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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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Heringsalat, und der andere unterhielt sich mit der
gelbledernen Magd, Fusia Canina, auch Trittvo¬
gel genannt. Er sagte ihr einige Anständigkei¬
ten, und am Ende wurden sie Hand-gemein. Um
meinen Ranzen zu erleichtern, nahm ich die ein¬
gepackten blauen Hosen, die in geschichtlicher Hin¬
sicht sehr merkwürdig sind, wieder heraus und
schenkte sie dem kleinen Kellner, den man Colibri
nennt. Die Bussenia, die alte Wirthin, brachte
mir unterdessen ein Butterbrod, und beklagte sich,
daß ich sie jetzt so selten besuche; denn sie liebt
mich sehr.

Hinter Nörten stand die Sonne hoch und
glänzend am Himmel. Sie meinte es recht ehr¬
lich mit mir und erwärmte mein Haupt, daß alle
unreife Gedanken darin zur Vollreife kamen. Die
liebe Wirthshaussonne in Nordheim ist auch nicht
zu verachten; ich kehrte hier ein, und fand das
Mittagessen schon fertig. Alle Gerichte waren
schmackhaft zubereitet, und wollten mir besser beha¬
gen, als die abgeschmackten akademischen Gerichte,

Heringſalat, und der andere unterhielt ſich mit der
gelbledernen Magd, Fuſia Canina, auch Trittvo¬
gel genannt. Er ſagte ihr einige Anſtaͤndigkei¬
ten, und am Ende wurden ſie Hand-gemein. Um
meinen Ranzen zu erleichtern, nahm ich die ein¬
gepackten blauen Hoſen, die in geſchichtlicher Hin¬
ſicht ſehr merkwuͤrdig ſind, wieder heraus und
ſchenkte ſie dem kleinen Kellner, den man Colibri
nennt. Die Buſſenia, die alte Wirthin, brachte
mir unterdeſſen ein Butterbrod, und beklagte ſich,
daß ich ſie jetzt ſo ſelten beſuche; denn ſie liebt
mich ſehr.

Hinter Noͤrten ſtand die Sonne hoch und
glaͤnzend am Himmel. Sie meinte es recht ehr¬
lich mit mir und erwaͤrmte mein Haupt, daß alle
unreife Gedanken darin zur Vollreife kamen. Die
liebe Wirthshausſonne in Nordheim iſt auch nicht
zu verachten; ich kehrte hier ein, und fand das
Mittageſſen ſchon fertig. Alle Gerichte waren
ſchmackhaft zubereitet, und wollten mir beſſer beha¬
gen, als die abgeſchmackten akademiſchen Gerichte,

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[123/0135] Heringſalat, und der andere unterhielt ſich mit der gelbledernen Magd, Fuſia Canina, auch Trittvo¬ gel genannt. Er ſagte ihr einige Anſtaͤndigkei¬ ten, und am Ende wurden ſie Hand-gemein. Um meinen Ranzen zu erleichtern, nahm ich die ein¬ gepackten blauen Hoſen, die in geſchichtlicher Hin¬ ſicht ſehr merkwuͤrdig ſind, wieder heraus und ſchenkte ſie dem kleinen Kellner, den man Colibri nennt. Die Buſſenia, die alte Wirthin, brachte mir unterdeſſen ein Butterbrod, und beklagte ſich, daß ich ſie jetzt ſo ſelten beſuche; denn ſie liebt mich ſehr. Hinter Noͤrten ſtand die Sonne hoch und glaͤnzend am Himmel. Sie meinte es recht ehr¬ lich mit mir und erwaͤrmte mein Haupt, daß alle unreife Gedanken darin zur Vollreife kamen. Die liebe Wirthshausſonne in Nordheim iſt auch nicht zu verachten; ich kehrte hier ein, und fand das Mittageſſen ſchon fertig. Alle Gerichte waren ſchmackhaft zubereitet, und wollten mir beſſer beha¬ gen, als die abgeſchmackten akademiſchen Gerichte,

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/135>, abgerufen am 03.05.2024.