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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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Zeit Seitens der Meister gegönnt werde. Die letztere beschränkte
Deutung steht nicht nur mit den deutlichen Worten, sondern auch mit
der, aus den §§. 292 seq.*) unzweifelhaft hervorgehenden Absicht des
Gesetzgebers, auf die Lehrherren in mehrfachen Beziehungen die, sonst
nur den Eltern und Vormündern zustehenden Rechte und Verpflich-
tungen zu übertragen, in Widerspruch, und aus dem §. 48. des Allge-
meinen Landrechts Thl. 2. Tit. 12. kann nicht wohl ein begrün-
detes Bedenken hergenommen werden, indem darin den Schulauf-
sehern ganz allgemein zur Pflicht gemacht ist, darauf zu sehen, daß
alle schulfähigen Kinder nöthigenfalls durch Zwangsmittel zum Besuche
der Lehrstunden angehalten werden, und daraus, daß nur die Bestrafung
nachlässiger Eltern, als der Hauptfall, ausdrücklich erwähnt worden,
sich noch nicht folgern läßt, daß nicht auch gegen Vormünder und andere
gesetzlich zur Aufsicht auf die Kinder verpflichtete Personen, z. B.
Lehrherren, Zwangsmaaßregeln angewandt werden könnten, um sie
zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten anzuhalten. Ebenso kann es aber
auch kein Bedenken haben, diese gesetzliche Vorschrift gleichmäßig auf
nicht zünftige patentirte Gewerksmeister anzuwenden. In dem §. 8.
des Gewerbe-Polizeiedicts vom 7. Septr. 1811. ist zwar, nachdem
zuvörderst auch denjenigen, welche ein Gewerbe selbstständig betreiben,
ohne zu einem Zunftverbande zu gehören, das Recht beigelegt ist,
Lehrlinge und Gehülfen anzunehmen, festgesetzt, daß in diesem Falle
die Lehrzeit, oder Dauer des Dienstes, das etwanige Lehrgeld, Lohn,
Kost und Behandlung, blos durch freien Contract bestimmt werden
solle, indessen sind dadurch die allgemeinen Vorschriften über die Pflichten
der Lehrherren und Lehrlinge, wie sie in dem §. 292. Thl. II. Tit. 8.
des A. L.-N. aufgestellt werden, nicht aufgehoben, sondern um so mehr
noch als allgemein gültig, und auch auf unzünftige Lehrherren für
anwendbar zu erachten, als sie aus den Verhältnissen des Lehrherrn
zum Lehrlinge, als solchem, so wie aus den allgemeinen gesetzlichen

*) Die Pflicht des Meisters ist, dem Lehrlinge die nöthige Anweisung
zu den Kenntnissen zu geben, welche zu einem ordentlichen Betriebe des
Gewerbes erforderlich sind.
Auch muß er denselben zu guten Sitten und fleißiger Besuchung des
öffentlichen Gottesdienstes anhalten, vor Ausschweifungen und Gelegenheiten
zu Lastern möglichst hüten, und zu einer anhaltenden nützlichen Thätigkeit
gewöhnen. A. L.-R. Thl. II. Tit. 8. §. 292. 293.

Zeit Seitens der Meiſter gegönnt werde. Die letztere beſchränkte
Deutung ſteht nicht nur mit den deutlichen Worten, ſondern auch mit
der, aus den §§. 292 seq.*) unzweifelhaft hervorgehenden Abſicht des
Geſetzgebers, auf die Lehrherren in mehrfachen Beziehungen die, ſonſt
nur den Eltern und Vormündern zuſtehenden Rechte und Verpflich-
tungen zu übertragen, in Widerſpruch, und aus dem §. 48. des Allge-
meinen Landrechts Thl. 2. Tit. 12. kann nicht wohl ein begrün-
detes Bedenken hergenommen werden, indem darin den Schulauf-
ſehern ganz allgemein zur Pflicht gemacht iſt, darauf zu ſehen, daß
alle ſchulfähigen Kinder nöthigenfalls durch Zwangsmittel zum Beſuche
der Lehrſtunden angehalten werden, und daraus, daß nur die Beſtrafung
nachläſſiger Eltern, als der Hauptfall, ausdrücklich erwähnt worden,
ſich noch nicht folgern läßt, daß nicht auch gegen Vormünder und andere
geſetzlich zur Aufſicht auf die Kinder verpflichtete Perſonen, z. B.
Lehrherren, Zwangsmaaßregeln angewandt werden könnten, um ſie
zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten anzuhalten. Ebenſo kann es aber
auch kein Bedenken haben, dieſe geſetzliche Vorſchrift gleichmäßig auf
nicht zünftige patentirte Gewerksmeiſter anzuwenden. In dem §. 8.
des Gewerbe-Polizeiedicts vom 7. Septr. 1811. iſt zwar, nachdem
zuvörderſt auch denjenigen, welche ein Gewerbe ſelbſtſtändig betreiben,
ohne zu einem Zunftverbande zu gehören, das Recht beigelegt iſt,
Lehrlinge und Gehülfen anzunehmen, feſtgeſetzt, daß in dieſem Falle
die Lehrzeit, oder Dauer des Dienſtes, das etwanige Lehrgeld, Lohn,
Koſt und Behandlung, blos durch freien Contract beſtimmt werden
ſolle, indeſſen ſind dadurch die allgemeinen Vorſchriften über die Pflichten
der Lehrherren und Lehrlinge, wie ſie in dem §. 292. Thl. II. Tit. 8.
des A. L.-N. aufgeſtellt werden, nicht aufgehoben, ſondern um ſo mehr
noch als allgemein gültig, und auch auf unzünftige Lehrherren für
anwendbar zu erachten, als ſie aus den Verhältniſſen des Lehrherrn
zum Lehrlinge, als ſolchem, ſo wie aus den allgemeinen geſetzlichen

