Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Academischen
Recht auf unsern Lehrmeister JEsum; Dann/ er ist der Mann/
welchem wir folgen müssen/ und durch Jhn allein haben wir das
Wol- und Seelig-Leben. Untreue und undanckbare Jünger sind
rechte Wunder-Thiere auf Erden. Nero ließ seinen Lehrmeister
Senecam tödten/ dieweil er offtmahls von ihm geschlagen wor-
den. Als Sfortia Fürft worden/ ließ er um dieser Ursachen willen
seinen Meister Colam geisseln/ und mit einem Strick schleppen.
Der sehr gelehrte Johannes Scotus wurde im Jahr 1300. von
seinen Schülern mit Federn todt gestochen. Philologus entdeckte
seinen verborgenen Lehrmeister Ciceronem, und dardurch
ward Cicero getödtet/ nachdem man ihm zuvor die rechte Hand
abgehauen. Dieses sind lauter Greuel; Jedoch haben wir zu
sehen/ daß wir unsern Lehrer JEsum nicht auch mit schmählicher
Undanckbarkeit belobnen. Ja/ man muß zusehen/ daß man Jhn
nicht aufs Neue creutzige/ und offentlich zu schandeu mache.

Klingenfeld: Pericles war auch undanckbar gegen seinen
Meifter Anaxagoram, dessen er in seiner Armuth vergaß/ weil er
mit Staats-Sachen zu viel zu thun hatte. Anaxagoras ward
hierüber so traurig/ daß er sich vornahm/ Hungers zu sterben/
lag auch nunmehr in den letzten Zügen. Als Pericles solches hö-
rete/ lieff er zur Stund zu ihm hin/ bath um Verzeyhung/ und
botte ihm alles an. Anaxagoras, denselben sehend/ sagte mit ei-
nem sterbenden Mund: O Pericle! wer einer Lampen vonnö-
then hat/ der muß Oehl hinein thun.

Der Podesta: Die Prediger sind Lampen deß Heiligthums/
für Groffe und Kleine/ die Land und Leute vonnöthen haben.
Diesen Spruch deß Anaxagorae solten die Regenten wol beher-
tzigen. Pericles thate wol/ daß er sein Unrecht erkannte/ und sol-
ches zu verbessern suchte. Schüler müssen sich gegen ihren Lehr-
meister danckbar erzeigen; Gleichwie vor Zeiten alle Neu-
Jahrs-Tage die Schüler gewohnet waren/ ihren Lehrmeistern
einige Verehrung zu geben. Die beste Verehrung aber ist Liebe
und Gehorsam/ und dann/ daß man darbey die Früchte seiner
Gelehrtsamkeit weise.

Der Printz: Die Schüler deß M. Portii wolten nur allezeit
hören/ und niemahls gehöret werden. Sie wolten niemahls zei-
gen/ was sie gelernet hatten/ darum wurden sie Schimpffsweise
Auditores, Hörer/ genennet. Jener Jüngling aber erklärete sol-
ches anders/ er war deß Zenonis Jünger gewesen/ und kam wie-
der nach Hauß. Der Vatter fragte ihn: Was er für Weißheit
daselbst gelernet hätte? Der Student antwortete: Er wolte

das

Deß Academiſchen
Recht auf unſern Lehrmeiſter JEſum; Dann/ er iſt der Mann/
welchem wir folgen muͤſſen/ und durch Jhn allein haben wir das
Wol- und Seelig-Leben. Untreue und undanckbare Juͤnger ſind
rechte Wunder-Thiere auf Erden. Nero ließ ſeinen Lehrmeiſter
Senecam toͤdten/ dieweil er offtmahls von ihm geſchlagen wor-
den. Als Sfortia Fuͤrft worden/ ließ er um dieſer Urſachen willen
ſeinen Meiſter Colam geiſſeln/ und mit einem Strick ſchleppen.
Der ſehr gelehrte Johannes Scotus wurde im Jahr 1300. von
ſeinen Schuͤlern mit Federn todt geſtochen. Philologus entdeckte
ſeinen verborgenen Lehrmeiſter Ciceronem, und dardurch
ward Cicero getoͤdtet/ nachdem man ihm zuvor die rechte Hand
abgehauen. Dieſes ſind lauter Greuel; Jedoch haben wir zu
ſehen/ daß wir unſern Lehrer JEſum nicht auch mit ſchmaͤhlicher
Undanckbarkeit belobnen. Ja/ man muß zuſehen/ daß man Jhn
nicht aufs Neue creutzige/ und offentlich zu ſchandeu mache.

