Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht erfunden haben, sehr nützlich ist. Ehe¬
mals, liebes Kind, wenn jemand eine Dumm¬
heit beging, was war da zu thun? das Ge¬
schehene konnte nicht ungeschehen gemacht wer¬
den, und die Leute sagten: der Kerl war ein
Rindvieh. Das war unangenehm. In Berlin,
wo man am klügsten ist und die meisten Dumm¬
heiten begeht, fühlte man am tiefsten diese Un¬
annehmlichkeit. Das Ministerium suchte dagegen
ernsthafte Maßregeln zu ergreifen: bloß die grö¬
ßeren Dummheiten durften noch gedruckt wer¬
den, die kleineren erlaubte man nur in Gesprä¬
chen, solche Erlaubniß erstreckte sich nur auf
Professoren und hohe Staatsbeamte, geringere
Leute durften ihre Dummheiten bloß im Ver¬
borgenen laut werden lassen; -- aber alle diese
Vorkehrungen halfen nichts, die unterdrückten
Dummheiten traten bei ausserordentlichen An¬
lässen desto gewaltiger hervor, sie wurden sogar
heimlich von oben herab protegirt, sie stiegen

nicht erfunden haben, ſehr nuͤtzlich iſt. Ehe¬
mals, liebes Kind, wenn jemand eine Dumm¬
heit beging, was war da zu thun? das Ge¬
ſchehene konnte nicht ungeſchehen gemacht wer¬
den, und die Leute ſagten: der Kerl war ein
Rindvieh. Das war unangenehm. In Berlin,
wo man am kluͤgſten iſt und die meiſten Dumm¬
heiten begeht, fuͤhlte man am tiefſten dieſe Un¬
annehmlichkeit. Das Miniſterium ſuchte dagegen
ernſthafte Maßregeln zu ergreifen: bloß die groͤ¬
ßeren Dummheiten durften noch gedruckt wer¬
den, die kleineren erlaubte man nur in Geſpraͤ¬
chen, ſolche Erlaubniß erſtreckte ſich nur auf
Profeſſoren und hohe Staatsbeamte, geringere
Leute durften ihre Dummheiten bloß im Ver¬
borgenen laut werden laſſen; — aber alle dieſe
Vorkehrungen halfen nichts, die unterdruͤckten
Dummheiten traten bei auſſerordentlichen An¬
laͤſſen deſto gewaltiger hervor, ſie wurden ſogar
heimlich von oben herab protegirt, ſie ſtiegen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="21"/>
nicht erfunden haben, &#x017F;ehr nu&#x0364;tzlich i&#x017F;t. Ehe¬<lb/>
mals, liebes Kind, wenn jemand eine Dumm¬<lb/>
heit beging, was war da zu thun? das Ge¬<lb/>
&#x017F;chehene konnte nicht unge&#x017F;chehen gemacht wer¬<lb/>
den, und die Leute &#x017F;agten: der Kerl war ein<lb/>
Rindvieh. Das war unangenehm. In Berlin,<lb/>
wo man am klu&#x0364;g&#x017F;ten i&#x017F;t und die mei&#x017F;ten Dumm¬<lb/>
heiten begeht, fu&#x0364;hlte man am tief&#x017F;ten die&#x017F;e Un¬<lb/>
annehmlichkeit. Das Mini&#x017F;terium &#x017F;uchte dagegen<lb/>
ern&#x017F;thafte Maßregeln zu ergreifen: bloß die gro&#x0364;¬<lb/>
ßeren Dummheiten durften noch gedruckt wer¬<lb/>
den, die kleineren erlaubte man nur in Ge&#x017F;pra&#x0364;¬<lb/>
chen, &#x017F;olche Erlaubniß er&#x017F;treckte &#x017F;ich nur auf<lb/>
Profe&#x017F;&#x017F;oren und hohe Staatsbeamte, geringere<lb/>
Leute durften ihre Dummheiten bloß im Ver¬<lb/>
borgenen laut werden la&#x017F;&#x017F;en; &#x2014; aber alle die&#x017F;e<lb/>
Vorkehrungen halfen nichts, die unterdru&#x0364;ckten<lb/>
Dummheiten traten bei au&#x017F;&#x017F;erordentlichen An¬<lb/>
la&#x0364;&#x017F;&#x017F;en de&#x017F;to gewaltiger hervor, &#x017F;ie wurden &#x017F;ogar<lb/>
heimlich von oben herab protegirt, &#x017F;ie &#x017F;tiegen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0029] nicht erfunden haben, ſehr nuͤtzlich iſt. Ehe¬ mals, liebes Kind, wenn jemand eine Dumm¬ heit beging, was war da zu thun? das Ge¬ ſchehene konnte nicht ungeſchehen gemacht wer¬ den, und die Leute ſagten: der Kerl war ein Rindvieh. Das war unangenehm. In Berlin, wo man am kluͤgſten iſt und die meiſten Dumm¬ heiten begeht, fuͤhlte man am tiefſten dieſe Un¬ annehmlichkeit. Das Miniſterium ſuchte dagegen ernſthafte Maßregeln zu ergreifen: bloß die groͤ¬ ßeren Dummheiten durften noch gedruckt wer¬ den, die kleineren erlaubte man nur in Geſpraͤ¬ chen, ſolche Erlaubniß erſtreckte ſich nur auf Profeſſoren und hohe Staatsbeamte, geringere Leute durften ihre Dummheiten bloß im Ver¬ borgenen laut werden laſſen; — aber alle dieſe Vorkehrungen halfen nichts, die unterdruͤckten Dummheiten traten bei auſſerordentlichen An¬ laͤſſen deſto gewaltiger hervor, ſie wurden ſogar heimlich von oben herab protegirt, ſie ſtiegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/29
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/29>, abgerufen am 27.04.2024.