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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Erstes Buch. §. 49.
räns. Freilich hat der nicht legitime Souverän gegen fremde Staa-
ten keinen rechtlichen Anspruch auf Anerkennung als legitime
Gewalt und auf die damit verbundenen Befugnisse, oder auf Un-
terhaltung einer öffentlichen völkerrechtlichen Verbindung; er selbst
kann jedoch nicht bei einer derartigen Unterbrechung der Verhält-
nisse dem sich von ihm zurückziehenden Staate alle Vortheile ei-
nes solchen Verkehrs versagen.

Unter allen Umständen gebietet Völkerrecht und Politik, so
lange der Streit über die Souveränetät in einem Staate dauert,
Beobachtung der strengsten Neutralität von Seiten anderer Staa-
ten; in wie fern aber dabei ein Interventions- oder Cooperations-
recht begründet sein könne, beurtheilt sich nach den schon zuvor
(§. 44 f.) dargelegten Grundsätzen. Ein Entscheidungsrecht steht
an sich anderen Staaten nicht zu. Sie selbst können jedoch ihrer-
seits während des Souveränetätsstreites nach eignem rechtlichen
Ermessen hinsichtlich der mehreren Prätendenten handeln, ohne
daß die Begünstigung des Einen vor dem Anderen als Rechtsver-
letzung zugerechnet werden mag. Erst mit Eintritt eines bestimm-
ten Besitzstandes sind sie thatsächlich bei Verhandlung von Staats-
interessen an den Besitzer gewiesen, ohne daß der Gegenprätendent
hierin eine Beleidigung finden, noch auch seinem Recht dadurch
präjudicirt werden kann.

Anm. S. schon oben §. 23. und Günther II, 421. Vattel, II, 12, 198.
Moser, Vers. I, 185 f. Die conforme Praxis des Römischen Stuhles erhel-
let aus dem bereits S. 23 Not. 1. angeführten, hier im Auszuge beifolgen-
den Actenstück:
Gregorius Episcopus Servus Servorum Dei ad futuram rei
memoriam
.
Solicitudo Ecclesiarum, quo Romani Pontifices ex commissa sibi
divinitus Christiani Gregis custodia assidue urgentur, eos ipso simpel-
lit, ut quod in terrarum gentiumque omnium orbe ad rectam rei sa-
crae procurationem, atque ad animarum salutem magis expediat, nitan-
tur impense conciliare. Ea tamen identidem est temporum conditio,

das Princip ausgesprochen in einem Parlamentsact (II, Henry VII.),
nämlich im Wesentlichen dahin, that he, who is actually King, whether
by election or by descent, yet being once King, all acts done by him
as King, are lawful and justifiable, as by any King;
daher auch Crom-
wells Gedanken auf den Königstitel. Oliv. Cromwell and his times, by
Coxe. p.
328.

Erſtes Buch. §. 49.
räns. Freilich hat der nicht legitime Souverän gegen fremde Staa-
ten keinen rechtlichen Anſpruch auf Anerkennung als legitime
Gewalt und auf die damit verbundenen Befugniſſe, oder auf Un-
terhaltung einer öffentlichen völkerrechtlichen Verbindung; er ſelbſt
kann jedoch nicht bei einer derartigen Unterbrechung der Verhält-
niſſe dem ſich von ihm zurückziehenden Staate alle Vortheile ei-
nes ſolchen Verkehrs verſagen.

Unter allen Umſtänden gebietet Völkerrecht und Politik, ſo
lange der Streit über die Souveränetät in einem Staate dauert,
Beobachtung der ſtrengſten Neutralität von Seiten anderer Staa-
ten; in wie fern aber dabei ein Interventions- oder Cooperations-
recht begründet ſein könne, beurtheilt ſich nach den ſchon zuvor
(§. 44 f.) dargelegten Grundſätzen. Ein Entſcheidungsrecht ſteht
an ſich anderen Staaten nicht zu. Sie ſelbſt können jedoch ihrer-
ſeits während des Souveränetätsſtreites nach eignem rechtlichen
Ermeſſen hinſichtlich der mehreren Prätendenten handeln, ohne
daß die Begünſtigung des Einen vor dem Anderen als Rechtsver-
letzung zugerechnet werden mag. Erſt mit Eintritt eines beſtimm-
ten Beſitzſtandes ſind ſie thatſächlich bei Verhandlung von Staats-
intereſſen an den Beſitzer gewieſen, ohne daß der Gegenprätendent
hierin eine Beleidigung finden, noch auch ſeinem Recht dadurch
präjudicirt werden kann.

