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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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III. Kapitel. Der Schluß.
das Subject erhält durch den Schlußsatz ein Prädicat,
als eine Folge; der Obersatz aber enthält in sich schon
diesen Schlußsatz; der Obersatz ist also nicht für
sich richtig
, oder ist nicht ein unmittelbares, voraus-
gesetztes Urtheil, sondern setzt selbst schon den
Schlußsatz voraus
, dessen Grund er seyn sollte. --
In dem beliebten vollkommenen Schlusse:

Alle Menschen sind sterblich,
Nun ist Cajus ein Mensch
Ergo ist Cajus sterblich,

ist der Obersatz nur darum und insofern richtig, als der
Schlußsatz richtig ist; wäre Cajus zufälligerwei-
se nicht sterblich, so wäre der Obersatz nicht richtig.
Der Satz, welcher Schlußsatz seyn sollte, muß schon
unmittelbar für sich richtig seyn, weil der Obersatz
sonst nicht Alle Einzelne befassen könnte; ehe der
Obersatz als richtig gelten kann, ist vorher die Fra-
ge, ob nicht jener Schlußsatz selbst eine Instanz
gegen ihn sey.

3. Beym Schlusse des Daseyns ergab sich aus dem
Begriffe des Schlusses, daß die Prämissen als unmit-
telbare
, dem Schlußsatze, nemlich der durch den Be-
griff des Schlusses gefoderten Vermittlung, wider-
sprachen, daß der erste Schluß daher andere, und um-
gekehrt diese andern ihn voraussetzten. Im Schlusse
der Reflexion ist diß an ihm selbst gesetzt, daß der Ober-
satz seinen Schlußsatz voraussetzt, indem jener die Ver-
bindung des Einzelnen mit einem Prädicate enthält, wel-
che eben erst Schlußsatz seyn soll.

Was also in der That vorhanden ist, kann zu-
nächst so ausgedrückt werden: daß der Reflexionsschluß
nur ein äusserlicher leerer Schein des Schliessens

ist,

III. Kapitel. Der Schluß.
das Subject erhaͤlt durch den Schlußſatz ein Praͤdicat,
als eine Folge; der Oberſatz aber enthaͤlt in ſich ſchon
dieſen Schlußſatz; der Oberſatz iſt alſo nicht fuͤr
ſich richtig
, oder iſt nicht ein unmittelbares, voraus-
geſetztes Urtheil, ſondern ſetzt ſelbſt ſchon den
Schlußſatz voraus
, deſſen Grund er ſeyn ſollte. —
In dem beliebten vollkommenen Schluſſe:

Alle Menſchen ſind ſterblich,
Nun iſt Cajus ein Menſch
Ergo iſt Cajus ſterblich,

iſt der Oberſatz nur darum und inſofern richtig, als der
Schlußſatz richtig iſt; waͤre Cajus zufaͤlligerwei-
ſe nicht ſterblich, ſo waͤre der Oberſatz nicht richtig.
Der Satz, welcher Schlußſatz ſeyn ſollte, muß ſchon
unmittelbar fuͤr ſich richtig ſeyn, weil der Oberſatz
ſonſt nicht Alle Einzelne befaſſen koͤnnte; ehe der
Oberſatz als richtig gelten kann, iſt vorher die Fra-
ge, ob nicht jener Schlußſatz ſelbſt eine Inſtanz
gegen ihn ſey.

3. Beym Schluſſe des Daſeyns ergab ſich aus dem
Begriffe des Schluſſes, daß die Praͤmiſſen als unmit-
telbare
, dem Schlußſatze, nemlich der durch den Be-
griff des Schluſſes gefoderten Vermittlung, wider-
ſprachen, daß der erſte Schluß daher andere, und um-
gekehrt dieſe andern ihn vorausſetzten. Im Schluſſe
der Reflexion iſt diß an ihm ſelbſt geſetzt, daß der Ober-
ſatz ſeinen Schlußſatz vorausſetzt, indem jener die Ver-
bindung des Einzelnen mit einem Praͤdicate enthaͤlt, wel-
che eben erſt Schlußſatz ſeyn ſoll.

Was alſo in der That vorhanden iſt, kann zu-
naͤchſt ſo ausgedruͤckt werden: daß der Reflexionsſchluß
nur ein aͤuſſerlicher leerer Schein des Schlieſſens

iſt,
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[169/0187] III. Kapitel. Der Schluß. das Subject erhaͤlt durch den Schlußſatz ein Praͤdicat, als eine Folge; der Oberſatz aber enthaͤlt in ſich ſchon dieſen Schlußſatz; der Oberſatz iſt alſo nicht fuͤr ſich richtig, oder iſt nicht ein unmittelbares, voraus- geſetztes Urtheil, ſondern ſetzt ſelbſt ſchon den Schlußſatz voraus, deſſen Grund er ſeyn ſollte. — In dem beliebten vollkommenen Schluſſe: Alle Menſchen ſind ſterblich, Nun iſt Cajus ein Menſch Ergo iſt Cajus ſterblich, iſt der Oberſatz nur darum und inſofern richtig, als der Schlußſatz richtig iſt; waͤre Cajus zufaͤlligerwei- ſe nicht ſterblich, ſo waͤre der Oberſatz nicht richtig. Der Satz, welcher Schlußſatz ſeyn ſollte, muß ſchon unmittelbar fuͤr ſich richtig ſeyn, weil der Oberſatz ſonſt nicht Alle Einzelne befaſſen koͤnnte; ehe der Oberſatz als richtig gelten kann, iſt vorher die Fra- ge, ob nicht jener Schlußſatz ſelbſt eine Inſtanz gegen ihn ſey. 3. Beym Schluſſe des Daſeyns ergab ſich aus dem Begriffe des Schluſſes, daß die Praͤmiſſen als unmit- telbare, dem Schlußſatze, nemlich der durch den Be- griff des Schluſſes gefoderten Vermittlung, wider- ſprachen, daß der erſte Schluß daher andere, und um- gekehrt dieſe andern ihn vorausſetzten. Im Schluſſe der Reflexion iſt diß an ihm ſelbſt geſetzt, daß der Ober- ſatz ſeinen Schlußſatz vorausſetzt, indem jener die Ver- bindung des Einzelnen mit einem Praͤdicate enthaͤlt, wel- che eben erſt Schlußſatz ſeyn ſoll. Was alſo in der That vorhanden iſt, kann zu- naͤchſt ſo ausgedruͤckt werden: daß der Reflexionsſchluß nur ein aͤuſſerlicher leerer Schein des Schlieſſens iſt,

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/187>, abgerufen am 02.05.2024.