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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.

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II. Per. C. II. Gesch. d. nördl. Eur. Staatensyst.
über die inneren Verhältnisse Schwedens in diesem Zeit-
raum.

3. Polen, unter August III. und Brühl (S. 363.) das
Bild der Anarchie in Ruhe, so wie Schweden der Anarchie
in Thätigkeit. Dem Volke war sein Elend, den Großen ihre
Genüsse Bedürfniß. Auch Staatssachen gehören zu diesen,
wo Damen sie leiten. So konnten bey einem erschlafften
Volke die Czartorinsky und Branicky ihre Entwürfe
und Partheyen ohne Folgen und Stürme sich bilden. Nicht
angeschlossen an Rußland, aber sich anschmiegend, blieb Po-
len der Schatten der Freyheit. Konnte man sie selber nicht
schützen, so schienen doch Frankreich und die Pforte ihre na-
türlichen Garants zu seyn. Aber selbst die Verbindung
Frankreichs mit Oestreich -- und also mit Rußland --
schreckte noch nicht auf; und der fremde Einfluß, (ohnehin
durch die Verhältnisse Curlands genährt S. 362.), konnte
bey aller Thätigkeit eines William und Broglio nie mehr als
Projecte bilden. Nicht politische, sondern Verhältnisse an-
drer Art sollten das künftige Schicksal Polens vorbereiten;
seitdem der junge Poniatowsky (Schwestersohn der Czar-
torinskys) bey dem großfürstlichen Hofe zu Petersburg durch
den Ritter Williams eingeführt, sich hier Verbindungen ver-
schaffte.

4. Dänemark, seit Schwedens Fall ohne Rivalität mit
diesem, war unter Christian VI. (+ 1746) und Frie-
drich
V. (+ 1766) glücklich genug, sich in sich selbst zurück-
ziehen zu können. Selbst das Russische Cabinet machte un-
ter Elisabeth, wegen der Verhältnisse mit Schweden, Erhal-
tung seiner Freundschaft zur Staatsmaxime. Was hätte ihm
zur vollen Sicherheit gefehlt, hätte nicht die alte Fehde mit
Holstein-Gottorp jetzt die Aussicht getrübt?

5. Von Preußen s. oben S. 444.

4. Der Zeitraum begann, noch unter der
Kayserin Anna, mit einem Schwedisch-Russischen

Kriege,
II. Per. C. II. Geſch. d. noͤrdl. Eur. Staatenſyſt.
uͤber die inneren Verhaͤltniſſe Schwedens in dieſem Zeit-
raum.

3. Polen, unter Auguſt III. und Bruͤhl (S. 363.) das
Bild der Anarchie in Ruhe, ſo wie Schweden der Anarchie
in Thaͤtigkeit. Dem Volke war ſein Elend, den Großen ihre
Genuͤſſe Beduͤrfniß. Auch Staatsſachen gehoͤren zu dieſen,
wo Damen ſie leiten. So konnten bey einem erſchlafften
Volke die Czartorinsky und Branicky ihre Entwuͤrfe
und Partheyen ohne Folgen und Stuͤrme ſich bilden. Nicht
angeſchloſſen an Rußland, aber ſich anſchmiegend, blieb Po-
len der Schatten der Freyheit. Konnte man ſie ſelber nicht
ſchuͤtzen, ſo ſchienen doch Frankreich und die Pforte ihre na-
tuͤrlichen Garants zu ſeyn. Aber ſelbſt die Verbindung
Frankreichs mit Oeſtreich — und alſo mit Rußland —
ſchreckte noch nicht auf; und der fremde Einfluß, (ohnehin
durch die Verhaͤltniſſe Curlands genaͤhrt S. 362.), konnte
bey aller Thaͤtigkeit eines William und Broglio nie mehr als
Projecte bilden. Nicht politiſche, ſondern Verhaͤltniſſe an-
drer Art ſollten das kuͤnftige Schickſal Polens vorbereiten;
ſeitdem der junge Poniatowsky (Schweſterſohn der Czar-
torinskys) bey dem großfuͤrſtlichen Hofe zu Petersburg durch
den Ritter Williams eingefuͤhrt, ſich hier Verbindungen ver-
ſchaffte.

