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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 96. Völkerrecht im Zustand des Friedens.
auf diesem Wege weder ein rechtlich unmögliches Rechtsver-
hältniß begründet noch das entgegenstehende Recht eines Drit-
ten beseitigt werden.
II. Die Bestellung von Unterpfändern (§. 71.), gewöhnlich aber
nur mit wirklicher Besitzeinräumung. 1
III. Die Verpflichtung zu einer Conventionalstrafe im Fall der
Nichterfüllung, ohne alle positive Beschränkung. 2
IV. Das in alten Zeiten übliche Einlager oder Einreiten des
Schuldners, jus obstagii. 3
V. Die Bestellung von Privatbürgen für eine Geldschuld. 4
VI. Die Ueberlieferung von Geißeln, d. h. einzelner Personen,
welche der Gläubiger bis zu seiner völligen Befriedigung zu-
rückbehalten kann. Sie sind entweder freiwillige oder von
einer rechtmäßigen Gewalt gezwungene Geißeln; sie haften
nicht für die Schuld selbst, sondern der Gläubiger erhält nur
das Recht ihre körperliche Freiheit bis zu jenem Zeitpuncte
zu beschränken; sogar der eingetretene Verfalltermin der
Schuld giebt ihm nach gesittetem Völkerrecht keine größere
Befugniß gegen ihre Person. Für den Unterhalt müssen frei-
willige Geißeln selbst, für unfreiwillige der Schuldner sorgen.
Entfliehen sie, so kann der Gläubiger ihre Rücklieferung
von dem der sie vertragsweise gegeben hat, oder einen Er-
satz für die verlorenen fordern. Der Tod einer Geißel bringt
aber die Verbindlichkeit zur Stellung eines Substituten nicht
von selbst mit sich. Ist die Hauptverbindlichkeit getilgt, so
ist eine weitere Zurückbehaltung der Geißeln, ausgenommen
wegen ihrer persönlichen Handlungen und contrahirten Ver-
pflichtungen, nicht zulässig. 5
VII. Die Bestellung von Vertragsgewähren (§. 97.).

1 Fälle der Anwendung bei Günther Völkerr. II, 153. Klüber §. 156.
2 Die Grenze des Erlaubten wird nur durch die allgemeinen Grundsätze der
Vertragsfreiheit gezogen. Die ältere Zeit kannte auch Verpflichtungen zu
Schimpf und Schande, zur Ehr- und Rechtlosigkeit u. dgl. S. überhaupt
v. Neumann §. 256 f.
3 v. Neumann §. 770.
4 Derselbe §. 779 f.
5 Der Gebrauch hat sich seit dem 16ten Jahrh. verloren. Nur im Kriege
kommen meist noch gezwungene Geißeln vor (Buch II, Absch. 4.). Ueber
das Rechtsverhältniß der Geißeln s. vorzüglich Groot III, 20, 52 f. Mo-
§. 96. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
auf dieſem Wege weder ein rechtlich unmögliches Rechtsver-
hältniß begründet noch das entgegenſtehende Recht eines Drit-
ten beſeitigt werden.
II. Die Beſtellung von Unterpfändern (§. 71.), gewöhnlich aber
nur mit wirklicher Beſitzeinräumung. 1
III. Die Verpflichtung zu einer Conventionalſtrafe im Fall der
Nichterfüllung, ohne alle poſitive Beſchränkung. 2
IV. Das in alten Zeiten übliche Einlager oder Einreiten des
Schuldners, jus obstagii. 3
V. Die Beſtellung von Privatbürgen für eine Geldſchuld. 4
VI. Die Ueberlieferung von Geißeln, d. h. einzelner Perſonen,
welche der Gläubiger bis zu ſeiner völligen Befriedigung zu-
rückbehalten kann. Sie ſind entweder freiwillige oder von
einer rechtmäßigen Gewalt gezwungene Geißeln; ſie haften
nicht für die Schuld ſelbſt, ſondern der Gläubiger erhält nur
das Recht ihre körperliche Freiheit bis zu jenem Zeitpuncte
zu beſchränken; ſogar der eingetretene Verfalltermin der
Schuld giebt ihm nach geſittetem Völkerrecht keine größere
Befugniß gegen ihre Perſon. Für den Unterhalt müſſen frei-
willige Geißeln ſelbſt, für unfreiwillige der Schuldner ſorgen.
Entfliehen ſie, ſo kann der Gläubiger ihre Rücklieferung
von dem der ſie vertragsweiſe gegeben hat, oder einen Er-
ſatz für die verlorenen fordern. Der Tod einer Geißel bringt
aber die Verbindlichkeit zur Stellung eines Subſtituten nicht
von ſelbſt mit ſich. Iſt die Hauptverbindlichkeit getilgt, ſo
iſt eine weitere Zurückbehaltung der Geißeln, ausgenommen
wegen ihrer perſönlichen Handlungen und contrahirten Ver-
pflichtungen, nicht zuläſſig. 5
VII. Die Beſtellung von Vertragsgewähren (§. 97.).

