Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

sich seine Mundwinkel zu einem kläglichem
Lächeln verzogen. Der Wärter half ihm so¬
gleich beim Anziehen der wenigen Kleidungs¬
stücke, wobei plötzlich etwas wie ein Schatten
durch seine Mienen lief, als er bemerkte, daß
sich auf der rechten, ein wenig angeschwollenen
Backe einige Fingerspuren weiß in rot ab¬
zeichneten.

Als Lene beim Frühstück mit vergrößertem
Eifer auf vorberegte Wirtschaftsangelegenheit
zurückkam, schnitt er ihr das Wort ab mit der
Nachricht, daß ihm der Bahnmeister ein Stück
Land längs des Bahndammes in unmittelbarer
Nähe des Wärterhauses umsonst überlassen habe,
angeblich weil es ihm, dem Bahnmeister, zu
abgelegen sei.

Lene wollte das anfänglich nicht glauben,
nach und nach wichen jedoch ihre Zweifel, und
nun geriet sie in merklich gute Laune. Ihre
Fragen nach Größe und Güte des Ackers, so¬
wie andre mehr verschlangen sich förmlich, und
als sie erfuhr, daß bei alledem noch zwei
Zwergobstbäume darauf stünden, wurde sie rein
närrisch. Als nichts mehr zu erfragen übrig
blieb, zudem die Thürglocke des Krämers, die
man, beiläufig gesagt, in jedem einzelnen Hause

ſich ſeine Mundwinkel zu einem kläglichem
Lächeln verzogen. Der Wärter half ihm ſo¬
gleich beim Anziehen der wenigen Kleidungs¬
ſtücke, wobei plötzlich etwas wie ein Schatten
durch ſeine Mienen lief, als er bemerkte, daß
ſich auf der rechten, ein wenig angeſchwollenen
Backe einige Fingerſpuren weiß in rot ab¬
zeichneten.

Als Lene beim Frühſtück mit vergrößertem
Eifer auf vorberegte Wirtſchaftsangelegenheit
zurückkam, ſchnitt er ihr das Wort ab mit der
Nachricht, daß ihm der Bahnmeiſter ein Stück
Land längs des Bahndammes in unmittelbarer
Nähe des Wärterhauſes umſonſt überlaſſen habe,
angeblich weil es ihm, dem Bahnmeiſter, zu
abgelegen ſei.

Lene wollte das anfänglich nicht glauben,
nach und nach wichen jedoch ihre Zweifel, und
nun geriet ſie in merklich gute Laune. Ihre
Fragen nach Größe und Güte des Ackers, ſo¬
wie andre mehr verſchlangen ſich förmlich, und
als ſie erfuhr, daß bei alledem noch zwei
Zwergobſtbäume darauf ſtünden, wurde ſie rein
närriſch. Als nichts mehr zu erfragen übrig
blieb, zudem die Thürglocke des Krämers, die
man, beiläufig geſagt, in jedem einzelnen Hauſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="13"/>
&#x017F;ich &#x017F;eine Mundwinkel zu einem kläglichem<lb/>
Lächeln verzogen. Der Wärter half ihm &#x017F;o¬<lb/>
gleich beim Anziehen der wenigen Kleidungs¬<lb/>
&#x017F;tücke, wobei plötzlich etwas wie ein Schatten<lb/>
durch &#x017F;eine Mienen lief, als er bemerkte, daß<lb/>
&#x017F;ich auf der rechten, ein wenig ange&#x017F;chwollenen<lb/>
Backe einige Finger&#x017F;puren weiß in rot ab¬<lb/>
zeichneten.</p><lb/>
          <p>Als Lene beim Früh&#x017F;tück mit vergrößertem<lb/>
Eifer auf vorberegte Wirt&#x017F;chaftsangelegenheit<lb/>
zurückkam, &#x017F;chnitt er ihr das Wort ab mit der<lb/>
Nachricht, daß ihm der Bahnmei&#x017F;ter ein Stück<lb/>
Land längs des Bahndammes in unmittelbarer<lb/>
Nähe des Wärterhau&#x017F;es um&#x017F;on&#x017F;t überla&#x017F;&#x017F;en habe,<lb/>
angeblich weil es ihm, dem Bahnmei&#x017F;ter, zu<lb/>
abgelegen &#x017F;ei.</p><lb/>
          <p>Lene wollte das anfänglich nicht glauben,<lb/>
nach und nach wichen jedoch ihre Zweifel, und<lb/>
nun geriet &#x017F;ie in merklich gute Laune. Ihre<lb/>
Fragen nach Größe und Güte des Ackers, &#x017F;o¬<lb/>
wie andre mehr ver&#x017F;chlangen &#x017F;ich förmlich, und<lb/>
als &#x017F;ie erfuhr, daß bei alledem noch zwei<lb/>
Zwergob&#x017F;tbäume darauf &#x017F;tünden, wurde &#x017F;ie rein<lb/>
närri&#x017F;ch. Als nichts mehr zu erfragen übrig<lb/>
blieb, zudem die Thürglocke des Krämers, die<lb/>
man, beiläufig ge&#x017F;agt, in jedem einzelnen Hau&#x017F;e<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0025] ſich ſeine Mundwinkel zu einem kläglichem Lächeln verzogen. Der Wärter half ihm ſo¬ gleich beim Anziehen der wenigen Kleidungs¬ ſtücke, wobei plötzlich etwas wie ein Schatten durch ſeine Mienen lief, als er bemerkte, daß ſich auf der rechten, ein wenig angeſchwollenen Backe einige Fingerſpuren weiß in rot ab¬ zeichneten. Als Lene beim Frühſtück mit vergrößertem Eifer auf vorberegte Wirtſchaftsangelegenheit zurückkam, ſchnitt er ihr das Wort ab mit der Nachricht, daß ihm der Bahnmeiſter ein Stück Land längs des Bahndammes in unmittelbarer Nähe des Wärterhauſes umſonſt überlaſſen habe, angeblich weil es ihm, dem Bahnmeiſter, zu abgelegen ſei. Lene wollte das anfänglich nicht glauben, nach und nach wichen jedoch ihre Zweifel, und nun geriet ſie in merklich gute Laune. Ihre Fragen nach Größe und Güte des Ackers, ſo¬ wie andre mehr verſchlangen ſich förmlich, und als ſie erfuhr, daß bei alledem noch zwei Zwergobſtbäume darauf ſtünden, wurde ſie rein närriſch. Als nichts mehr zu erfragen übrig blieb, zudem die Thürglocke des Krämers, die man, beiläufig geſagt, in jedem einzelnen Hauſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/25
Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/25>, abgerufen am 27.04.2024.