Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

konnte ich doch nicht weinen, und fiel erst in
Ohnmacht, und erst nachher kamen mir die Thrä¬
nen aus den Augen wie ein Wasserbach, und ich
weinte drey Stunden.

Die Stimme des kleinen Menschen bebte als
er dieses erzählte, und feyerlich zog er ein schon
erwähntes Päckchen aus der Tasche, wickelte da¬
von den schon verblichenen Rosataffet, und zeigte
mir den Schein, worin Christian Hinrich Klotz
den richtigen Empfang der 50,000 Mark quitirte.
Wenn ich sterbe -- sprach Hyazinth, eine Thräne
im Auge -- soll man mir diese Quitung mit
in's Grab legen, und wenn ich einst dort oben,
am Tage des Gerichts, Rechenschaft geben muß
von meinen Thaten, dann werde ich mit dieser
Quitung in der Hand vor den Stuhl der All¬
macht treten, und wenn mein böser Engel die
bösen Handlungen, die ich auf dieser Welt began¬
gen habe, vorgelesen, und mein guter Engel auch
die Liste von meinen guten Handlungen ablesen

konnte ich doch nicht weinen, und fiel erſt in
Ohnmacht, und erſt nachher kamen mir die Thraͤ¬
nen aus den Augen wie ein Waſſerbach, und ich
weinte drey Stunden.

Die Stimme des kleinen Menſchen bebte als
er dieſes erzaͤhlte, und feyerlich zog er ein ſchon
erwaͤhntes Paͤckchen aus der Taſche, wickelte da¬
von den ſchon verblichenen Roſataffet, und zeigte
mir den Schein, worin Chriſtian Hinrich Klotz
den richtigen Empfang der 50,000 Mark quitirte.
Wenn ich ſterbe — ſprach Hyazinth, eine Thraͤne
im Auge — ſoll man mir dieſe Quitung mit
in's Grab legen, und wenn ich einſt dort oben,
am Tage des Gerichts, Rechenſchaft geben muß
von meinen Thaten, dann werde ich mit dieſer
Quitung in der Hand vor den Stuhl der All¬
macht treten, und wenn mein boͤſer Engel die
boͤſen Handlungen, die ich auf dieſer Welt began¬
gen habe, vorgeleſen, und mein guter Engel auch
die Liſte von meinen guten Handlungen ableſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0365" n="357"/>
konnte ich doch nicht weinen, und fiel er&#x017F;t in<lb/>
Ohnmacht, und er&#x017F;t nachher kamen mir die Thra&#x0364;¬<lb/>
nen aus den Augen wie ein Wa&#x017F;&#x017F;erbach, und ich<lb/>
weinte drey Stunden.</p><lb/>
          <p>Die Stimme des kleinen Men&#x017F;chen bebte als<lb/>
er die&#x017F;es erza&#x0364;hlte, und feyerlich zog er ein &#x017F;chon<lb/>
erwa&#x0364;hntes Pa&#x0364;ckchen aus der Ta&#x017F;che, wickelte da¬<lb/>
von den &#x017F;chon verblichenen Ro&#x017F;ataffet, und zeigte<lb/>
mir den Schein, worin Chri&#x017F;tian Hinrich Klotz<lb/>
den richtigen Empfang der 50,000 Mark quitirte.<lb/>
Wenn ich &#x017F;terbe &#x2014; &#x017F;prach Hyazinth, eine Thra&#x0364;ne<lb/>
im Auge &#x2014; &#x017F;oll man mir die&#x017F;e Quitung mit<lb/>
in's Grab legen, und wenn ich ein&#x017F;t dort oben,<lb/>
am Tage des Gerichts, Rechen&#x017F;chaft geben muß<lb/>
von meinen Thaten, dann werde ich mit die&#x017F;er<lb/>
Quitung in der Hand vor den Stuhl der All¬<lb/>
macht treten, und wenn mein bo&#x0364;&#x017F;er Engel die<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;en Handlungen, die ich auf die&#x017F;er Welt began¬<lb/>
gen habe, vorgele&#x017F;en, und mein guter Engel auch<lb/>
die Li&#x017F;te von meinen guten Handlungen able&#x017F;en<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0365] konnte ich doch nicht weinen, und fiel erſt in Ohnmacht, und erſt nachher kamen mir die Thraͤ¬ nen aus den Augen wie ein Waſſerbach, und ich weinte drey Stunden. Die Stimme des kleinen Menſchen bebte als er dieſes erzaͤhlte, und feyerlich zog er ein ſchon erwaͤhntes Paͤckchen aus der Taſche, wickelte da¬ von den ſchon verblichenen Roſataffet, und zeigte mir den Schein, worin Chriſtian Hinrich Klotz den richtigen Empfang der 50,000 Mark quitirte. Wenn ich ſterbe — ſprach Hyazinth, eine Thraͤne im Auge — ſoll man mir dieſe Quitung mit in's Grab legen, und wenn ich einſt dort oben, am Tage des Gerichts, Rechenſchaft geben muß von meinen Thaten, dann werde ich mit dieſer Quitung in der Hand vor den Stuhl der All¬ macht treten, und wenn mein boͤſer Engel die boͤſen Handlungen, die ich auf dieſer Welt began¬ gen habe, vorgeleſen, und mein guter Engel auch die Liſte von meinen guten Handlungen ableſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/365
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/365>, abgerufen am 26.04.2024.