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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Erstes Buch. §. 55.

Es erleidet auch die Führung dieser Prädicate dadurch keinen
Abbruch, wenn schon den einzelnen Familiengliedern noch beson-
dere, selbst geringere Titel beigelegt sein sollten, als die auf ihre Ab-
stammung unmittelbar bezüglichen. 1 Die weiblichen Mitglieder be-
halten bei standesmäßigen Vermählungen ihre angestammten Titel
und Prädicate und vereinigen sie mit denen des Gemahls, die
höheren voranstellend. 2

Die Mitglieder aller souveränen Familien, so weit sie succes-
sionsfähig sind oder wenigstens mit diesen gleiche Herkunft haben,
sind einander dem Stande nach gleich oder ebenbürtig, ohne daß
jedoch hierdurch den einzelnen Staaten und souveränen Häusern
ein Zwang auferlegt ist, bei dieser allgemeinen Grenze fürstlicher
Ebenbürtigkeit in Betreff der davon abhängigen Rechtsverhältnisse
stehen zu bleiben; 3 vielmehr entscheidet hierüber allein das beson-
dere Staats- und Familienrecht.

Alle Familienglieder, 4 selbst die Gemahlin 5 des Regierenden,
sind Unterthanen des Staats- und Familienhauptes. Die nähere
Bestimmung ihrer Rechtsverhältnisse ist demnach auch nur von
der verfassungsmäßigen Staatsgewalt oder der daneben bestehen-
den Familienverfassung und Autonomie abhängig, und jeder frem-
den Einmischung, außer im Wege der Intercession oder wegen
verletzter eigener Rechte, entzogen. 6


1 Die Sitte des Französischen und Britischen Könighauses ist bekannt.
Auch in Deutschland ist es nichts unerhörtes, nachgeborenen Prinzen bloße
höhere Adelstitel zu geben. Eichhorn, RGesch. II, §. 301. not. c. Lü-
nig, thes. jur. Comitum. p. 390. Huld. ab Eyben. de tit. nobilis.
Giess. 1677. §. 7. Pfeffinger, ad Vitriar. I, 17, 3, 6. p. 575. t. II.
2 Ludolf, de j. feminar. illustr. p. 28. Moser, Staatsr. XX, 353.
Schmid, Beitr. z. Gesch. des Adels 42. 43. Cocceji, de L. morganat. III, 12.
3 Am strengsten hält die Linie der Ebenbürtigkeit das K. Russische Manifest
v. 20. März 1820. Ueber die Sitte der einzelnen Europäischen regieren-
den Häuser vergl. die Hall. Allg. Lit. Zeit. v. 1829. Mai Nr. 96 ff.
4 Vergl. Moser, Famil.-Staatsr. II, 338. 471. Klüber, öffentl. R. §. 249.
5 Vormals sehr bestritten. Moser, Staatsr. XX, 388 ff. Struv., Ipr.
heroic. II,
438. Hauptsächlich jedoch nur aus dem Standpuncte der Deut-
schen Reichsverfassung. Juristisch wird sich nach allgemeinen Grundsätzen
nicht leicht das Gegentheil des obigen Satzes erweisen lassen. Sogar der
Gemahl einer regierenden Dame wird nach Verlegung seines Domicils in
das Reich derselben, ein Staatsunterthan, wenn ihm nicht sonst eine un-
abhängige Stellung zukommt.
6 Da das Familienband ein natürliches und sittliches ist, welches durch aus-
Erſtes Buch. §. 55.

Es erleidet auch die Führung dieſer Prädicate dadurch keinen
Abbruch, wenn ſchon den einzelnen Familiengliedern noch beſon-
dere, ſelbſt geringere Titel beigelegt ſein ſollten, als die auf ihre Ab-
ſtammung unmittelbar bezüglichen. 1 Die weiblichen Mitglieder be-
halten bei ſtandesmäßigen Vermählungen ihre angeſtammten Titel
und Prädicate und vereinigen ſie mit denen des Gemahls, die
höheren voranſtellend. 2

Die Mitglieder aller ſouveränen Familien, ſo weit ſie ſucceſ-
ſionsfähig ſind oder wenigſtens mit dieſen gleiche Herkunft haben,
ſind einander dem Stande nach gleich oder ebenbürtig, ohne daß
jedoch hierdurch den einzelnen Staaten und ſouveränen Häuſern
ein Zwang auferlegt iſt, bei dieſer allgemeinen Grenze fürſtlicher
Ebenbürtigkeit in Betreff der davon abhängigen Rechtsverhältniſſe
ſtehen zu bleiben; 3 vielmehr entſcheidet hierüber allein das beſon-
dere Staats- und Familienrecht.

