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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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Grands öffneten sich geisterhaft weit, und ich
sah darin nichts als ein weites, weißes Eis¬
feld bedeckt mit Leichen -- es war die Schlacht
bey der Moskwa.

Ich hätte nie gedacht, daß die alte, harte
Trommel so schmerzliche Laute von sich geben
könnte, wie jetzt Monsieur Le Grand daraus
hervor zu locken wußte. Es waren getrom¬
melte Thränen, und sie tönten immer leiser,
und wie ein trübes Echo brachen tiefe Seufzer
aus der Brust Le Grand's. Und dieser wurde
immer matter und gespenstischer, seine dürren
Hände zitterten vor Frost, er saß wie im
Traume, und bewegte mit seinen Trommel¬
stöcken nur die Luft, und horchte wie auf
ferne Stimmen, und endlich schaute er mich
an, mit einem tiefen, abgrundtiefen, flehen¬
den Blick -- ich verstand ihn -- und
dann sank sein Haupt herab auf die
Trommel.

Grands oͤffneten ſich geiſterhaft weit, und ich
ſah darin nichts als ein weites, weißes Eis¬
feld bedeckt mit Leichen — es war die Schlacht
bey der Moskwa.

Ich haͤtte nie gedacht, daß die alte, harte
Trommel ſo ſchmerzliche Laute von ſich geben
koͤnnte, wie jetzt Monſieur Le Grand daraus
hervor zu locken wußte. Es waren getrom¬
melte Thraͤnen, und ſie toͤnten immer leiſer,
und wie ein truͤbes Echo brachen tiefe Seufzer
aus der Bruſt Le Grand's. Und dieſer wurde
immer matter und geſpenſtiſcher, ſeine duͤrren
Haͤnde zitterten vor Froſt, er ſaß wie im
Traume, und bewegte mit ſeinen Trommel¬
ſtoͤcken nur die Luft, und horchte wie auf
ferne Stimmen, und endlich ſchaute er mich
an, mit einem tiefen, abgrundtiefen, flehen¬
den Blick — ich verſtand ihn — und
dann ſank ſein Haupt herab auf die
Trommel.

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[222/0230] Grands oͤffneten ſich geiſterhaft weit, und ich ſah darin nichts als ein weites, weißes Eis¬ feld bedeckt mit Leichen — es war die Schlacht bey der Moskwa. Ich haͤtte nie gedacht, daß die alte, harte Trommel ſo ſchmerzliche Laute von ſich geben koͤnnte, wie jetzt Monſieur Le Grand daraus hervor zu locken wußte. Es waren getrom¬ melte Thraͤnen, und ſie toͤnten immer leiſer, und wie ein truͤbes Echo brachen tiefe Seufzer aus der Bruſt Le Grand's. Und dieſer wurde immer matter und geſpenſtiſcher, ſeine duͤrren Haͤnde zitterten vor Froſt, er ſaß wie im Traume, und bewegte mit ſeinen Trommel¬ ſtoͤcken nur die Luft, und horchte wie auf ferne Stimmen, und endlich ſchaute er mich an, mit einem tiefen, abgrundtiefen, flehen¬ den Blick — ich verſtand ihn — und dann ſank ſein Haupt herab auf die Trommel.

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/230>, abgerufen am 29.04.2024.