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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

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Vorrede.
liebter unreinen Gedanken auch in dem
Schlaf schwerlich erwehren kan. Ob
nun wol in dergleichen bösen Büchern
auch gute und schöne Wort zu finden/ so
ist doch gewißlich darunter tödlicher
Schlangen-Gifft verborgen/ und möch-
te man von solchen mit dem weisen Mann
sagen:
* Wann ein Schlangen-Beschwerer ge-
bissen wird/ das jammert niemand als wenig/ als
wann einer mit wilden Thieren ümgehet/ und von
ihnen zerrissen wird.

5. Es ist die edle Poeterey eine Jungfrau/
die ihr lange Zeit aufwarten lässet/ und
nicht sonder grosse Mühe/ benebens zu-
vor besagter Fähigkeit und Belieben/
zu erwerben. Welcher ihr etwan sechs
Stunden Gesellschaft geleistet/ hat viel-
leicht einen Zutritt erlangt/ aber ihre Tu-
gend noch lang nicht erkennen lernen/ und
muß er zuvor nicht mit geringer Wissen-
schaft ausgezieret seyn/ wann er dieses
Orts Ehre einlegen will. Wer sich be-
gnügen lässet diese Schöne von ferne zu
grüssen/ dem wird sie auch von ferne dan-
ken; wer aber ihre mehrere Kundschaft
verlangt/ muß seine beständige Liebe

durch
* Sirach. 12. v. 13.

Vorrede.
liebter unreinen Gedanken auch in dem
Schlaf ſchwerlich erwehren kan. Ob
nun wol in dergleichen boͤſen Buͤchern
auch gute und ſchoͤne Wort zu finden/ ſo
iſt doch gewißlich darunter toͤdlicher
Schlangen-Gifft verborgen/ und moͤch-
te man von ſolchen mit dem weiſen Mann
ſagen:
* Wann ein Schlangen-Beſchwerer ge-
biſſen wird/ das jammert niemand als wenig/ als
wann einer mit wilden Thieren uͤmgehet/ und von
ihnen zerriſſen wird.

5. Es iſt die edle Poeterey eine Jungfrau/
die ihr lange Zeit aufwarten laͤſſet/ und
nicht ſonder groſſe Muͤhe/ benebens zu-
vor beſagter Faͤhigkeit und Belieben/
zu erwerben. Welcher ihr etwan ſechs
Stunden Geſellſchaft geleiſtet/ hat viel-
leicht einen Zutritt erlangt/ aber ihre Tu-
gend noch lang nicht erkennen lernen/ und
muß er zuvor nicht mit geringer Wiſſen-
ſchaft ausgezieret ſeyn/ wann er dieſes
Orts Ehre einlegen will. Wer ſich be-
gnuͤgen laͤſſet dieſe Schoͤne von ferne zu
gruͤſſen/ dem wird ſie auch von ferne dan-
ken; wer aber ihre mehrere Kundſchaft
verlangt/ muß ſeine beſtaͤndige Liebe

durch
* Sirach. 12. v. 13.
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[0011] Vorrede. liebter unreinen Gedanken auch in dem Schlaf ſchwerlich erwehren kan. Ob nun wol in dergleichen boͤſen Buͤchern auch gute und ſchoͤne Wort zu finden/ ſo iſt doch gewißlich darunter toͤdlicher Schlangen-Gifft verborgen/ und moͤch- te man von ſolchen mit dem weiſen Mann ſagen: * Wann ein Schlangen-Beſchwerer ge- biſſen wird/ das jammert niemand als wenig/ als wann einer mit wilden Thieren uͤmgehet/ und von ihnen zerriſſen wird. 5. Es iſt die edle Poeterey eine Jungfrau/ die ihr lange Zeit aufwarten laͤſſet/ und nicht ſonder groſſe Muͤhe/ benebens zu- vor beſagter Faͤhigkeit und Belieben/ zu erwerben. Welcher ihr etwan ſechs Stunden Geſellſchaft geleiſtet/ hat viel- leicht einen Zutritt erlangt/ aber ihre Tu- gend noch lang nicht erkennen lernen/ und muß er zuvor nicht mit geringer Wiſſen- ſchaft ausgezieret ſeyn/ wann er dieſes Orts Ehre einlegen will. Wer ſich be- gnuͤgen laͤſſet dieſe Schoͤne von ferne zu gruͤſſen/ dem wird ſie auch von ferne dan- ken; wer aber ihre mehrere Kundſchaft verlangt/ muß ſeine beſtaͤndige Liebe durch * Sirach. 12. v. 13.

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/11>, abgerufen am 27.04.2024.