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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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III. Abschnitt.
Ursache und dergleichen, so bedeutet es nur ein Bestim-
men durch die Reflexion, so wie auch mit dem Ver-
stehen
nur das bestimmte Vorstellen von ganz be-
stimmtem sinnlichem Inhalte gemeynt seyn kann; wie
wenn einer, dem man den Weg bezeichnet, daß er am
Ende des Waldes links gehen müsse, etwa erwiedert:
ich verstehe, so will das Verstehen weiter nicht
sagen, als das Fassen in die Vorstellung und ins Ge-
dächtniß. -- Auch Vernunftbegriff ist ein etwas
ungeschickter Ausdruck; denn der Begriff ist überhaupt
etwas Vernünftiges; und insofern die Vernunft vom
Verstande und dem Begriff als solchem unterschieden
wird, so ist sie die Totalität des Begriffs und der Ob-
jectivität. -- In diesem Sinne ist die Idee das Ver-
nünftige
; -- sie ist das Unbedingte darum, weil nur
dasjenige Bedingungen hat, was sich wesentlich auf eine
Objectivität bezieht, aber eine nicht durch es selbst be-
stimmte, sondern eine solche, die noch in der Form der
Gleichgültigkeit und Aeusserlichkeit dagegen ist, wie noch
der äusserliche Zweck hatte.

Indem nun der Ausdruck Idee für den objecti-
ven oder realen Begriff zurückbehalten, und von dem
Begriff selbst, noch mehr aber von der blossen Vorstel-
lung unterschieden wird, so ist ferner noch mehr dieje-
nige Schätzung der Idee zu verwerfen, nach welcher sie
für etwas nur Unwirkliches genommen und von wah-
ren Gedanken gesagt wird, es seyen nur Ideen.
Wenn die Gedanken etwas bloß subjectives und
zufälliges sind, so haben sie allerdings keinen weitern
Werth, aber sie stehen den zeitlichen und zufälligen
Wirklichkeiten darin nicht nach, welche ebenfalls
keinen weitern Werth als den von Zufälligkeiten und
Erscheinungen haben. Wenn dagegen umgekehrt die
Idee darum den Werth der Wahrheit nicht haben soll,

weil

III. Abſchnitt.
Urſache und dergleichen, ſo bedeutet es nur ein Beſtim-
men durch die Reflexion, ſo wie auch mit dem Ver-
ſtehen
nur das beſtimmte Vorſtellen von ganz be-
ſtimmtem ſinnlichem Inhalte gemeynt ſeyn kann; wie
wenn einer, dem man den Weg bezeichnet, daß er am
Ende des Waldes links gehen muͤſſe, etwa erwiedert:
ich verſtehe, ſo will das Verſtehen weiter nicht
ſagen, als das Faſſen in die Vorſtellung und ins Ge-
daͤchtniß. — Auch Vernunftbegriff iſt ein etwas
ungeſchickter Ausdruck; denn der Begriff iſt uͤberhaupt
etwas Vernuͤnftiges; und inſofern die Vernunft vom
Verſtande und dem Begriff als ſolchem unterſchieden
wird, ſo iſt ſie die Totalitaͤt des Begriffs und der Ob-
jectivitaͤt. — In dieſem Sinne iſt die Idee das Ver-
nuͤnftige
; — ſie iſt das Unbedingte darum, weil nur
dasjenige Bedingungen hat, was ſich weſentlich auf eine
Objectivitaͤt bezieht, aber eine nicht durch es ſelbſt be-
ſtimmte, ſondern eine ſolche, die noch in der Form der
Gleichguͤltigkeit und Aeuſſerlichkeit dagegen iſt, wie noch
der aͤuſſerliche Zweck hatte.

Indem nun der Ausdruck Idee fuͤr den objecti-
ven oder realen Begriff zuruͤckbehalten, und von dem
Begriff ſelbſt, noch mehr aber von der bloſſen Vorſtel-
lung unterſchieden wird, ſo iſt ferner noch mehr dieje-
nige Schaͤtzung der Idee zu verwerfen, nach welcher ſie
fuͤr etwas nur Unwirkliches genommen und von wah-
ren Gedanken geſagt wird, es ſeyen nur Ideen.
Wenn die Gedanken etwas bloß ſubjectives und
zufaͤlliges ſind, ſo haben ſie allerdings keinen weitern
Werth, aber ſie ſtehen den zeitlichen und zufaͤlligen
Wirklichkeiten darin nicht nach, welche ebenfalls
keinen weitern Werth als den von Zufaͤlligkeiten und
Erſcheinungen haben. Wenn dagegen umgekehrt die
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weil
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[268/0286] III. Abſchnitt. Urſache und dergleichen, ſo bedeutet es nur ein Beſtim- men durch die Reflexion, ſo wie auch mit dem Ver- ſtehen nur das beſtimmte Vorſtellen von ganz be- ſtimmtem ſinnlichem Inhalte gemeynt ſeyn kann; wie wenn einer, dem man den Weg bezeichnet, daß er am Ende des Waldes links gehen muͤſſe, etwa erwiedert: ich verſtehe, ſo will das Verſtehen weiter nicht ſagen, als das Faſſen in die Vorſtellung und ins Ge- daͤchtniß. — Auch Vernunftbegriff iſt ein etwas ungeſchickter Ausdruck; denn der Begriff iſt uͤberhaupt etwas Vernuͤnftiges; und inſofern die Vernunft vom Verſtande und dem Begriff als ſolchem unterſchieden wird, ſo iſt ſie die Totalitaͤt des Begriffs und der Ob- jectivitaͤt. — In dieſem Sinne iſt die Idee das Ver- nuͤnftige; — ſie iſt das Unbedingte darum, weil nur dasjenige Bedingungen hat, was ſich weſentlich auf eine Objectivitaͤt bezieht, aber eine nicht durch es ſelbſt be- ſtimmte, ſondern eine ſolche, die noch in der Form der Gleichguͤltigkeit und Aeuſſerlichkeit dagegen iſt, wie noch der aͤuſſerliche Zweck hatte. Indem nun der Ausdruck Idee fuͤr den objecti- ven oder realen Begriff zuruͤckbehalten, und von dem Begriff ſelbſt, noch mehr aber von der bloſſen Vorſtel- lung unterſchieden wird, ſo iſt ferner noch mehr dieje- nige Schaͤtzung der Idee zu verwerfen, nach welcher ſie fuͤr etwas nur Unwirkliches genommen und von wah- ren Gedanken geſagt wird, es ſeyen nur Ideen. Wenn die Gedanken etwas bloß ſubjectives und zufaͤlliges ſind, ſo haben ſie allerdings keinen weitern Werth, aber ſie ſtehen den zeitlichen und zufaͤlligen Wirklichkeiten darin nicht nach, welche ebenfalls keinen weitern Werth als den von Zufaͤlligkeiten und Erſcheinungen haben. Wenn dagegen umgekehrt die Idee darum den Werth der Wahrheit nicht haben ſoll, weil

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/286>, abgerufen am 29.04.2024.