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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
Einschreibung müssen auf den Teutschen Academien die Stu-
denten entweder mit einem Handschlag/ oder mit einem Eyd/
zusagen den Gehorsam/ die Statuten und Academische Gesetze
zu halten/ jedoch wird die letztere Art nicht sonders gelobet/ weil
ein rechtschaffener Kerl/ wann er dem Eyd ein Gnügen thun
wil/ leicht kan zum Bernheuter werden. Dann/ wann er von ei-
nem andern angegriffen/ oder außgescholten/ und außgefodert
wird/ darff er nicht erscheinen/ das ist gar wider die Kleider-
Ordnung. Wann endlich die Studenten auf Universitäten
leben/ so müssen sie nicht fressen und sauffen/ stutzen und bravi-
ren/ Gassen tretten/ und sich balgen/ sondern sie müssen in der
That erweisen/ daß sie Studentes oder Studenten sind/ indem sie
fleissig über den Büchern ligen/ und das ohne List/ und nicht/ wie
ein gewisser Studiosus zu Marburg/ welcher sonsten stäts im
Sauß und Schmauß lebete/ als er nun erfuhr/ daß ihn sein Vat-
ter/ der Herr Land-Zollschliesser/ vom Land einmahl heimsuchen
würde/ da erkundigte er sich der Zeit gar eigentlich/ risse alle sei-
ne Bücher auß dem Staub herfur/ legete sie um sich her/ setzete
sich/ mit etwa 30. Folianten in einen grossen Korb/ und stellete
sich/ als wan er das Eingewäyde auß dem Leib herauß studiren
wolte. Endlich klopffete Jemand vor der Thür/ er saß stille;
Es ward wieder geklopffet! Er rieff: Jch spreche heut Nie-
mand. Man klopffete zum dritten mahl! Die Antwort war:
Du unverschämter Gast merckest ja wol/ daß ich jetzo nicht ab-
kommen kan/ darum störe mich doch nicht weiter in meinem
Concept. Der Vatter hatte einen sonderbaren Gefallen an dem
grossen Fleiß seines Sohns/ ließ demnach seine persönliche Stimme
hören/ und sprach: Mein lieber Sohn Henrich/ ich bin es selber/
mache jetzt nur auf/ und studire ein ander mahl desto mehr.
Monsr. Henrich sprang darauf auß dem Korb/ ob er gleich ei-
nen krummen Fuß hatte/ machte die Thüre auf/ und bathe den
Vatter um Verzeyhung/ daß er ihn nicht alsobald hätte einge-
lassen. Dieser hingegen hatte seine sonderbare Freude an den
vielen Büchern/ die in- und neben dem Korb lagen/ lobete den
Sohn/ und räysete wolgemuth wieder seines Weges. Also sollen
es die Srudenten nicht machen/ wann sie nicht sich selber und ih-
re Eltern ums Geld bringen wollen. Dann/ so sie nicht fleissig
studiren und Collegia halten/ so lernen sie nichts Rechtschaffe-
nes/ daß sie hernach entweder ihre Profession gar fahren lassen/
oder ein Dorff-Schulmeister/ oder ein Stadtschreiber/ oder/
wann sie es hoch bringen/ ein ungelehrter Dorff-Priester können

werden.

Romans II. Buch.
Einſchreibung muͤſſen auf den Teutſchen Academien die Stu-
denten entweder mit einem Handſchlag/ oder mit einem Eyd/
zuſagen den Gehorſam/ die Statuten und Academiſche Geſetze
zu halten/ jedoch wird die letztere Art nicht ſonders gelobet/ weil
ein rechtſchaffener Kerl/ wann er dem Eyd ein Gnuͤgen thun
wil/ leicht kan zum Bernheuter werden. Dann/ wann er von ei-
nem andern angegriffen/ oder außgeſcholten/ und außgefodert
wird/ darff er nicht erſcheinen/ das iſt gar wider die Kleider-
Ordnung. Wann endlich die Studenten auf Univerſitaͤten
leben/ ſo muͤſſen ſie nicht freſſen und ſauffen/ ſtutzen und bravi-
ren/ Gaſſen tretten/ und ſich balgen/ ſondern ſie muͤſſen in der
That erweiſen/ daß ſie Studentes oder Studenten ſind/ indem ſie
fleiſſig uͤber den Buͤchern ligen/ und das ohne Liſt/ und nicht/ wie
ein gewiſſer Studioſus zu Marburg/ welcher ſonſten ſtaͤts im
Sauß und Schmauß lebete/ als er nun erfuhr/ daß ihn ſein Vat-
ter/ der Herꝛ Land-Zollſchlieſſer/ vom Land einmahl heimſuchen
wuͤrde/ da erkundigte er ſich der Zeit gar eigentlich/ riſſe alle ſei-
ne Buͤcher auß dem Staub herfur/ legete ſie um ſich her/ ſetzete
ſich/ mit etwa 30. Folianten in einen groſſen Korb/ und ſtellete
ſich/ als wan er das Eingewaͤyde auß dem Leib herauß ſtudiren
wolte. Endlich klopffete Jemand vor der Thuͤr/ er ſaß ſtille;
Es ward wieder geklopffet! Er rieff: Jch ſpreche heut Nie-
mand. Man klopffete zum dritten mahl! Die Antwort war:
Du unverſchaͤmter Gaſt merckeſt ja wol/ daß ich jetzo nicht ab-
kommen kan/ darum ſtoͤre mich doch nicht weiter in meinem
Concept. Der Vatter hatte einen ſonderbaren Gefallen an dem
groſſen Fleiß ſeines Sohns/ ließ demnach ſeine perſoͤnliche Stim̃e
hoͤren/ und ſprach: Mein lieber Sohn Henrich/ ich bin es ſelber/
mache jetzt nur auf/ und ſtudire ein ander mahl deſto mehr.
Monſr. Henrich ſprang darauf auß dem Korb/ ob er gleich ei-
nen krummen Fuß hatte/ machte die Thuͤre auf/ und bathe den
Vatter um Verzeyhung/ daß er ihn nicht alſobald haͤtte einge-
laſſen. Dieſer hingegen hatte ſeine ſonderbare Freude an den
vielen Buͤchern/ die in- und neben dem Korb lagen/ lobete den
Sohn/ und raͤyſete wolgemuth wieder ſeines Weges. Alſo ſollen
es die Sꝛudenten nicht machen/ wann ſie nicht ſich ſelber und ih-
re Eltern ums Geld bringen wollen. Dann/ ſo ſie nicht fleiſſig
ſtudiren und Collegia halten/ ſo lernen ſie nichts Rechtſchaffe-
nes/ daß ſie hernach entweder ihre Profeſſion gar fahren laſſen/
oder ein Dorff-Schulmeiſter/ oder ein Stadtſchreiber/ oder/
wann ſie es hoch bringen/ ein ungelehrter Dorff-Prieſter koͤnnen