Klingenfeld: Pericles war auch undanckbar gegen ſeinen
Meifter Anaxagoram, deſſen er in ſeiner Armuth vergaß/ weil er
mit Staats-Sachen zu viel zu thun hatte. Anaxagoras ward
hieruͤber ſo traurig/ daß er ſich vornahm/ Hungers zu ſterben/
lag auch nunmehr in den letzten Zuͤgen. Als Pericles ſolches hoͤ-
rete/ lieff er zur Stund zu ihm hin/ bath um Verzeyhung/ und
botte ihm alles an. Anaxagoras, denſelben ſehend/ ſagte mit ei-
nem ſterbenden Mund: O Pericle! wer einer Lampen vonnoͤ-
then hat/ der muß Oehl hinein thun.

Der Podeſtà: Die Prediger ſind Lampen deß Heiligthums/
fuͤr Groffe und Kleine/ die Land und Leute vonnoͤthen haben.
Dieſen Spruch deß Anaxagoræ ſolten die Regenten wol beher-
tzigen. Pericles thate wol/ daß er ſein Unrecht erkannte/ und ſol-
ches zu verbeſſern ſuchte. Schuͤler muͤſſen ſich gegen ihren Lehr-
meiſter danckbar erzeigen; Gleichwie vor Zeiten alle Neu-
Jahrs-Tage die Schuͤler gewohnet waren/ ihren Lehrmeiſtern
einige Verehrung zu geben. Die beſte Verehrung aber iſt Liebe
und Gehorſam/ und dann/ daß man darbey die Fruͤchte ſeiner
Gelehrtſamkeit weiſe.

Der Printz: Die Schuͤler deß M. Portii wolten nur allezeit
hoͤren/ und niemahls gehoͤret werden. Sie wolten niemahls zei-
gen/ was ſie gelernet hatten/ darum wurden ſie Schimpffsweiſe
Auditores, Hoͤrer/ genennet. Jener Juͤngling aber erklaͤrete ſol-
ches anders/ er war deß Zenonis Juͤnger geweſen/ und kam wie-
der nach Hauß. Der Vatter fragte ihn: Was er fuͤr Weißheit
daſelbſt gelernet haͤtte? Der Student antwortete: Er wolte