Anm. S. ſchon oben §. 23. und Günther II, 421. Vattel, II, 12, 198.
Moſer, Verſ. I, 185 f. Die conforme Praxis des Römiſchen Stuhles erhel-
let aus dem bereits S. 23 Not. 1. angeführten, hier im Auszuge beifolgen-
den Actenſtück:
Gregorius Episcopus Servus Servorum Dei ad futuram rei
memoriam
.
Solicitudo Ecclesiarum, quo Romani Pontifices ex commissa sibi
divinitus Christiani Gregis custodia assidue urgentur, eos ipso simpel-
lit, ut quod in terrarum gentiumque omnium orbe ad rectam rei sa-
crae procurationem, atque ad animarum salutem magis expediat, nitan-
tur impense conciliare. Ea tamen identidem est temporum conditio,

das Princip ausgeſprochen in einem Parlamentsact (II, Henry VII.),
nämlich im Weſentlichen dahin, that he, who is actually King, whether
by election or by descent, yet being once King, all acts done by him
as King, are lawful and justifiable, as by any King;
daher auch Crom-
wells Gedanken auf den Königstitel. Oliv. Cromwell and his times, by
Coxe. p.
328.

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[92/0116] Erſtes Buch. §. 49. räns. Freilich hat der nicht legitime Souverän gegen fremde Staa- ten keinen rechtlichen Anſpruch auf Anerkennung als legitime Gewalt und auf die damit verbundenen Befugniſſe, oder auf Un- terhaltung einer öffentlichen völkerrechtlichen Verbindung; er ſelbſt kann jedoch nicht bei einer derartigen Unterbrechung der Verhält- niſſe dem ſich von ihm zurückziehenden Staate alle Vortheile ei- nes ſolchen Verkehrs verſagen. Unter allen Umſtänden gebietet Völkerrecht und Politik, ſo lange der Streit über die Souveränetät in einem Staate dauert, Beobachtung der ſtrengſten Neutralität von Seiten anderer Staa- ten; in wie fern aber dabei ein Interventions- oder Cooperations- recht begründet ſein könne, beurtheilt ſich nach den ſchon zuvor (§. 44 f.) dargelegten Grundſätzen. Ein Entſcheidungsrecht ſteht an ſich anderen Staaten nicht zu. Sie ſelbſt können jedoch ihrer- ſeits während des Souveränetätsſtreites nach eignem rechtlichen Ermeſſen hinſichtlich der mehreren Prätendenten handeln, ohne daß die Begünſtigung des Einen vor dem Anderen als Rechtsver- letzung zugerechnet werden mag. Erſt mit Eintritt eines beſtimm- ten Beſitzſtandes ſind ſie thatſächlich bei Verhandlung von Staats- intereſſen an den Beſitzer gewieſen, ohne daß der Gegenprätendent hierin eine Beleidigung finden, noch auch ſeinem Recht dadurch präjudicirt werden kann. Anm. S. ſchon oben §. 23. und Günther II, 421. Vattel, II, 12, 198. Moſer, Verſ. I, 185 f. Die conforme Praxis des Römiſchen Stuhles erhel- let aus dem bereits S. 23 Not. 1. angeführten, hier im Auszuge beifolgen- den Actenſtück: Gregorius Episcopus Servus Servorum Dei ad futuram rei memoriam. Solicitudo Ecclesiarum, quo Romani Pontifices ex commissa sibi divinitus Christiani Gregis custodia assidue urgentur, eos ipso simpel- lit, ut quod in terrarum gentiumque omnium orbe ad rectam rei sa- crae procurationem, atque ad animarum salutem magis expediat, nitan- tur impense conciliare. Ea tamen identidem est temporum conditio, das Princip ausgeſprochen in einem Parlamentsact (II, Henry VII.), nämlich im Weſentlichen dahin, that he, who is actually King, whether by election or by descent, yet being once King, all acts done by him as King, are lawful and justifiable, as by any King; daher auch Crom- wells Gedanken auf den Königstitel. Oliv. Cromwell and his times, by Coxe. p. 328.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/116>, abgerufen am 29.04.2024.