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[861/0881] Romans II. Buch. Einſchreibung muͤſſen auf den Teutſchen Academien die Stu- denten entweder mit einem Handſchlag/ oder mit einem Eyd/ zuſagen den Gehorſam/ die Statuten und Academiſche Geſetze zu halten/ jedoch wird die letztere Art nicht ſonders gelobet/ weil ein rechtſchaffener Kerl/ wann er dem Eyd ein Gnuͤgen thun wil/ leicht kan zum Bernheuter werden. Dann/ wann er von ei- nem andern angegriffen/ oder außgeſcholten/ und außgefodert wird/ darff er nicht erſcheinen/ das iſt gar wider die Kleider- Ordnung. Wann endlich die Studenten auf Univerſitaͤten leben/ ſo muͤſſen ſie nicht freſſen und ſauffen/ ſtutzen und bravi- ren/ Gaſſen tretten/ und ſich balgen/ ſondern ſie muͤſſen in der That erweiſen/ daß ſie Studentes oder Studenten ſind/ indem ſie fleiſſig uͤber den Buͤchern ligen/ und das ohne Liſt/ und nicht/ wie ein gewiſſer Studioſus zu Marburg/ welcher ſonſten ſtaͤts im Sauß und Schmauß lebete/ als er nun erfuhr/ daß ihn ſein Vat- ter/ der Herꝛ Land-Zollſchlieſſer/ vom Land einmahl heimſuchen wuͤrde/ da erkundigte er ſich der Zeit gar eigentlich/ riſſe alle ſei- ne Buͤcher auß dem Staub herfur/ legete ſie um ſich her/ ſetzete ſich/ mit etwa 30. Folianten in einen groſſen Korb/ und ſtellete ſich/ als wan er das Eingewaͤyde auß dem Leib herauß ſtudiren wolte. Endlich klopffete Jemand vor der Thuͤr/ er ſaß ſtille; Es ward wieder geklopffet! Er rieff: Jch ſpreche heut Nie- mand. Man klopffete zum dritten mahl! Die Antwort war: Du unverſchaͤmter Gaſt merckeſt ja wol/ daß ich jetzo nicht ab- kommen kan/ darum ſtoͤre mich doch nicht weiter in meinem Concept. Der Vatter hatte einen ſonderbaren Gefallen an dem groſſen Fleiß ſeines Sohns/ ließ demnach ſeine perſoͤnliche Stim̃e hoͤren/ und ſprach: Mein lieber Sohn Henrich/ ich bin es ſelber/ mache jetzt nur auf/ und ſtudire ein ander mahl deſto mehr. Monſr. Henrich ſprang darauf auß dem Korb/ ob er gleich ei- nen krummen Fuß hatte/ machte die Thuͤre auf/ und bathe den Vatter um Verzeyhung/ daß er ihn nicht alſobald haͤtte einge- laſſen. Dieſer hingegen hatte ſeine ſonderbare Freude an den vielen Buͤchern/ die in- und neben dem Korb lagen/ lobete den Sohn/ und raͤyſete wolgemuth wieder ſeines Weges. Alſo ſollen es die Sꝛudenten nicht machen/ wann ſie nicht ſich ſelber und ih- re Eltern ums Geld bringen wollen. Dann/ ſo ſie nicht fleiſſig ſtudiren und Collegia halten/ ſo lernen ſie nichts Rechtſchaffe- nes/ daß ſie hernach entweder ihre Profeſſion gar fahren laſſen/ oder ein Dorff-Schulmeiſter/ oder ein Stadtſchreiber/ oder/ wann ſie es hoch bringen/ ein ungelehrter Dorff-Prieſter koͤnnen werden.

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 861. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/881>, abgerufen am 18.05.2024.