das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0408" n="394"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß <hi rendition="#aq">Academi</hi>&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
Recht auf un&#x017F;ern Lehrmei&#x017F;ter JE&#x017F;um; Dann/ er i&#x017F;t der Mann/<lb/>
welchem wir folgen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ und durch Jhn allein haben wir das<lb/>
Wol- und Seelig-Leben. Untreue und undanckbare Ju&#x0364;nger &#x017F;ind<lb/>
rechte Wunder-Thiere auf Erden. <hi rendition="#aq">Nero</hi> ließ &#x017F;einen Lehrmei&#x017F;ter<lb/><hi rendition="#aq">Senecam</hi> to&#x0364;dten/ dieweil er offtmahls von ihm ge&#x017F;chlagen wor-<lb/>
den. Als <hi rendition="#aq">Sfortia</hi> Fu&#x0364;rft worden/ ließ er um die&#x017F;er Ur&#x017F;achen willen<lb/>
&#x017F;einen Mei&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Colam</hi> gei&#x017F;&#x017F;eln/ und mit einem Strick &#x017F;chleppen.<lb/>
Der &#x017F;ehr gelehrte <hi rendition="#aq">Johannes Scotus</hi> wurde im Jahr 1300. von<lb/>
&#x017F;einen Schu&#x0364;lern mit Federn todt ge&#x017F;tochen. <hi rendition="#aq">Philologus</hi> entdeckte<lb/>
&#x017F;einen verborgenen Lehrmei&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Ciceronem,</hi> und dardurch<lb/>
ward <hi rendition="#aq">Cicero</hi> geto&#x0364;dtet/ nachdem man ihm zuvor die rechte Hand<lb/>
abgehauen. Die&#x017F;es &#x017F;ind lauter Greuel; Jedoch haben wir zu<lb/>
&#x017F;ehen/ daß wir un&#x017F;ern Lehrer JE&#x017F;um nicht auch mit &#x017F;chma&#x0364;hlicher<lb/>
Undanckbarkeit belobnen. Ja/ man muß zu&#x017F;ehen/ daß man Jhn<lb/>
nicht aufs Neue creutzige/ und offentlich zu &#x017F;chandeu mache.</p><lb/>
          <p>Klingenfeld: <hi rendition="#aq">Pericles</hi> war auch undanckbar gegen &#x017F;einen<lb/>
Meifter <hi rendition="#aq">Anaxagoram,</hi> de&#x017F;&#x017F;en er in &#x017F;einer Armuth vergaß/ weil er<lb/>
mit Staats-Sachen zu viel zu thun hatte. <hi rendition="#aq">Anaxagoras</hi> ward<lb/>
hieru&#x0364;ber &#x017F;o traurig/ daß er &#x017F;ich vornahm/ Hungers zu &#x017F;terben/<lb/>
lag auch nunmehr in den letzten Zu&#x0364;gen. Als <hi rendition="#aq">Pericles</hi> &#x017F;olches ho&#x0364;-<lb/>
rete/ lieff er zur Stund zu ihm hin/ bath um Verzeyhung/ und<lb/>
botte ihm alles an. <hi rendition="#aq">Anaxagoras,</hi> den&#x017F;elben &#x017F;ehend/ &#x017F;agte mit ei-<lb/>
nem &#x017F;terbenden Mund: O <hi rendition="#aq">Pericle!</hi> wer einer Lampen vonno&#x0364;-<lb/>
then hat/ der muß Oehl hinein thun.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#aq">Pode&#x017F;tà:</hi> Die Prediger &#x017F;ind Lampen deß Heiligthums/<lb/>
fu&#x0364;r Groffe und Kleine/ die Land und Leute vonno&#x0364;then haben.<lb/>
Die&#x017F;en Spruch deß <hi rendition="#aq">Anaxagoræ</hi> &#x017F;olten die Regenten wol beher-<lb/>
tzigen. <hi rendition="#aq">Pericles</hi> thate wol/ daß er &#x017F;ein Unrecht erkannte/ und &#x017F;ol-<lb/>
ches zu verbe&#x017F;&#x017F;ern &#x017F;uchte. Schu&#x0364;ler mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich gegen ihren Lehr-<lb/>
mei&#x017F;ter danckbar erzeigen; Gleichwie vor Zeiten alle Neu-<lb/>
Jahrs-Tage die Schu&#x0364;ler gewohnet waren/ ihren Lehrmei&#x017F;tern<lb/>
einige Verehrung zu geben. Die be&#x017F;te Verehrung aber i&#x017F;t Liebe<lb/>
und Gehor&#x017F;am/ und dann/ daß man darbey die Fru&#x0364;chte &#x017F;einer<lb/>