Alle Familienglieder, 4 ſelbſt die Gemahlin 5 des Regierenden,
ſind Unterthanen des Staats- und Familienhauptes. Die nähere
Beſtimmung ihrer Rechtsverhältniſſe iſt demnach auch nur von
der verfaſſungsmäßigen Staatsgewalt oder der daneben beſtehen-
den Familienverfaſſung und Autonomie abhängig, und jeder frem-
den Einmiſchung, außer im Wege der Interceſſion oder wegen
verletzter eigener Rechte, entzogen. 6


1 Die Sitte des Franzöſiſchen und Britiſchen Könighauſes iſt bekannt.
Auch in Deutſchland iſt es nichts unerhörtes, nachgeborenen Prinzen bloße
höhere Adelstitel zu geben. Eichhorn, RGeſch. II, §. 301. not. c. Lü-
nig, thes. jur. Comitum. p. 390. Huld. ab Eyben. de tit. nobilis.
Giess. 1677. §. 7. Pfeffinger, ad Vitriar. I, 17, 3, 6. p. 575. t. II.
2 Ludolf, de j. feminar. illustr. p. 28. Moſer, Staatsr. XX, 353.
Schmid, Beitr. z. Geſch. des Adels 42. 43. Cocceji, de L. morganat. III, 12.
3 Am ſtrengſten hält die Linie der Ebenbürtigkeit das K. Ruſſiſche Manifeſt
v. 20. März 1820. Ueber die Sitte der einzelnen Europäiſchen regieren-
den Häuſer vergl. die Hall. Allg. Lit. Zeit. v. 1829. Mai Nr. 96 ff.
4 Vergl. Moſer, Famil.-Staatsr. II, 338. 471. Klüber, öffentl. R. §. 249.
5 Vormals ſehr beſtritten. Moſer, Staatsr. XX, 388 ff. Struv., Ipr.
heroic. II,
438. Hauptſächlich jedoch nur aus dem Standpuncte der Deut-
ſchen Reichsverfaſſung. Juriſtiſch wird ſich nach allgemeinen Grundſätzen
nicht leicht das Gegentheil des obigen Satzes erweiſen laſſen. Sogar der
Gemahl einer regierenden Dame wird nach Verlegung ſeines Domicils in
das Reich derſelben, ein Staatsunterthan, wenn ihm nicht ſonſt eine un-
abhängige Stellung zukommt.
6 Da das Familienband ein natürliches und ſittliches iſt, welches durch aus-
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[102/0126] Erſtes Buch. §. 55. Es erleidet auch die Führung dieſer Prädicate dadurch keinen Abbruch, wenn ſchon den einzelnen Familiengliedern noch beſon- dere, ſelbſt geringere Titel beigelegt ſein ſollten, als die auf ihre Ab- ſtammung unmittelbar bezüglichen. 1 Die weiblichen Mitglieder be- halten bei ſtandesmäßigen Vermählungen ihre angeſtammten Titel und Prädicate und vereinigen ſie mit denen des Gemahls, die höheren voranſtellend. 2 Die Mitglieder aller ſouveränen Familien, ſo weit ſie ſucceſ- ſionsfähig ſind oder wenigſtens mit dieſen gleiche Herkunft haben, ſind einander dem Stande nach gleich oder ebenbürtig, ohne daß jedoch hierdurch den einzelnen Staaten und ſouveränen Häuſern ein Zwang auferlegt iſt, bei dieſer allgemeinen Grenze fürſtlicher Ebenbürtigkeit in Betreff der davon abhängigen Rechtsverhältniſſe ſtehen zu bleiben; 3 vielmehr entſcheidet hierüber allein das beſon- dere Staats- und Familienrecht. Alle Familienglieder, 4 ſelbſt die Gemahlin 5 des Regierenden, ſind Unterthanen des Staats- und Familienhauptes. Die nähere Beſtimmung ihrer Rechtsverhältniſſe iſt demnach auch nur von der verfaſſungsmäßigen Staatsgewalt oder der daneben beſtehen- den Familienverfaſſung und Autonomie abhängig, und jeder frem- den Einmiſchung, außer im Wege der Interceſſion oder wegen verletzter eigener Rechte, entzogen. 6 1 Die Sitte des Franzöſiſchen und Britiſchen Könighauſes iſt bekannt. Auch in Deutſchland iſt es nichts unerhörtes, nachgeborenen Prinzen bloße höhere Adelstitel zu geben. Eichhorn, RGeſch. II, §. 301. not. c. Lü- nig, thes. jur. Comitum. p. 390. Huld. ab Eyben. de tit. nobilis. Giess. 1677. §. 7. Pfeffinger, ad Vitriar. I, 17, 3, 6. p. 575. t. II. 2 Ludolf, de j. feminar. illustr. p. 28. Moſer, Staatsr. XX, 353. Schmid, Beitr. z. Geſch. des Adels 42. 43. Cocceji, de L. morganat. III, 12. 3 Am ſtrengſten hält die Linie der Ebenbürtigkeit das K. Ruſſiſche Manifeſt v. 20. März 1820. Ueber die Sitte der einzelnen Europäiſchen regieren- den Häuſer vergl. die Hall. Allg. Lit. Zeit. v. 1829. Mai Nr. 96 ff. 4 Vergl. Moſer, Famil.-Staatsr. II, 338. 471. Klüber, öffentl. R. §. 249. 5 Vormals ſehr beſtritten. Moſer, Staatsr. XX, 388 ff. Struv., Ipr. heroic. II, 438. Hauptſächlich jedoch nur aus dem Standpuncte der Deut- ſchen Reichsverfaſſung. Juriſtiſch wird ſich nach allgemeinen Grundſätzen nicht leicht das Gegentheil des obigen Satzes erweiſen laſſen. Sogar der Gemahl einer regierenden Dame wird nach Verlegung ſeines Domicils in das Reich derſelben, ein Staatsunterthan, wenn ihm nicht ſonſt eine un- abhängige Stellung zukommt. 6 Da das Familienband ein natürliches und ſittliches iſt, welches durch aus-

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/126>, abgerufen am 29.04.2024.