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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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in Absicht der Arten und Stufen der Bestrafung, zu helfen wissen.
a) Die Hauptkunst besteht darin, daß der Lehrer Vergehungen zu
verhüten wisse. Es ist höchst unrecht, wenn Lehrer nur aufs Bestrafen
denken. Sie werden Schuld an den Unordnungen, wenn sie nicht
alles Ihrige gethan haben, um dieselben zu verhüten. Wenn der
Lehrer dasjenige treu beobachtet, was im §. 4. von der Ordnung, in
welche er die Kinder vor dem Anfang des Unterrichts bringen muß,
gesagt ist, und wenn er sie überall in jeder Lehrstunde gehörig zu be-
schäftigen weiß, so daß ihnen keine Langeweile übrig bleiben kann; so
wird gewiß schon dadurch sehr vieles vermieden. Z. E. Plaudern,
Zanken, Neckereien, ungebührliche Leibesstellungen, Unachtsamkeit etc.,
was sonst bei noch so oftmaliger Bestrafung immer wiederkommt.
In der That ist die Schule, in welcher viel und oft gestraft werden
muß, ein Beweis von Ungeschicklichkeit oder Nachlässigkeit des Lehrers.
-- b) Vergehungen, die außer der Schule, besonders unterwegs, wenn
die Kinder in die Schule kommen und wieder nach Hause gehen, vor-
gefallen sind, können, wenn sie dem Schullehrer bekannt werden (und
eigentlich soll er auf die gesammte Aufführung der Kinder, so viel ihm
immer möglich ist, aufmerksam sein), mit Nutzen dadurch bestraft
werden, daß die schuldigen Kinder, als unwerth, unter den andern zu
sitzen, eine besondere Stelle haben, bis sie ihr Vergehen ernstlich be-
reuen und dieses durch ein vorzüglich stilles und aufmerksames Betragen
in der Lehrstunde beweisen. Die Schullehrer thun wohl, sich darüber
mit den Eltern des schuldigen Kindes auf eine gute Art zu bespre-
chen. -- c) Jedes Vergehen in der Schulstunde wird zum Ersten-
mal dadurch gerügt: daß der Schulhalter still schweigt; auch die
Kinder im Lesen etc. einhalten läßt und alsdann sagt: Es sei Eins
unter ihnen, welches diese, jene Unordnung begehe. Zum zweiten
Mal behält er das Kind zurück und ermahnt es privatim aufs ernst-
lichste; zum dritten Mal läßt ers um eins oder einige herunter rücken;
geht es weiter, so läßt ers an die Thüre treten; hilft das nicht, so
giebt er Kleinern einige Streiche mit der Ruthe auf die Hand, und
den Größern, sonderlich bei Bosheiten, Beleidigungen anderer u. s. w.
einige Stockschläge. Die schwerste Strafe, wenn entweder das Ver-
brechen in Beschädigung Anderer oder offenbar vorsetzlichen Störungen
besteht, und jene Mittel nicht helfen wollen, würde sein: daß ein
solches Kind hungern müßte, und also zu Mittage nicht nach Hause

in Abſicht der Arten und Stufen der Beſtrafung, zu helfen wiſſen.
a) Die Hauptkunſt beſteht darin, daß der Lehrer Vergehungen zu
verhüten wiſſe. Es iſt höchſt unrecht, wenn Lehrer nur aufs Beſtrafen
denken. Sie werden Schuld an den Unordnungen, wenn ſie nicht
alles Ihrige gethan haben, um dieſelben zu verhüten. Wenn der
Lehrer dasjenige treu beobachtet, was im §. 4. von der Ordnung, in
welche er die Kinder vor dem Anfang des Unterrichts bringen muß,
geſagt iſt, und wenn er ſie überall in jeder Lehrſtunde gehörig zu be-
ſchäftigen weiß, ſo daß ihnen keine Langeweile übrig bleiben kann; ſo
wird gewiß ſchon dadurch ſehr vieles vermieden. Z. E. Plaudern,
Zanken, Neckereien, ungebührliche Leibesſtellungen, Unachtſamkeit ꝛc.,
was ſonſt bei noch ſo oftmaliger Beſtrafung immer wiederkommt.
In der That iſt die Schule, in welcher viel und oft geſtraft werden
muß, ein Beweis von Ungeſchicklichkeit oder Nachläſſigkeit des Lehrers.
b) Vergehungen, die außer der Schule, beſonders unterwegs, wenn
die Kinder in die Schule kommen und wieder nach Hauſe gehen, vor-
gefallen ſind, können, wenn ſie dem Schullehrer bekannt werden (und
eigentlich ſoll er auf die geſammte Aufführung der Kinder, ſo viel ihm
immer möglich iſt, aufmerkſam ſein), mit Nutzen dadurch beſtraft
werden, daß die ſchuldigen Kinder, als unwerth, unter den andern zu
ſitzen, eine beſondere Stelle haben, bis ſie ihr Vergehen ernſtlich be-
reuen und dieſes durch ein vorzüglich ſtilles und aufmerkſames Betragen
in der Lehrſtunde beweiſen. Die Schullehrer thun wohl, ſich darüber
mit den Eltern des ſchuldigen Kindes auf eine gute Art zu beſpre-
chen. — c) Jedes Vergehen in der Schulſtunde wird zum Erſten-
mal dadurch gerügt: daß der Schulhalter ſtill ſchweigt; auch die
Kinder im Leſen ꝛc. einhalten läßt und alsdann ſagt: Es ſei Eins
unter ihnen, welches dieſe, jene Unordnung begehe. Zum zweiten
Mal behält er das Kind zurück und ermahnt es privatim aufs ernſt-
lichſte; zum dritten Mal läßt ers um eins oder einige herunter rücken;
geht es weiter, ſo läßt ers an die Thüre treten; hilft das nicht, ſo
giebt er Kleinern einige Streiche mit der Ruthe auf die Hand, und
den Größern, ſonderlich bei Bosheiten, Beleidigungen anderer u. ſ. w.
einige Stockſchläge. Die ſchwerſte Strafe, wenn entweder das Ver-
brechen in Beſchädigung Anderer oder offenbar vorſetzlichen Störungen
beſteht, und jene Mittel nicht helfen wollen, würde ſein: daß ein
ſolches Kind hungern müßte, und alſo zu Mittage nicht nach Hauſe

