Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Lichte des Bewusstseyns durchdrungen ist. Die
menschliche Gestalt streifft das thierische. mit der sie
vermischt war, ab; das Thier ist für den Gott nur ei-
ne zufällige Verkleidung; es tritt neben seine wahre
Gestalt, und gilt für sich nichts mehr, sondern ist zur
Bedeutung eines andern, zum blossen Zeichen, herab-
gesunken. Die Gestalt des Gottes streift ebenda-
durch an ihr selbst auch die Bedürftigkeit der natürli-
chen Bedingungen des thierischen Daseyns ab, und
deutet die innerlichen Anstalten des organischen Le-
bens in ihre Oberfläche verschmolzen und nur die-
ser angehörig an. -- Das Wesen des Gottes aber ist die
Einheit des allgemeinen Daseyns der Natur und des
selbstbewussten Geistes, der in seiner Wirklichkeit
jenem gegenüberstehend erscheint. Zugleich zunächst
eine einzelne Gestalt, ist sein Daseyn eines der Ele-
mente der Natur, so wie seine selbstbewusste Wirk-
lichkeit ein einzelner Volksgeist. Aber jenes ist in
dieser Einheit das in den Geist reflectirte Element,
die durch den Gedanken verklärte, mit dem selbstbe-
wussten Leben geeinte Natur. Die Göttergestalt hat
darum ihr Naturelement als ein aufgehobnes, als ei-
ne dunkle Erinnerung in ihr. Das wüste Wesen und
der verworrene Kampf des freyen Daseyns der Ele-
mente, das unsittliche Reich der Titanen, ist besiegt,
und an den Saum der sich klar gewordnen Wirk-
lichkeit, an die trüben Gräntzen der sich im Geiste
findenden und beruhigten Welt verwiesen. Diese al-

T t

Lichte des Bewuſstseyns durchdrungen ist. Die
menschliche Gestalt ſtreifft das thierische. mit der ſie
vermischt war, ab; das Thier ist für den Gott nur ei-
ne zufällige Verkleidung; es tritt neben seine wahre
Gestalt, und gilt für sich nichts mehr, sondern ist zur
Bedeutung eines andern, zum bloſſen Zeichen, herab-
gesunken. Die Geſtalt des Gottes ſtreift ebenda-
durch an ihr ſelbſt auch die Bedürftigkeit der natürli-
chen Bedingungen des thieriſchen Daseyns ab, und
deutet die innerlichen Anſtalten des organischen Le-
bens in ihre Oberfläche verſchmolzen und nur die-
ser angehörig an. — Das Weſen des Gottes aber iſt die
Einheit des allgemeinen Daſeyns der Natur und des
ſelbſtbewuſsten Geiſtes, der in ſeiner Wirklichkeit
jenem gegenüberſtehend erſcheint. Zugleich zunächſt
eine einzelne Geſtalt, iſt ſein Daſeyn eines der Ele-
mente der Natur, ſo wie ſeine ſelbſtbewuſste Wirk-
lichkeit ein einzelner Volksgeiſt. Aber jenes iſt in
dieſer Einheit das in den Geiſt reflectirte Element,
die durch den Gedanken verklärte, mit dem ſelbſtbe-
wuſsten Leben geeinte Natur. Die Göttergeſtalt hat
darum ihr Naturelement als ein aufgehobnes, als ei-
ne dunkle Erinnerung in ihr. Das wüſte Weſen und
der verworrene Kampf des freyen Daſeyns der Ele-
mente, das unſittliche Reich der Titanen, iſt beſiegt,
und an den Saum der ſich klar gewordnen Wirk-
lichkeit, an die trüben Gräntzen der ſich im Geiſte
findenden und beruhigten Welt verwieſen. Diese al-