4. Daͤnemark, ſeit Schwedens Fall ohne Rivalitaͤt mit
dieſem, war unter Chriſtian VI. († 1746) und Frie-
drich
V. († 1766) gluͤcklich genug, ſich in ſich ſelbſt zuruͤck-
ziehen zu koͤnnen. Selbſt das Ruſſiſche Cabinet machte un-
ter Eliſabeth, wegen der Verhaͤltniſſe mit Schweden, Erhal-
tung ſeiner Freundſchaft zur Staatsmaxime. Was haͤtte ihm
zur vollen Sicherheit gefehlt, haͤtte nicht die alte Fehde mit
Holſtein-Gottorp jetzt die Ausſicht getruͤbt?

5. Von Preußen ſ. oben S. 444.

4. Der Zeitraum begann, noch unter der
Kayſerin Anna, mit einem Schwediſch-Ruſſiſchen

Kriege,
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[502/0540] II. Per. C. II. Geſch. d. noͤrdl. Eur. Staatenſyſt. uͤber die inneren Verhaͤltniſſe Schwedens in dieſem Zeit- raum. 3. Polen, unter Auguſt III. und Bruͤhl (S. 363.) das Bild der Anarchie in Ruhe, ſo wie Schweden der Anarchie in Thaͤtigkeit. Dem Volke war ſein Elend, den Großen ihre Genuͤſſe Beduͤrfniß. Auch Staatsſachen gehoͤren zu dieſen, wo Damen ſie leiten. So konnten bey einem erſchlafften Volke die Czartorinsky und Branicky ihre Entwuͤrfe und Partheyen ohne Folgen und Stuͤrme ſich bilden. Nicht angeſchloſſen an Rußland, aber ſich anſchmiegend, blieb Po- len der Schatten der Freyheit. Konnte man ſie ſelber nicht ſchuͤtzen, ſo ſchienen doch Frankreich und die Pforte ihre na- tuͤrlichen Garants zu ſeyn. Aber ſelbſt die Verbindung Frankreichs mit Oeſtreich — und alſo mit Rußland — ſchreckte noch nicht auf; und der fremde Einfluß, (ohnehin durch die Verhaͤltniſſe Curlands genaͤhrt S. 362.), konnte bey aller Thaͤtigkeit eines William und Broglio nie mehr als Projecte bilden. Nicht politiſche, ſondern Verhaͤltniſſe an- drer Art ſollten das kuͤnftige Schickſal Polens vorbereiten; ſeitdem der junge Poniatowsky (Schweſterſohn der Czar- torinskys) bey dem großfuͤrſtlichen Hofe zu Petersburg durch den Ritter Williams eingefuͤhrt, ſich hier Verbindungen ver- ſchaffte. 4. Daͤnemark, ſeit Schwedens Fall ohne Rivalitaͤt mit dieſem, war unter Chriſtian VI. († 1746) und Frie- drich V. († 1766) gluͤcklich genug, ſich in ſich ſelbſt zuruͤck- ziehen zu koͤnnen. Selbſt das Ruſſiſche Cabinet machte un- ter Eliſabeth, wegen der Verhaͤltniſſe mit Schweden, Erhal- tung ſeiner Freundſchaft zur Staatsmaxime. Was haͤtte ihm zur vollen Sicherheit gefehlt, haͤtte nicht die alte Fehde mit Holſtein-Gottorp jetzt die Ausſicht getruͤbt? 5. Von Preußen ſ. oben S. 444. 4. Der Zeitraum begann, noch unter der Kayſerin Anna, mit einem Schwediſch-Ruſſiſchen Kriege,

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Zitationshilfe: Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/540>, abgerufen am 29.04.2024.