seinen Erweiterungsplänen -- seine Mitstände von ihm zu fürchten? So gieng die Sicherheit des Reichs aus einem Zusammenflusse von Umständen hervor. Daß sie eigentlich doch nur auf Ver- hältnissen gegründet sey, gestand man sich nicht; wer dachte an ihre Veränderlichkeit?
23. Das lange Leben Friedrichs gab ihnen aber Dauer; zum erstenmal genoß Deutschland einer 30jährigen Ruhe, und auf dem großen Schlachtfelde Europas konnten endlich die Früchte des Friedens reifen. Die vielfachen Seegnungen einer freyen Föderativverfassung konnten sich jetzt, von Umständen begünstigt, (der steten Bedingung) entfalten; auch die Staaten vom zweyten, vom dritten Range, bis zu den freyen Städten herab, galten etwas; sie waren oder wurden was jeder wer- den konnte; und bey eigner Verfassung bildete sich auch eigner Character.
24. Bey dieser politischen Mannichfaltigkeit blühte die Cultur deutscher Nation so schnell und vielseitig auf, wie bey keinem andern Volke; doch behauptete das Wissenschaftliche stets den Vorsprung vor dem Schönen. Aber ihre Litteratur blieb dafür auch ihr Werk; nicht von oben herab ward sie gepflegt, sondern von der Nation selbst. Eben deshalb ward sie unausrottbar. Sollten je
die
2. Veraͤnd. d. einz. Hptſt. d. w. Eur.--1786.
ſeinen Erweiterungsplaͤnen — ſeine Mitſtaͤnde von ihm zu fuͤrchten? So gieng die Sicherheit des Reichs aus einem Zuſammenfluſſe von Umſtaͤnden hervor. Daß ſie eigentlich doch nur auf Ver- haͤltniſſen gegruͤndet ſey, geſtand man ſich nicht; wer dachte an ihre Veraͤnderlichkeit?
23. Das lange Leben Friedrichs gab ihnen aber Dauer; zum erſtenmal genoß Deutſchland einer 30jaͤhrigen Ruhe, und auf dem großen Schlachtfelde Europas konnten endlich die Fruͤchte des Friedens reifen. Die vielfachen Seegnungen einer freyen Foͤderativverfaſſung konnten ſich jetzt, von Umſtaͤnden beguͤnſtigt, (der ſteten Bedingung) entfalten; auch die Staaten vom zweyten, vom dritten Range, bis zu den freyen Staͤdten herab, galten etwas; ſie waren oder wurden was jeder wer- den konnte; und bey eigner Verfaſſung bildete ſich auch eigner Character.
24. Bey dieſer politiſchen Mannichfaltigkeit bluͤhte die Cultur deutſcher Nation ſo ſchnell und vielſeitig auf, wie bey keinem andern Volke; doch behauptete das Wiſſenſchaftliche ſtets den Vorſprung vor dem Schoͤnen. Aber ihre Litteratur blieb dafuͤr auch ihr Werk; nicht von oben herab ward ſie gepflegt, ſondern von der Nation ſelbſt. Eben deshalb ward ſie unausrottbar. Sollten je
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2. Veraͤnd. d. einz. Hptſt. d. w. Eur.--1786.
ſeinen Erweiterungsplaͤnen — ſeine Mitſtaͤnde von
ihm zu fuͤrchten? So gieng die Sicherheit des
Reichs aus einem Zuſammenfluſſe von Umſtaͤnden
hervor. Daß ſie eigentlich doch nur auf Ver-
haͤltniſſen gegruͤndet ſey, geſtand man ſich nicht;
wer dachte an ihre Veraͤnderlichkeit?
23. Das lange Leben Friedrichs gab
ihnen aber Dauer; zum erſtenmal genoß Deutſchland
einer 30jaͤhrigen Ruhe, und auf dem großen
Schlachtfelde Europas konnten endlich die Fruͤchte
des Friedens reifen. Die vielfachen Seegnungen
einer freyen Foͤderativverfaſſung konnten ſich jetzt,
von Umſtaͤnden beguͤnſtigt, (der ſteten Bedingung)
entfalten; auch die Staaten vom zweyten, vom
dritten Range, bis zu den freyen Staͤdten herab,
galten etwas; ſie waren oder wurden was jeder wer-
den konnte; und bey eigner Verfaſſung bildete ſich
auch eigner Character.
24. Bey dieſer politiſchen Mannichfaltigkeit
bluͤhte die Cultur deutſcher Nation ſo ſchnell
und vielſeitig auf, wie bey keinem andern Volke;
doch behauptete das Wiſſenſchaftliche ſtets den
Vorſprung vor dem Schoͤnen. Aber ihre Litteratur
blieb dafuͤr auch ihr Werk; nicht von oben herab
ward ſie gepflegt, ſondern von der Nation ſelbſt.
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/481>, abgerufen am 01.05.2024.
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