T t
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0766" n="657"/>
Lichte des Bewu&#x017F;stseyns durchdrungen ist. Die<lb/>
menschliche Gestalt &#x017F;treifft das thierische. mit der &#x017F;ie<lb/>
vermischt war, ab; das Thier ist für den Gott nur ei-<lb/>
ne zufällige Verkleidung; es tritt neben seine wahre<lb/>
Gestalt, und gilt für sich nichts mehr, sondern ist zur<lb/>
Bedeutung eines andern, zum blo&#x017F;&#x017F;en Zeichen, herab-<lb/>
gesunken. Die Ge&#x017F;talt des Gottes &#x017F;treift ebenda-<lb/>
durch an ihr &#x017F;elb&#x017F;t auch die Bedürftigkeit der natürli-<lb/>
chen Bedingungen des thieri&#x017F;chen Daseyns ab, und<lb/>
deutet die innerlichen An&#x017F;talten des organischen Le-<lb/>
bens in ihre Oberfläche ver&#x017F;chmolzen und nur die-<lb/>
ser angehörig an. &#x2014; Das <hi rendition="#i">We&#x017F;en</hi> des Gottes aber i&#x017F;t die<lb/>
Einheit des allgemeinen Da&#x017F;eyns der Natur und des<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;tbewu&#x017F;sten Gei&#x017F;tes, der in &#x017F;einer Wirklichkeit<lb/>
jenem gegenüber&#x017F;tehend er&#x017F;cheint. Zugleich zunäch&#x017F;t<lb/>
eine <hi rendition="#i">einzelne</hi> Ge&#x017F;talt, i&#x017F;t &#x017F;ein Da&#x017F;eyn eines der Ele-<lb/>
mente der Natur, &#x017F;o wie &#x017F;eine &#x017F;elb&#x017F;tbewu&#x017F;ste Wirk-<lb/>
lichkeit ein einzelner Volksgei&#x017F;t. Aber jenes i&#x017F;t in<lb/>
die&#x017F;er Einheit das in den Gei&#x017F;t reflectirte Element,<lb/>
die durch den Gedanken verklärte, mit dem &#x017F;elb&#x017F;tbe-<lb/>
wu&#x017F;sten Leben geeinte Natur. Die Götterge&#x017F;talt hat<lb/>
darum ihr Naturelement als ein aufgehobnes, als ei-<lb/>
ne dunkle Erinnerung in ihr. Das wü&#x017F;te We&#x017F;en und<lb/>
der verworrene Kampf des freyen Da&#x017F;eyns der Ele-<lb/>
mente, das un&#x017F;ittliche Reich der Titanen, i&#x017F;t be&#x017F;iegt,<lb/>
und an den Saum der &#x017F;ich klar gewordnen Wirk-<lb/>
lichkeit, an die trüben Gräntzen der &#x017F;ich im Gei&#x017F;te<lb/><choice><sic>&#x017F;indenden</sic><corr>findenden</corr></choice> und beruhigten Welt verwie&#x017F;en. Diese al-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T t</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[657/0766] Lichte des Bewuſstseyns durchdrungen ist. Die menschliche Gestalt ſtreifft das thierische. mit der ſie vermischt war, ab; das Thier ist für den Gott nur ei- ne zufällige Verkleidung; es tritt neben seine wahre Gestalt, und gilt für sich nichts mehr, sondern ist zur Bedeutung eines andern, zum bloſſen Zeichen, herab- gesunken. Die Geſtalt des Gottes ſtreift ebenda- durch an ihr ſelbſt auch die Bedürftigkeit der natürli- chen Bedingungen des thieriſchen Daseyns ab, und deutet die innerlichen Anſtalten des organischen Le- bens in ihre Oberfläche verſchmolzen und nur die- ser angehörig an. — Das Weſen des Gottes aber iſt die Einheit des allgemeinen Daſeyns der Natur und des ſelbſtbewuſsten Geiſtes, der in ſeiner Wirklichkeit jenem gegenüberſtehend erſcheint. Zugleich zunächſt eine einzelne Geſtalt, iſt ſein Daſeyn eines der Ele- mente der Natur, ſo wie ſeine ſelbſtbewuſste Wirk- lichkeit ein einzelner Volksgeiſt. Aber jenes iſt in dieſer Einheit das in den Geiſt reflectirte Element, die durch den Gedanken verklärte, mit dem ſelbſtbe- wuſsten Leben geeinte Natur. Die Göttergeſtalt hat darum ihr Naturelement als ein aufgehobnes, als ei- ne dunkle Erinnerung in ihr. Das wüſte Weſen und der verworrene Kampf des freyen Daſeyns der Ele- mente, das unſittliche Reich der Titanen, iſt beſiegt, und an den Saum der ſich klar gewordnen Wirk- lichkeit, an die trüben Gräntzen der ſich im Geiſte findenden und beruhigten Welt verwieſen. Diese al- T t

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/766
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/766>, abgerufen am 02.05.2024.