*) Die Pflicht des Meiſters iſt, dem Lehrlinge die nöthige Anweiſung
zu den Kenntniſſen zu geben, welche zu einem ordentlichen Betriebe des
Gewerbes erforderlich ſind.
Auch muß er denſelben zu guten Sitten und fleißiger Beſuchung des
öffentlichen Gottesdienſtes anhalten, vor Ausſchweifungen und Gelegenheiten
zu Laſtern möglichſt hüten, und zu einer anhaltenden nützlichen Thätigkeit
gewöhnen. A. L.-R. Thl. II. Tit. 8. §. 292. 293.
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[247/0261] Zeit Seitens der Meiſter gegönnt werde. Die letztere beſchränkte Deutung ſteht nicht nur mit den deutlichen Worten, ſondern auch mit der, aus den §§. 292 seq. *) unzweifelhaft hervorgehenden Abſicht des Geſetzgebers, auf die Lehrherren in mehrfachen Beziehungen die, ſonſt nur den Eltern und Vormündern zuſtehenden Rechte und Verpflich- tungen zu übertragen, in Widerſpruch, und aus dem §. 48. des Allge- meinen Landrechts Thl. 2. Tit. 12. kann nicht wohl ein begrün- detes Bedenken hergenommen werden, indem darin den Schulauf- ſehern ganz allgemein zur Pflicht gemacht iſt, darauf zu ſehen, daß alle ſchulfähigen Kinder nöthigenfalls durch Zwangsmittel zum Beſuche der Lehrſtunden angehalten werden, und daraus, daß nur die Beſtrafung nachläſſiger Eltern, als der Hauptfall, ausdrücklich erwähnt worden, ſich noch nicht folgern läßt, daß nicht auch gegen Vormünder und andere geſetzlich zur Aufſicht auf die Kinder verpflichtete Perſonen, z. B. Lehrherren, Zwangsmaaßregeln angewandt werden könnten, um ſie zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten anzuhalten. Ebenſo kann es aber auch kein Bedenken haben, dieſe geſetzliche Vorſchrift gleichmäßig auf nicht zünftige patentirte Gewerksmeiſter anzuwenden. In dem §. 8. des Gewerbe-Polizeiedicts vom 7. Septr. 1811. iſt zwar, nachdem zuvörderſt auch denjenigen, welche ein Gewerbe ſelbſtſtändig betreiben, ohne zu einem Zunftverbande zu gehören, das Recht beigelegt iſt, Lehrlinge und Gehülfen anzunehmen, feſtgeſetzt, daß in dieſem Falle die Lehrzeit, oder Dauer des Dienſtes, das etwanige Lehrgeld, Lohn, Koſt und Behandlung, blos durch freien Contract beſtimmt werden ſolle, indeſſen ſind dadurch die allgemeinen Vorſchriften über die Pflichten der Lehrherren und Lehrlinge, wie ſie in dem §. 292. Thl. II. Tit. 8. des A. L.-N. aufgeſtellt werden, nicht aufgehoben, ſondern um ſo mehr noch als allgemein gültig, und auch auf unzünftige Lehrherren für anwendbar zu erachten, als ſie aus den Verhältniſſen des Lehrherrn zum Lehrlinge, als ſolchem, ſo wie aus den allgemeinen geſetzlichen *) Die Pflicht des Meiſters iſt, dem Lehrlinge die nöthige Anweiſung zu den Kenntniſſen zu geben, welche zu einem ordentlichen Betriebe des Gewerbes erforderlich ſind. Auch muß er denſelben zu guten Sitten und fleißiger Beſuchung des öffentlichen Gottesdienſtes anhalten, vor Ausſchweifungen und Gelegenheiten zu Laſtern möglichſt hüten, und zu einer anhaltenden nützlichen Thätigkeit gewöhnen. A. L.-R. Thl. II. Tit. 8. §. 292. 293.

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/261>, abgerufen am 02.05.2024.