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Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811.

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zugegen, denen es nicht auf einen Gang und auf ein paar Stunden ankam, ihren geliebten König und seine Familie froh und glücklich zu sehen. Man aß und trank, man spielte und tanzte; man gieng spazieren in den schönen Gängen und zwischen dem duftenden Rosengebüsch paarweise und allein wie es sich traf. Da stellte sich ein Mensch, wohl gekleidet, als wenn er auch dazugehörte, mit einer Pistole unter dem Rock, in einer abgelegenen Gegend an einen Baum, wo der Garten an den Wald gränzt, dachte es wird schon jemand kommen. Wie gesagt, so geschehen, kommt ein Herr mit funkelndem Fingerring, mit klingenden Uhrenketten, mit diamantnen Schnallen, mit breitem Ordens-Band und goldnem Stern, will spatzieren gehn im kühlem Schatten, und denkt an nichts. Indem er an nichts denkt, kommt der Geselle hinter dem Baum hervor, macht dem guten Herrn ein bescheidenes Compliment, zieht die Pistole zwischen dem Rock und Camisol heraus, richtet ihre Mündung auf des Herrn Brust, und bittet ihn höflich, keinen Lärm zu machen, es brauche niemand zu wissen, was sie miteinander zu reden haben. Man muß übel dran seyn, wenn man vor einer Pistole steht, weil man nicht weiß, was drin steckt. Der Herr dachte vernünftig: "der Leib ist kostbarer als das Geld: lieber den Ring verloren, als den Finger; und versprach zu schweigen." Gnädiger Herr, fuhr jezt der Geselle fort: "Wären euch eure zwey goldenen Uhren nicht feil für gute Bezahlung? Unser Schulmeister richtet die Uhr alle Tage anders, man weiß nie wie man dran ist, und an der Sonnenuhr sind die Zahlen verwischt." Will der reiche Herr wohl oder übel, so muß er dem Halunken die Uhren verkaufen für ein paar Stüber oder

zugegen, denen es nicht auf einen Gang und auf ein paar Stunden ankam, ihren geliebten König und seine Familie froh und glücklich zu sehen. Man aß und trank, man spielte und tanzte; man gieng spazieren in den schönen Gängen und zwischen dem duftenden Rosengebüsch paarweise und allein wie es sich traf. Da stellte sich ein Mensch, wohl gekleidet, als wenn er auch dazugehörte, mit einer Pistole unter dem Rock, in einer abgelegenen Gegend an einen Baum, wo der Garten an den Wald gränzt, dachte es wird schon jemand kommen. Wie gesagt, so geschehen, kommt ein Herr mit funkelndem Fingerring, mit klingenden Uhrenketten, mit diamantnen Schnallen, mit breitem Ordens-Band und goldnem Stern, will spatzieren gehn im kühlem Schatten, und denkt an nichts. Indem er an nichts denkt, kommt der Geselle hinter dem Baum hervor, macht dem guten Herrn ein bescheidenes Compliment, zieht die Pistole zwischen dem Rock und Camisol heraus, richtet ihre Mündung auf des Herrn Brust, und bittet ihn höflich, keinen Lärm zu machen, es brauche niemand zu wissen, was sie miteinander zu reden haben. Man muß übel dran seyn, wenn man vor einer Pistole steht, weil man nicht weiß, was drin steckt. Der Herr dachte vernünftig: „der Leib ist kostbarer als das Geld: lieber den Ring verloren, als den Finger; und versprach zu schweigen.“ Gnädiger Herr, fuhr jezt der Geselle fort: „Wären euch eure zwey goldenen Uhren nicht feil für gute Bezahlung? Unser Schulmeister richtet die Uhr alle Tage anders, man weiß nie wie man dran ist, und an der Sonnenuhr sind die Zahlen verwischt.“ Will der reiche Herr wohl oder übel, so muß er dem Halunken die Uhren verkaufen für ein paar Stüber oder

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[203/0211] zugegen, denen es nicht auf einen Gang und auf ein paar Stunden ankam, ihren geliebten König und seine Familie froh und glücklich zu sehen. Man aß und trank, man spielte und tanzte; man gieng spazieren in den schönen Gängen und zwischen dem duftenden Rosengebüsch paarweise und allein wie es sich traf. Da stellte sich ein Mensch, wohl gekleidet, als wenn er auch dazugehörte, mit einer Pistole unter dem Rock, in einer abgelegenen Gegend an einen Baum, wo der Garten an den Wald gränzt, dachte es wird schon jemand kommen. Wie gesagt, so geschehen, kommt ein Herr mit funkelndem Fingerring, mit klingenden Uhrenketten, mit diamantnen Schnallen, mit breitem Ordens-Band und goldnem Stern, will spatzieren gehn im kühlem Schatten, und denkt an nichts. Indem er an nichts denkt, kommt der Geselle hinter dem Baum hervor, macht dem guten Herrn ein bescheidenes Compliment, zieht die Pistole zwischen dem Rock und Camisol heraus, richtet ihre Mündung auf des Herrn Brust, und bittet ihn höflich, keinen Lärm zu machen, es brauche niemand zu wissen, was sie miteinander zu reden haben. Man muß übel dran seyn, wenn man vor einer Pistole steht, weil man nicht weiß, was drin steckt. Der Herr dachte vernünftig: „der Leib ist kostbarer als das Geld: lieber den Ring verloren, als den Finger; und versprach zu schweigen.“ Gnädiger Herr, fuhr jezt der Geselle fort: „Wären euch eure zwey goldenen Uhren nicht feil für gute Bezahlung? Unser Schulmeister richtet die Uhr alle Tage anders, man weiß nie wie man dran ist, und an der Sonnenuhr sind die Zahlen verwischt.“ Will der reiche Herr wohl oder übel, so muß er dem Halunken die Uhren verkaufen für ein paar Stüber oder

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Zitationshilfe: Hebel, Johann Peter: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen, 1811, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebel_schatzkaestlein_1811/211>, abgerufen am 29.04.2024.