1 Fälle der Anwendung bei Günther Völkerr. II, 153. Klüber §. 156.
2 Die Grenze des Erlaubten wird nur durch die allgemeinen Grundſätze der
Vertragsfreiheit gezogen. Die ältere Zeit kannte auch Verpflichtungen zu
Schimpf und Schande, zur Ehr- und Rechtloſigkeit u. dgl. S. überhaupt
v. Neumann §. 256 f.
3 v. Neumann §. 770.
4 Derſelbe §. 779 f.
5 Der Gebrauch hat ſich ſeit dem 16ten Jahrh. verloren. Nur im Kriege
kommen meiſt noch gezwungene Geißeln vor (Buch II, Abſch. 4.). Ueber
das Rechtsverhältniß der Geißeln ſ. vorzüglich Groot III, 20, 52 f. Mo-
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[169/0193] §. 96. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. auf dieſem Wege weder ein rechtlich unmögliches Rechtsver- hältniß begründet noch das entgegenſtehende Recht eines Drit- ten beſeitigt werden. II. Die Beſtellung von Unterpfändern (§. 71.), gewöhnlich aber nur mit wirklicher Beſitzeinräumung. 1 III. Die Verpflichtung zu einer Conventionalſtrafe im Fall der Nichterfüllung, ohne alle poſitive Beſchränkung. 2 IV. Das in alten Zeiten übliche Einlager oder Einreiten des Schuldners, jus obstagii. 3 V. Die Beſtellung von Privatbürgen für eine Geldſchuld. 4 VI. Die Ueberlieferung von Geißeln, d. h. einzelner Perſonen, welche der Gläubiger bis zu ſeiner völligen Befriedigung zu- rückbehalten kann. Sie ſind entweder freiwillige oder von einer rechtmäßigen Gewalt gezwungene Geißeln; ſie haften nicht für die Schuld ſelbſt, ſondern der Gläubiger erhält nur das Recht ihre körperliche Freiheit bis zu jenem Zeitpuncte zu beſchränken; ſogar der eingetretene Verfalltermin der Schuld giebt ihm nach geſittetem Völkerrecht keine größere Befugniß gegen ihre Perſon. Für den Unterhalt müſſen frei- willige Geißeln ſelbſt, für unfreiwillige der Schuldner ſorgen. Entfliehen ſie, ſo kann der Gläubiger ihre Rücklieferung von dem der ſie vertragsweiſe gegeben hat, oder einen Er- ſatz für die verlorenen fordern. Der Tod einer Geißel bringt aber die Verbindlichkeit zur Stellung eines Subſtituten nicht von ſelbſt mit ſich. Iſt die Hauptverbindlichkeit getilgt, ſo iſt eine weitere Zurückbehaltung der Geißeln, ausgenommen wegen ihrer perſönlichen Handlungen und contrahirten Ver- pflichtungen, nicht zuläſſig. 5 VII. Die Beſtellung von Vertragsgewähren (§. 97.). 1 Fälle der Anwendung bei Günther Völkerr. II, 153. Klüber §. 156. 2 Die Grenze des Erlaubten wird nur durch die allgemeinen Grundſätze der Vertragsfreiheit gezogen. Die ältere Zeit kannte auch Verpflichtungen zu Schimpf und Schande, zur Ehr- und Rechtloſigkeit u. dgl. S. überhaupt v. Neumann §. 256 f. 3 v. Neumann §. 770. 4 Derſelbe §. 779 f. 5 Der Gebrauch hat ſich ſeit dem 16ten Jahrh. verloren. Nur im Kriege kommen meiſt noch gezwungene Geißeln vor (Buch II, Abſch. 4.). Ueber das Rechtsverhältniß der Geißeln ſ. vorzüglich Groot III, 20, 52 f. Mo-

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/193>, abgerufen am 01.05.2024.