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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
mo integerrimae vitae. Claß Krachbein/ wer euch was
Böses nachsaget/ der lüget es wie ein Schelm. Zwar
ihr habt die Magd wol nicht gehasset/ aber darum
auch eben nicht geliebet. Wann es die Mittags-Hitze
erforderte/ daß ihr euch mit ihr auf dem Feld unter
den Schatten begabet/ da laset ihr in einem Psalter/
und sie bande inzwischen ein Blumen-Kräntzlein/ das
habe ich mit meinen Augen gesehen. Aber O! du nun-
mehro seelige Ursula/ der Himmel versperre dir deß-
halben ja die Pforte nicht/ dann du hast sonsten dein
Leben und Wandel auf dieser Welt so rühmlich zu-
gebracht/ als eine grosse Königin nimmermehr wird
thun können. Saget mir/ liebe Herren und Freunde/
wo ist eine grosse Königin/ die alle Morgen so frühe
würde aufstehen/ und die Kühe melcken? Die sich mit
grober Leinen und Wolle an ihrem Leib behülffe? Die
Sonntags und Wercktags gleich fleissig ihren Hauß-
Geschäfften obläge? Ja/ die es in ihrem Alter so hoch
brächte? Aber das ist noch nicht alles. Unsere Ursula
war fromm und andächtig/ und ob sie gleich auß Miß-
trauen nicht mehr/ als alle Quatember, in die Kirche
kam/ so muste doch der Mann und die Magd keine
Predigt versäumen. Und wie war es möglich/ daß sie
mit einander auß dem Hauß kommen kunten/ wäre
nicht der Brey inzwischen angebrandt? Eine für-
treffliche Haußhalterin ist sie allwege gewesen/ als die
manchmahl in der Mitternacht aufgestanden/ und
den Knecht von der Magd abgerissen hat. Und so ihr
Mann ihm selber den Bart abgeschoren/ brauchte sie
dasselbe Seiffen-Wasser zur Wäsche deß Leinen-
Zeuges. Hoffärtig war sie nicht/ dann einen Rock
trug sie 20. Jahre/ und den hatte sie so zerflicket und
zerplätzet/ daß man nicht wuste/ welcher Farbe er ge-
wesen war. Jm Sommer gieng sie Baarfuß/ und im

Win-

Deß Academiſchen
mo integerrimæ vitæ. Claß Krachbein/ wer euch was
Boͤſes nachſaget/ der luͤget es wie ein Schelm. Zwar
ihr habt die Magd wol nicht gehaſſet/ aber darum
auch eben nicht geliebet. Wann es die Mittags-Hitze
erforderte/ daß ihr euch mit ihr auf dem Feld unter
den Schatten begabet/ da laſet ihr in einem Pſalter/
und ſie bande inzwiſchen ein Blumen-Kraͤntzlein/ das
habe ich mit meinen Augen geſehen. Aber O! du nun-
mehro ſeelige Urſula/ der Himmel verſperre dir deß-
halben ja die Pforte nicht/ dann du haſt ſonſten dein
Leben und Wandel auf dieſer Welt ſo ruͤhmlich zu-
gebracht/ als eine groſſe Koͤnigin nimmermehr wird
thun koͤnnen. Saget mir/ liebe Herren und Freunde/
wo iſt eine groſſe Koͤnigin/ die alle Morgen ſo fruͤhe
wuͤrde aufſtehen/ und die Kuͤhe melcken? Die ſich mit
grober Leinen und Wolle an ihrem Leib behuͤlffe? Die
Sonntags und Wercktags gleich fleiſſig ihren Hauß-
Geſchaͤfften oblaͤge? Ja/ die es in ihrem Alter ſo hoch
braͤchte? Aber das iſt noch nicht alles. Unſere Urſula
war from̃ und andaͤchtig/ und ob ſie gleich auß Miß-
trauen nicht mehr/ als alle Quatember, in die Kirche
kam/ ſo muſte doch der Mann und die Magd keine
Predigt verſaͤumen. Und wie war es moͤglich/ daß ſie
mit einander auß dem Hauß kommen kunten/ waͤre
nicht der Brey inzwiſchen angebrandt? Eine fuͤr-
treffliche Haußhalterin iſt ſie allwege geweſen/ als die
manchmahl in der Mitternacht aufgeſtanden/ und
den Knecht von der Magd abgeriſſen hat. Und ſo ihr
Mann ihm ſelber den Bart abgeſchoren/ brauchte ſie
daſſelbe Seiffen-Waſſer zur Waͤſche deß Leinen-
Zeuges. Hoffaͤrtig war ſie nicht/ dann einen Rock
trug ſie 20. Jahre/ und den hatte ſie ſo zerflicket und
zerplaͤtzet/ daß man nicht wuſte/ welcher Farbe er ge-
weſen war. Jm Sommer gieng ſie Baarfuß/ und im

Win-
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[782/0802] Deß Academiſchen mo integerrimæ vitæ. Claß Krachbein/ wer euch was Boͤſes nachſaget/ der luͤget es wie ein Schelm. Zwar ihr habt die Magd wol nicht gehaſſet/ aber darum auch eben nicht geliebet. Wann es die Mittags-Hitze erforderte/ daß ihr euch mit ihr auf dem Feld unter den Schatten begabet/ da laſet ihr in einem Pſalter/ und ſie bande inzwiſchen ein Blumen-Kraͤntzlein/ das habe ich mit meinen Augen geſehen. Aber O! du nun- mehro ſeelige Urſula/ der Himmel verſperre dir deß- halben ja die Pforte nicht/ dann du haſt ſonſten dein Leben und Wandel auf dieſer Welt ſo ruͤhmlich zu- gebracht/ als eine groſſe Koͤnigin nimmermehr wird thun koͤnnen. Saget mir/ liebe Herren und Freunde/ wo iſt eine groſſe Koͤnigin/ die alle Morgen ſo fruͤhe wuͤrde aufſtehen/ und die Kuͤhe melcken? Die ſich mit grober Leinen und Wolle an ihrem Leib behuͤlffe? Die Sonntags und Wercktags gleich fleiſſig ihren Hauß- Geſchaͤfften oblaͤge? Ja/ die es in ihrem Alter ſo hoch braͤchte? Aber das iſt noch nicht alles. Unſere Urſula war from̃ und andaͤchtig/ und ob ſie gleich auß Miß- trauen nicht mehr/ als alle Quatember, in die Kirche kam/ ſo muſte doch der Mann und die Magd keine Predigt verſaͤumen. Und wie war es moͤglich/ daß ſie mit einander auß dem Hauß kommen kunten/ waͤre nicht der Brey inzwiſchen angebrandt? Eine fuͤr- treffliche Haußhalterin iſt ſie allwege geweſen/ als die manchmahl in der Mitternacht aufgeſtanden/ und den Knecht von der Magd abgeriſſen hat. Und ſo ihr Mann ihm ſelber den Bart abgeſchoren/ brauchte ſie daſſelbe Seiffen-Waſſer zur Waͤſche deß Leinen- Zeuges. Hoffaͤrtig war ſie nicht/ dann einen Rock trug ſie 20. Jahre/ und den hatte ſie ſo zerflicket und zerplaͤtzet/ daß man nicht wuſte/ welcher Farbe er ge- weſen war. Jm Sommer gieng ſie Baarfuß/ und im Win-

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 782. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/802>, abgerufen am 28.04.2024.