Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Mein edles Herz begleitete treulich
Den Sohn des Laertes, in Irrfahrt und Drangsal,
Setzte sich mit ihm, seelenbekümmert,
An gastliche Heerde,
Wo Königinnen Purpur spinnen,
Und half ihm lügen und glücklich entrinnen
Aus Riesenhöhlen und Nymphenarmen,
Folgte ihm nach in kümerische Nacht,
Und in Sturm und Schiffbruch,
Und duldete mit ihm unsägliches Elend.
Seufzend sprach ich: Du böser Poseidon,
Dein Zorn ist furchtbar,
Und mir selber bangt
Ob der eignen Heimkehr.
Kaum sprach ich die Worte,
Da schäumte das Meer,
Und aus den weißen Wellen stieg
Das schilfbekränzte Haupt des Meergotts,
Und höhnisch rief er:
Mein edles Herz begleitete treulich
Den Sohn des Laërtes, in Irrfahrt und Drangſal,
Setzte ſich mit ihm, ſeelenbekuͤmmert,
An gaſtliche Heerde,
Wo Koͤniginnen Purpur ſpinnen,
Und half ihm luͤgen und gluͤcklich entrinnen
Aus Rieſenhoͤhlen und Nymphenarmen,
Folgte ihm nach in kuͤmeriſche Nacht,
Und in Sturm und Schiffbruch,
Und duldete mit ihm unſaͤgliches Elend.
Seufzend ſprach ich: Du boͤſer Poſeidon,
Dein Zorn iſt furchtbar,
Und mir ſelber bangt
Ob der eignen Heimkehr.
Kaum ſprach ich die Worte‚
Da ſchaͤumte das Meer,
Und aus den weißen Wellen ſtieg
Das ſchilfbekraͤnzte Haupt des Meergotts,
Und hoͤhniſch rief er:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0288" n="276"/>
              <lg n="2">
                <l>Mein edles Herz begleitete treulich</l><lb/>
                <l>Den Sohn des Laërtes, in Irrfahrt und Drang&#x017F;al,</l><lb/>
                <l>Setzte &#x017F;ich mit ihm, &#x017F;eelenbeku&#x0364;mmert,</l><lb/>
                <l>An ga&#x017F;tliche Heerde,</l><lb/>
                <l>Wo Ko&#x0364;niginnen Purpur &#x017F;pinnen,</l><lb/>
                <l>Und half ihm lu&#x0364;gen und glu&#x0364;cklich entrinnen</l><lb/>
                <l>Aus Rie&#x017F;enho&#x0364;hlen und Nymphenarmen,</l><lb/>
                <l>Folgte ihm nach in ku&#x0364;meri&#x017F;che Nacht,</l><lb/>
                <l>Und in Sturm und Schiffbruch,</l><lb/>
                <l>Und duldete mit ihm un&#x017F;a&#x0364;gliches Elend.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Seufzend &#x017F;prach ich: Du bo&#x0364;&#x017F;er Po&#x017F;eidon,</l><lb/>
                <l>Dein Zorn i&#x017F;t furchtbar,</l><lb/>
                <l>Und mir &#x017F;elber bangt</l><lb/>
                <l>Ob der eignen Heimkehr.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Kaum &#x017F;prach ich die Worte&#x201A;</l><lb/>
                <l>Da &#x017F;cha&#x0364;umte das Meer,</l><lb/>
                <l>Und aus den weißen Wellen &#x017F;tieg</l><lb/>
                <l>Das &#x017F;chilfbekra&#x0364;nzte Haupt des Meergotts,</l><lb/>
                <l>Und ho&#x0364;hni&#x017F;ch rief er:</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0288] Mein edles Herz begleitete treulich Den Sohn des Laërtes, in Irrfahrt und Drangſal, Setzte ſich mit ihm, ſeelenbekuͤmmert, An gaſtliche Heerde, Wo Koͤniginnen Purpur ſpinnen, Und half ihm luͤgen und gluͤcklich entrinnen Aus Rieſenhoͤhlen und Nymphenarmen, Folgte ihm nach in kuͤmeriſche Nacht, Und in Sturm und Schiffbruch, Und duldete mit ihm unſaͤgliches Elend. Seufzend ſprach ich: Du boͤſer Poſeidon, Dein Zorn iſt furchtbar, Und mir ſelber bangt Ob der eignen Heimkehr. Kaum ſprach ich die Worte‚ Da ſchaͤumte das Meer, Und aus den weißen Wellen ſtieg Das ſchilfbekraͤnzte Haupt des Meergotts, Und hoͤhniſch rief er:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/288
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/288>, abgerufen am 28.04.2024.