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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.

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Die sechste Stund.
aber solches nicht dergestalt mißbrauchet werden/
daß man ein gantzes Gedicht/ fast von Wort zu
Wort/ übersetzet/ und für das Seine dargiebet/
welches bey denen/ so es in einer andern Sprache
auch gelesen/ nicht verantwortlich ist: Man kan
aber wol darzuschreiben: aus dem Lateinischen/
fast aus dem Frantzösischen oder Spani-
schen etc.
Dergleichen hat das Lob einer guten
Ubersetzung/ wann es so wol klingt/ daß man nicht
einmal abmerken kan/ daß es in einer andern
Sprache ursprünglich geschrieben worden.

4. Die besten Erfindungen sind diese/ welche/
zu ihrem Absehen/ also füglich sind/ daß sie son-
sten zu nichts anders dienen können. Wie zu der-
gleichen zu gelangen/ ist mit wenigem in der er-
sten Stund angewiesen worden. Unter allen
Erfindungen sind die Lehrgedichte mehrmals die
artigsten/ wie in den Sontagsandachten ersten
und andern Theil derselben Exempel häuffig zu
sehen. Wir wollen aber hier ein Exempel aus dem
VIII Theil vnsers Schauplatzes Jämmerlicher
Mordgeschichte anführen.

Lehrgedicht von der Menschen Unart.
Der Mensch/ der Pilgermann/ auf dieses Lebens
Wege
begegnet manchem Thier'/ auf jenem schmalen
Stege/
die
G ij

Die ſechſte Stund.
aber ſolches nicht dergeſtalt mißbrauchet werdẽ/
daß man ein gantzes Gedicht/ faſt von Wort zu
Wort/ uͤberſetzet/ und fuͤr das Seine dargiebet/
welches bey denen/ ſo es in einer andern Sprache
auch geleſen/ nicht verantwortlich iſt: Man kan
aber wol darzuſchreibẽ: aus dem Lateiniſchen/
faſt aus dem Frantzoͤſiſchen oder Spani-
ſchen ꝛc.
Dergleichen hat das Lob einer guten
Uberſetzung/ wañ es ſo wol klingt/ daß man nicht
einmal abmerken kan/ daß es in einer andern
Sprache urſpruͤnglich geſchrieben worden.

4. Die beſten Erfindungen ſind dieſe/ welche/
zu ihrem Abſehen/ alſo fuͤglich ſind/ daß ſie ſon-
ſten zu nichts anders dienen koͤnnen. Wie zu der-
gleichen zu gelangen/ iſt mit wenigem in der er-
ſten Stund angewieſen worden. Unter allen
Erfindungen ſind die Lehrgedichte mehrmals die
artigſten/ wie in den Sontagsandachten erſten
und andern Theil derſelben Exempel haͤuffig zu
ſehen. Wir wollen aber hier ein Exempel aus dem
VIII Theil vnſers Schauplatzes Jaͤmmerlicher
Mordgeſchichte anfuͤhren.

Lehrgedicht von der Menſchen Unart.
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Wege
begegnet manchem Thier’/ auf jenem ſchmalen
Stege/
die
G ij
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[103[99]/0117] Die ſechſte Stund. aber ſolches nicht dergeſtalt mißbrauchet werdẽ/ daß man ein gantzes Gedicht/ faſt von Wort zu Wort/ uͤberſetzet/ und fuͤr das Seine dargiebet/ welches bey denen/ ſo es in einer andern Sprache auch geleſen/ nicht verantwortlich iſt: Man kan aber wol darzuſchreibẽ: aus dem Lateiniſchen/ faſt aus dem Frantzoͤſiſchen oder Spani- ſchen ꝛc. Dergleichen hat das Lob einer guten Uberſetzung/ wañ es ſo wol klingt/ daß man nicht einmal abmerken kan/ daß es in einer andern Sprache urſpruͤnglich geſchrieben worden. 4. Die beſten Erfindungen ſind dieſe/ welche/ zu ihrem Abſehen/ alſo fuͤglich ſind/ daß ſie ſon- ſten zu nichts anders dienen koͤnnen. Wie zu der- gleichen zu gelangen/ iſt mit wenigem in der er- ſten Stund angewieſen worden. Unter allen Erfindungen ſind die Lehrgedichte mehrmals die artigſten/ wie in den Sontagsandachten erſten und andern Theil derſelben Exempel haͤuffig zu ſehen. Wir wollen aber hier ein Exempel aus dem VIII Theil vnſers Schauplatzes Jaͤmmerlicher Mordgeſchichte anfuͤhren. Lehrgedicht von der Menſchen Unart. Der Menſch/ der Pilgermann/ auf dieſes Lebens Wege begegnet manchem Thier’/ auf jenem ſchmalen Stege/ die G ij

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. 103[99]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/117>, abgerufen am 29.04.2024.