Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

sieht man schon an der Verschiedenheit ihres Gewebes in der freyen Luft, an Fensterscheiben, in den Winkeln, auf den Feldern, da und dort. Manche spinnen gar nicht, sondern springen nach ihrer Beute. Im Frühjahr und noch vielmehr im trockenen warmen Nach-Sommer sieht man oft gar viele weisse Fäden in der Luft herum fliegen. Alle Bäume hängen manchmal voll, und die Hüte der Wanderer auf der Straße werden davon überzogen. Man konnte lange nicht errathen, wo diese Fäden und Flocken herkommen, und machte sich allerley wunderliche Vorstellungen davon. Jetzt weiß man gewiß, daß es lauter Gespinnst ist von unzählig viel kleinen schwarzen Spinnen, welche deßwegen die Spinnen des fliegenden Sommers genennt werden. Da sieht man wieder, wie viel auch durch kleine Kräfte kann ausgerichtet werden, wenn nur viele das nemliche thun. -

Aber eine gefürchtete Spinne lebt in dem untersten heissen Italien. Sie ist unter dem Namen Tarantel bekannt. Diese soll wohl die Menschen beissen und durch den giftigen Biß krank und schwermüthig machen. Ein Mittel dagegen soll ein gewisser Tanz seyn, die Tarantata genannt. Wenn die Kranken die Musik dazu hören, so fangen sie an zu tanzen, bis sie vor Müdigkeit umfallen, und sind alsdann genesen. Es liesse sich wohl begreifen, daß durch die heftige Bewegung das Gift aus dem Körper herausgetrieben werde. Allein es ist doch, wie man für gewiß weiß, viel Einbildung und Uebertreibung dabey, und wohl auch Betrug.

Ein anderes merkwürdiges Thier dieser Art lebt in einer Gegend von Amerika und heißt Buschspinne.

sieht man schon an der Verschiedenheit ihres Gewebes in der freyen Luft, an Fensterscheiben, in den Winkeln, auf den Feldern, da und dort. Manche spinnen gar nicht, sondern springen nach ihrer Beute. Im Frühjahr und noch vielmehr im trockenen warmen Nach-Sommer sieht man oft gar viele weisse Fäden in der Luft herum fliegen. Alle Bäume hängen manchmal voll, und die Hüte der Wanderer auf der Straße werden davon überzogen. Man konnte lange nicht errathen, wo diese Fäden und Flocken herkommen, und machte sich allerley wunderliche Vorstellungen davon. Jetzt weiß man gewiß, daß es lauter Gespinnst ist von unzählig viel kleinen schwarzen Spinnen, welche deßwegen die Spinnen des fliegenden Sommers genennt werden. Da sieht man wieder, wie viel auch durch kleine Kräfte kann ausgerichtet werden, wenn nur viele das nemliche thun. –

Aber eine gefürchtete Spinne lebt in dem untersten heissen Italien. Sie ist unter dem Namen Tarantel bekannt. Diese soll wohl die Menschen beissen und durch den giftigen Biß krank und schwermüthig machen. Ein Mittel dagegen soll ein gewisser Tanz seyn, die Tarantata genannt. Wenn die Kranken die Musik dazu hören, so fangen sie an zu tanzen, bis sie vor Müdigkeit umfallen, und sind alsdann genesen. Es liesse sich wohl begreifen, daß durch die heftige Bewegung das Gift aus dem Körper herausgetrieben werde. Allein es ist doch, wie man für gewiß weiß, viel Einbildung und Uebertreibung dabey, und wohl auch Betrug.

Ein anderes merkwürdiges Thier dieser Art lebt in einer Gegend von Amerika und heißt Buschspinne.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0100" n="92"/>
sieht man schon an der Verschiedenheit ihres Gewebes in der freyen Luft, an Fensterscheiben, in den Winkeln, auf den Feldern, da und dort. Manche spinnen gar nicht, sondern springen nach ihrer Beute. Im Frühjahr und noch vielmehr im trockenen warmen Nach-Sommer sieht man oft gar viele weisse Fäden in der Luft herum fliegen. Alle Bäume hängen manchmal voll, und die Hüte der Wanderer auf der Straße werden davon überzogen. Man konnte lange nicht errathen, wo diese Fäden und Flocken herkommen, und machte sich allerley wunderliche Vorstellungen davon. Jetzt weiß man gewiß, daß es lauter Gespinnst ist von unzählig viel kleinen schwarzen Spinnen, welche deßwegen die Spinnen des fliegenden Sommers genennt werden. Da sieht man wieder, wie viel auch durch kleine Kräfte kann ausgerichtet werden, wenn nur viele das nemliche thun. &#x2013;</p>
          <p>Aber eine gefürchtete Spinne lebt in dem untersten heissen Italien. Sie ist unter dem Namen <hi rendition="#g">Tarantel</hi> bekannt. Diese soll wohl die Menschen beissen und durch den giftigen Biß krank und schwermüthig machen. Ein Mittel dagegen soll ein gewisser Tanz seyn, die Tarantata genannt. Wenn die Kranken die Musik dazu hören, so fangen sie an zu tanzen, bis sie vor Müdigkeit umfallen, und sind alsdann genesen. Es liesse sich wohl begreifen, daß durch die heftige Bewegung das Gift aus dem Körper herausgetrieben werde. Allein es ist doch, wie man für gewiß weiß, viel Einbildung und Uebertreibung dabey, und wohl auch Betrug.</p>
          <p>Ein anderes merkwürdiges Thier dieser Art lebt in einer Gegend von Amerika und heißt <hi rendition="#g">Buschspinne</hi>.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0100] sieht man schon an der Verschiedenheit ihres Gewebes in der freyen Luft, an Fensterscheiben, in den Winkeln, auf den Feldern, da und dort. Manche spinnen gar nicht, sondern springen nach ihrer Beute. Im Frühjahr und noch vielmehr im trockenen warmen Nach-Sommer sieht man oft gar viele weisse Fäden in der Luft herum fliegen. Alle Bäume hängen manchmal voll, und die Hüte der Wanderer auf der Straße werden davon überzogen. Man konnte lange nicht errathen, wo diese Fäden und Flocken herkommen, und machte sich allerley wunderliche Vorstellungen davon. Jetzt weiß man gewiß, daß es lauter Gespinnst ist von unzählig viel kleinen schwarzen Spinnen, welche deßwegen die Spinnen des fliegenden Sommers genennt werden. Da sieht man wieder, wie viel auch durch kleine Kräfte kann ausgerichtet werden, wenn nur viele das nemliche thun. – Aber eine gefürchtete Spinne lebt in dem untersten heissen Italien. Sie ist unter dem Namen Tarantel bekannt. Diese soll wohl die Menschen beissen und durch den giftigen Biß krank und schwermüthig machen. Ein Mittel dagegen soll ein gewisser Tanz seyn, die Tarantata genannt. Wenn die Kranken die Musik dazu hören, so fangen sie an zu tanzen, bis sie vor Müdigkeit umfallen, und sind alsdann genesen. Es liesse sich wohl begreifen, daß durch die heftige Bewegung das Gift aus dem Körper herausgetrieben werde. Allein es ist doch, wie man für gewiß weiß, viel Einbildung und Uebertreibung dabey, und wohl auch Betrug. Ein anderes merkwürdiges Thier dieser Art lebt in einer Gegend von Amerika und heißt Buschspinne.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-12-03T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-12-03T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-12-03T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/100
Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/100>, abgerufen am 29.04.2024.