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[117/0131] in Abſicht der Arten und Stufen der Beſtrafung, zu helfen wiſſen. a) Die Hauptkunſt beſteht darin, daß der Lehrer Vergehungen zu verhüten wiſſe. Es iſt höchſt unrecht, wenn Lehrer nur aufs Beſtrafen denken. Sie werden Schuld an den Unordnungen, wenn ſie nicht alles Ihrige gethan haben, um dieſelben zu verhüten. Wenn der Lehrer dasjenige treu beobachtet, was im §. 4. von der Ordnung, in welche er die Kinder vor dem Anfang des Unterrichts bringen muß, geſagt iſt, und wenn er ſie überall in jeder Lehrſtunde gehörig zu be- ſchäftigen weiß, ſo daß ihnen keine Langeweile übrig bleiben kann; ſo wird gewiß ſchon dadurch ſehr vieles vermieden. Z. E. Plaudern, Zanken, Neckereien, ungebührliche Leibesſtellungen, Unachtſamkeit ꝛc., was ſonſt bei noch ſo oftmaliger Beſtrafung immer wiederkommt. In der That iſt die Schule, in welcher viel und oft geſtraft werden muß, ein Beweis von Ungeſchicklichkeit oder Nachläſſigkeit des Lehrers. — b) Vergehungen, die außer der Schule, beſonders unterwegs, wenn die Kinder in die Schule kommen und wieder nach Hauſe gehen, vor- gefallen ſind, können, wenn ſie dem Schullehrer bekannt werden (und eigentlich ſoll er auf die geſammte Aufführung der Kinder, ſo viel ihm immer möglich iſt, aufmerkſam ſein), mit Nutzen dadurch beſtraft werden, daß die ſchuldigen Kinder, als unwerth, unter den andern zu ſitzen, eine beſondere Stelle haben, bis ſie ihr Vergehen ernſtlich be- reuen und dieſes durch ein vorzüglich ſtilles und aufmerkſames Betragen in der Lehrſtunde beweiſen. Die Schullehrer thun wohl, ſich darüber mit den Eltern des ſchuldigen Kindes auf eine gute Art zu beſpre- chen. — c) Jedes Vergehen in der Schulſtunde wird zum Erſten- mal dadurch gerügt: daß der Schulhalter ſtill ſchweigt; auch die Kinder im Leſen ꝛc. einhalten läßt und alsdann ſagt: Es ſei Eins unter ihnen, welches dieſe, jene Unordnung begehe. Zum zweiten Mal behält er das Kind zurück und ermahnt es privatim aufs ernſt- lichſte; zum dritten Mal läßt ers um eins oder einige herunter rücken; geht es weiter, ſo läßt ers an die Thüre treten; hilft das nicht, ſo giebt er Kleinern einige Streiche mit der Ruthe auf die Hand, und den Größern, ſonderlich bei Bosheiten, Beleidigungen anderer u. ſ. w. einige Stockſchläge. Die ſchwerſte Strafe, wenn entweder das Ver- brechen in Beſchädigung Anderer oder offenbar vorſetzlichen Störungen beſteht, und jene Mittel nicht helfen wollen, würde ſein: daß ein ſolches Kind hungern müßte, und alſo zu Mittage nicht nach Hauſe

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/131>, abgerufen am 28.04.2024.