albert, ein Bruder des Herzogs von Brabant, von deutschen Rittern ermordet (Ende 1192). Die noch frische 1) Es wäre endlich an der Zeit, daß die sentimentale Auffassung dieses Aktes, die sich von ungenügend eingeweihten zeitgenössischen Chronisten aus- gehend, bis in die neuesten Darstellungen hinein findet, schwände. Die Aus- lieferung von Tuskulum an den Papst zugleich mit den anderen okkupierten Plätzen des engeren Kirchenstaates war ja schon im Vertrage Heinrichs mit der Kurie v. 3. April 1189 vorgesehen. Eine Treulosigkeit ist höchstens darin zu erblicken, daß er auf Bitten der Bewohner überhaupt eine Besatzung in die Stadt legte und dadurch Hoffnungen erweckte, in seinem Sinne aber wohl nur den Wert dieses Verhandlungsobjektes steigerte. Was war ihm Tusku- lum? Um seinetwillen die verbrieften Versprechungen an die Kurie zu brechen und die Verständigung mit ihr aufs Spiel zu setzen, war von Heinrich nicht zu verlangen. 2) Vgl. oben S. 120.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/183>, abgerufen am 05.05.2024.