Gelehrt&#x017F;amkeit wei&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Der Printz: Die Schu&#x0364;ler deß <hi rendition="#aq">M. Portii</hi> wolten nur allezeit<lb/>
ho&#x0364;ren/ und niemahls geho&#x0364;ret werden. Sie wolten niemahls zei-<lb/>
gen/ was &#x017F;ie gelernet hatten/ darum wurden &#x017F;ie Schimpffswei&#x017F;e<lb/><hi rendition="#aq">Auditores,</hi> Ho&#x0364;rer/ genennet. Jener Ju&#x0364;ngling aber erkla&#x0364;rete &#x017F;ol-<lb/>
ches anders/ er war deß <hi rendition="#aq">Zenonis</hi> Ju&#x0364;nger gewe&#x017F;en/ und kam wie-<lb/>
der nach Hauß. Der Vatter fragte ihn: Was er fu&#x0364;r Weißheit<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t gelernet ha&#x0364;tte? Der Student antwortete: Er wolte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0408] Deß Academiſchen Recht auf unſern Lehrmeiſter JEſum; Dann/ er iſt der Mann/ welchem wir folgen muͤſſen/ und durch Jhn allein haben wir das Wol- und Seelig-Leben. Untreue und undanckbare Juͤnger ſind rechte Wunder-Thiere auf Erden. Nero ließ ſeinen Lehrmeiſter Senecam toͤdten/ dieweil er offtmahls von ihm geſchlagen wor- den. Als Sfortia Fuͤrft worden/ ließ er um dieſer Urſachen willen ſeinen Meiſter Colam geiſſeln/ und mit einem Strick ſchleppen. Der ſehr gelehrte Johannes Scotus wurde im Jahr 1300. von ſeinen Schuͤlern mit Federn todt geſtochen. Philologus entdeckte ſeinen verborgenen Lehrmeiſter Ciceronem, und dardurch ward Cicero getoͤdtet/ nachdem man ihm zuvor die rechte Hand abgehauen. Dieſes ſind lauter Greuel; Jedoch haben wir zu ſehen/ daß wir unſern Lehrer JEſum nicht auch mit ſchmaͤhlicher Undanckbarkeit belobnen. Ja/ man muß zuſehen/ daß man Jhn nicht aufs Neue creutzige/ und offentlich zu ſchandeu mache. Klingenfeld: Pericles war auch undanckbar gegen ſeinen Meifter Anaxagoram, deſſen er in ſeiner Armuth vergaß/ weil er mit Staats-Sachen zu viel zu thun hatte. Anaxagoras ward hieruͤber ſo traurig/ daß er ſich vornahm/ Hungers zu ſterben/ lag auch nunmehr in den letzten Zuͤgen. Als Pericles ſolches hoͤ- rete/ lieff er zur Stund zu ihm hin/ bath um Verzeyhung/ und botte ihm alles an. Anaxagoras, denſelben ſehend/ ſagte mit ei- nem ſterbenden Mund: O Pericle! wer einer Lampen vonnoͤ- then hat/ der muß Oehl hinein thun. Der Podeſtà: Die Prediger ſind Lampen deß Heiligthums/ fuͤr Groffe und Kleine/ die Land und Leute vonnoͤthen haben. Dieſen Spruch deß Anaxagoræ ſolten die Regenten wol beher- tzigen. Pericles thate wol/ daß er ſein Unrecht erkannte/ und ſol- ches zu verbeſſern ſuchte. Schuͤler muͤſſen ſich gegen ihren Lehr- meiſter danckbar erzeigen; Gleichwie vor Zeiten alle Neu- Jahrs-Tage die Schuͤler gewohnet waren/ ihren Lehrmeiſtern einige Verehrung zu geben. Die beſte Verehrung aber iſt Liebe und Gehorſam/ und dann/ daß man darbey die Fruͤchte ſeiner Gelehrtſamkeit weiſe. Der Printz: Die Schuͤler deß M. Portii wolten nur allezeit hoͤren/ und niemahls gehoͤret werden. Sie wolten niemahls zei- gen/ was ſie gelernet hatten/ darum wurden ſie Schimpffsweiſe Auditores, Hoͤrer/ genennet. Jener Juͤngling aber erklaͤrete ſol- ches anders/ er war deß Zenonis Juͤnger geweſen/ und kam wie- der nach Hauß. Der Vatter fragte ihn: Was er fuͤr Weißheit daſelbſt gelernet haͤtte? Der Student antwortete: Er wolte das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/408
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/408>, abgerufen am 02.05.2024.