Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

ein neues Loch nach einer neuen Leiter hinableitet.
Ich war zuerst in die Carolina gestiegen. Das ist
die schmutzigste und unerfreulichste Carolina, die
ich je kennen gelernt habe. Die Leitersprossen sind
kothignaß. Und von einer Leiter zur andern geht's
hinab, und der Steiger voran, und dieser betheu¬
ert immer: es sey gar nicht gefährlich, nur müsse
man sich mit den Händen fest an den Sprossen
halten, und nicht nach den Füßen sehen, und nicht
schwindlich werden, und nur bey Leibe nicht auf
das Seitenbrett treten, wo jetzt das schnurrende
Tonnenseil heraufgeht, und wo, vor vierzehn Ta¬
gen, ein unvorsichtiger Mensch hinunter gestürzt
und leider den Hals gebrochen. Da unten ist ein
verworrenes Rauschen und Summen, man stößt
beständig an Balken und Seile, die in Bewegung
sind, um die Tonnen mit geklopften Erzen, oder
das hervorgesinterte Wasser, herauf zu winden. Zu¬
weilen gelangt man auch in durchgehauene Gänge,
Stollen genannt, wo man das Erz wachsen sieht,
und wo der einsame Bergmann den ganzen Tag

ein neues Loch nach einer neuen Leiter hinableitet.
Ich war zuerſt in die Carolina geſtiegen. Das iſt
die ſchmutzigſte und unerfreulichſte Carolina, die
ich je kennen gelernt habe. Die Leiterſproſſen ſind
kothignaß. Und von einer Leiter zur andern geht's
hinab, und der Steiger voran, und dieſer betheu¬
ert immer: es ſey gar nicht gefaͤhrlich, nur muͤſſe
man ſich mit den Haͤnden feſt an den Sproſſen
halten, und nicht nach den Fuͤßen ſehen, und nicht
ſchwindlich werden, und nur bey Leibe nicht auf
das Seitenbrett treten, wo jetzt das ſchnurrende
Tonnenſeil heraufgeht, und wo, vor vierzehn Ta¬
gen, ein unvorſichtiger Menſch hinunter geſtuͤrzt
und leider den Hals gebrochen. Da unten iſt ein
verworrenes Rauſchen und Summen, man ſtoͤßt
beſtaͤndig an Balken und Seile, die in Bewegung
ſind, um die Tonnen mit geklopften Erzen, oder
das hervorgeſinterte Waſſer, herauf zu winden. Zu¬
weilen gelangt man auch in durchgehauene Gaͤnge,
Stollen genannt, wo man das Erz wachſen ſieht,
und wo der einſame Bergmann den ganzen Tag

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="poem" n="1">
        <p><pb facs="#f0158" n="146"/>
ein neues Loch nach einer neuen Leiter hinableitet.<lb/>
Ich war zuer&#x017F;t in die Carolina ge&#x017F;tiegen. Das i&#x017F;t<lb/>
die &#x017F;chmutzig&#x017F;te und unerfreulich&#x017F;te Carolina, die<lb/>
ich je kennen gelernt habe. Die Leiter&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind<lb/>
kothignaß. Und von einer Leiter zur andern geht's<lb/>
hinab, und der Steiger voran, und die&#x017F;er betheu¬<lb/>
ert immer: es &#x017F;ey gar nicht gefa&#x0364;hrlich, nur mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
man &#x017F;ich mit den Ha&#x0364;nden fe&#x017F;t an den Spro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
halten, und nicht nach den Fu&#x0364;ßen &#x017F;ehen, und nicht<lb/>
&#x017F;chwindlich werden, und nur bey Leibe nicht auf<lb/>
das Seitenbrett treten, wo jetzt das &#x017F;chnurrende<lb/>
Tonnen&#x017F;eil heraufgeht, und wo, vor vierzehn Ta¬<lb/>
gen, ein unvor&#x017F;ichtiger Men&#x017F;ch hinunter ge&#x017F;tu&#x0364;rzt<lb/>
und leider den Hals gebrochen. Da unten i&#x017F;t ein<lb/>
verworrenes Rau&#x017F;chen und Summen, man &#x017F;to&#x0364;ßt<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig an Balken und Seile, die in Bewegung<lb/>
&#x017F;ind, um die Tonnen mit geklopften Erzen, oder<lb/>
das hervorge&#x017F;interte Wa&#x017F;&#x017F;er, herauf zu winden. Zu¬<lb/>
weilen gelangt man auch in durchgehauene Ga&#x0364;nge,<lb/>
Stollen genannt, wo man das Erz wach&#x017F;en &#x017F;ieht,<lb/>
und wo der ein&#x017F;ame Bergmann den ganzen Tag<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0158] ein neues Loch nach einer neuen Leiter hinableitet. Ich war zuerſt in die Carolina geſtiegen. Das iſt die ſchmutzigſte und unerfreulichſte Carolina, die ich je kennen gelernt habe. Die Leiterſproſſen ſind kothignaß. Und von einer Leiter zur andern geht's hinab, und der Steiger voran, und dieſer betheu¬ ert immer: es ſey gar nicht gefaͤhrlich, nur muͤſſe man ſich mit den Haͤnden feſt an den Sproſſen halten, und nicht nach den Fuͤßen ſehen, und nicht ſchwindlich werden, und nur bey Leibe nicht auf das Seitenbrett treten, wo jetzt das ſchnurrende Tonnenſeil heraufgeht, und wo, vor vierzehn Ta¬ gen, ein unvorſichtiger Menſch hinunter geſtuͤrzt und leider den Hals gebrochen. Da unten iſt ein verworrenes Rauſchen und Summen, man ſtoͤßt beſtaͤndig an Balken und Seile, die in Bewegung ſind, um die Tonnen mit geklopften Erzen, oder das hervorgeſinterte Waſſer, herauf zu winden. Zu¬ weilen gelangt man auch in durchgehauene Gaͤnge, Stollen genannt, wo man das Erz wachſen ſieht, und wo der einſame Bergmann den ganzen Tag

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/158
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/158>, abgerufen am 03.05.2024.