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Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.

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Doch heil'ges Erbarmen und schauriges Mitleid
Durchströmt mein Herz,
Wenn ich Euch jetzt da droben schaue,
Verlassene Götter,
Todte, nachtwandelnde Schatten,
Nebelschwache, die der Wind verscheucht --
Und wenn ich bedenke, wie feig und windig
Die Götter sind, die Euch besiegten,
Die neuen, herrschenden, tristen Götter.
Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth --
O da faßt mich ein düsterer Groll,
Und brechen möcht' ich die neuen Tempel,
Und kämpfen für Euch, Ihr alten Götter,
Für Euch und Eu'r gutes, ambrosisches Recht,
Und vor Euren hohen Altären,
Den wiedergebauten, den opferdampfenden
Möcht' ich selber knien und beten,
Und flehend die Arme erheben --
Denn, immerhin, Ihr alten Götter,
Habt Ihr's auch eh'mals, in Kämpfen der Menschen,
Stets mit der Parthei der Sieger gehalten,
So ist doch der Mensch großmüth'ger als Ihr,
Und in Götterkämpfen halt' ich es jetzt
Mit der Parthei der besiegten Götter.
23 *
Doch heil'ges Erbarmen und ſchauriges Mitleid
Durchſtrömt mein Herz,
Wenn ich Euch jetzt da droben ſchaue,
Verlaſſene Götter,
Todte, nachtwandelnde Schatten,
Nebelſchwache, die der Wind verſcheucht —
Und wenn ich bedenke, wie feig und windig
Die Götter ſind, die Euch beſiegten,
Die neuen, herrſchenden, triſten Götter.
Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth —
O da faßt mich ein düſterer Groll,
Und brechen möcht' ich die neuen Tempel,
Und kämpfen für Euch, Ihr alten Götter,
Für Euch und Eu'r gutes, ambroſiſches Recht,
Und vor Euren hohen Altären,
Den wiedergebauten, den opferdampfenden
Möcht' ich ſelber knien und beten,
Und flehend die Arme erheben —
Denn, immerhin, Ihr alten Götter,
Habt Ihr's auch eh'mals, in Kämpfen der Menſchen,
Stets mit der Parthei der Sieger gehalten,
So iſt doch der Menſch großmüth'ger als Ihr,
Und in Götterkämpfen halt' ich es jetzt
Mit der Parthei der beſiegten Götter.
23 *
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[361/0369] Doch heil'ges Erbarmen und ſchauriges Mitleid Durchſtrömt mein Herz, Wenn ich Euch jetzt da droben ſchaue, Verlaſſene Götter, Todte, nachtwandelnde Schatten, Nebelſchwache, die der Wind verſcheucht — Und wenn ich bedenke, wie feig und windig Die Götter ſind, die Euch beſiegten, Die neuen, herrſchenden, triſten Götter. Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth — O da faßt mich ein düſterer Groll, Und brechen möcht' ich die neuen Tempel, Und kämpfen für Euch, Ihr alten Götter, Für Euch und Eu'r gutes, ambroſiſches Recht, Und vor Euren hohen Altären, Den wiedergebauten, den opferdampfenden Möcht' ich ſelber knien und beten, Und flehend die Arme erheben — Denn, immerhin, Ihr alten Götter, Habt Ihr's auch eh'mals, in Kämpfen der Menſchen, Stets mit der Parthei der Sieger gehalten, So iſt doch der Menſch großmüth'ger als Ihr, Und in Götterkämpfen halt' ich es jetzt Mit der Parthei der beſiegten Götter. 23 *

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/369>, abgerufen am 29.04.2024.