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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

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Zweytes Buch. III. Abschnitt.
sich selbst anfangende Bewegung. Theils fehlt dadurch
der Substanz, das Princip der Persönlichkeit, --
ein Mangel, welcher vornehmlich gegen das Spinozisti-
sche System empört hat; -- theils ist das Erkennen die
äusserliche Reflexion, welche das, was als endliches er-
scheint, die Bestimmtheit des Attributs und den Modus,
wie auch überhaupt sich selbst, nicht aus der Substanz be-
greift und ableitet, sondern als ein äusserlicher Verstand
thätig ist, die Bestimmungen als gegebene aufnimmt,
und sie auf das Absolute zurükführt, nicht aber von
diesem ihre Anfänge hernimmt.

Die Begriffe, die Spinoza von der Substanz
gibt, sind die Begriffe der Ursache seiner selbst,
-- daß sie das ist, dessen Wesen die Existenz in
sich schliesse
; -- daß der Begriff des Absoluten nicht
des Begriffs eines andern bedürfe
, von dem
er gebildet werden müsse; -- diese Begriffe, so tief und
richtig sie sind, sind Definitionen, welche vornen in
der Wissenschaft unmittelbar angenommen werden.
Mathematik und andere untergeordnete Wissenschaften
müssen mit einem Vorausgesetzten anfangen, das
ihr Element und positive Grundlage ausmacht. Aber
das Absolute kann nicht ein Erstes, Unmittelbares seyn,
sondern das Absolute ist wesentlich sein Resultat.

Nach der Definition des Absoluten tritt bey Spi-
noza ferner die Definition des Attributs auf;
und wird als dasjenige bestimmt, wie der Verstand
dessen Wesen begreift
. Ausserdem daß der Ver-
stand
seiner Natur nach als später angenommen wird,
als das Attribut, -- denn Spinoza bestimmt ihn als
Modus, -- so wird das Attribut, die Bestimmung
als Bestimmung des Absoluten, von einem andern,
dem Verstande, abhängig gemacht, welches der Sub-
stanz gegenüber äusserlich und unmittelbar auftritt.

Die

Zweytes Buch. III. Abſchnitt.
ſich ſelbſt anfangende Bewegung. Theils fehlt dadurch
der Subſtanz, das Princip der Perſoͤnlichkeit, —
ein Mangel, welcher vornehmlich gegen das Spinoziſti-
ſche Syſtem empoͤrt hat; — theils iſt das Erkennen die
aͤuſſerliche Reflexion, welche das, was als endliches er-
ſcheint, die Beſtimmtheit des Attributs und den Modus,
wie auch uͤberhaupt ſich ſelbſt, nicht aus der Subſtanz be-
greift und ableitet, ſondern als ein aͤuſſerlicher Verſtand
thaͤtig iſt, die Beſtimmungen als gegebene aufnimmt,
und ſie auf das Abſolute zuruͤkfuͤhrt, nicht aber von
dieſem ihre Anfaͤnge hernimmt.

Die Begriffe, die Spinoza von der Subſtanz
gibt, ſind die Begriffe der Urſache ſeiner ſelbſt,
— daß ſie das iſt, deſſen Weſen die Exiſtenz in
ſich ſchlieſſe
; — daß der Begriff des Abſoluten nicht
des Begriffs eines andern beduͤrfe
, von dem
er gebildet werden muͤſſe; — dieſe Begriffe, ſo tief und
richtig ſie ſind, ſind Definitionen, welche vornen in
der Wiſſenſchaft unmittelbar angenommen werden.
Mathematik und andere untergeordnete Wiſſenſchaften
muͤſſen mit einem Vorausgeſetzten anfangen, das
ihr Element und poſitive Grundlage ausmacht. Aber
das Abſolute kann nicht ein Erſtes, Unmittelbares ſeyn,
ſondern das Abſolute iſt weſentlich ſein Reſultat.

Nach der Definition des Abſoluten tritt bey Spi-
noza ferner die Definition des Attributs auf;
und wird als dasjenige beſtimmt, wie der Verſtand
deſſen Weſen begreift
. Auſſerdem daß der Ver-
ſtand
ſeiner Natur nach als ſpaͤter angenommen wird,
als das Attribut, — denn Spinoza beſtimmt ihn als
Modus, — ſo wird das Attribut, die Beſtimmung
als Beſtimmung des Abſoluten, von einem andern,
dem Verſtande, abhaͤngig gemacht, welches der Sub-
ſtanz gegenuͤber aͤuſſerlich und unmittelbar auftritt.

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[226/0238] Zweytes Buch. III. Abſchnitt. ſich ſelbſt anfangende Bewegung. Theils fehlt dadurch der Subſtanz, das Princip der Perſoͤnlichkeit, — ein Mangel, welcher vornehmlich gegen das Spinoziſti- ſche Syſtem empoͤrt hat; — theils iſt das Erkennen die aͤuſſerliche Reflexion, welche das, was als endliches er- ſcheint, die Beſtimmtheit des Attributs und den Modus, wie auch uͤberhaupt ſich ſelbſt, nicht aus der Subſtanz be- greift und ableitet, ſondern als ein aͤuſſerlicher Verſtand thaͤtig iſt, die Beſtimmungen als gegebene aufnimmt, und ſie auf das Abſolute zuruͤkfuͤhrt, nicht aber von dieſem ihre Anfaͤnge hernimmt. Die Begriffe, die Spinoza von der Subſtanz gibt, ſind die Begriffe der Urſache ſeiner ſelbſt, — daß ſie das iſt, deſſen Weſen die Exiſtenz in ſich ſchlieſſe; — daß der Begriff des Abſoluten nicht des Begriffs eines andern beduͤrfe, von dem er gebildet werden muͤſſe; — dieſe Begriffe, ſo tief und richtig ſie ſind, ſind Definitionen, welche vornen in der Wiſſenſchaft unmittelbar angenommen werden. Mathematik und andere untergeordnete Wiſſenſchaften muͤſſen mit einem Vorausgeſetzten anfangen, das ihr Element und poſitive Grundlage ausmacht. Aber das Abſolute kann nicht ein Erſtes, Unmittelbares ſeyn, ſondern das Abſolute iſt weſentlich ſein Reſultat. Nach der Definition des Abſoluten tritt bey Spi- noza ferner die Definition des Attributs auf; und wird als dasjenige beſtimmt, wie der Verſtand deſſen Weſen begreift. Auſſerdem daß der Ver- ſtand ſeiner Natur nach als ſpaͤter angenommen wird, als das Attribut, — denn Spinoza beſtimmt ihn als Modus, — ſo wird das Attribut, die Beſtimmung als Beſtimmung des Abſoluten, von einem andern, dem Verſtande, abhaͤngig gemacht, welches der Sub- ſtanz gegenuͤber aͤuſſerlich und unmittelbar auftritt. Die

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/238>, abgerufen am 29.04.2024.