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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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prasselnden Flammen desto besser den Untergang
Trojas besingen zu können. Das war noch ein
Gaselendichter, über den ich mit Pathos sprechen
könnte; doch nur lächeln kann ich über den neuen
Pythagoräer, der im heutigen Rom, die Pfade
der Freundschaft dürftig und nüchtern und ängst¬
lich dahinschleicht, mit seinem hellen Gesichte
von liebloser Jugend abgewiesen wird, und nach¬
her bey kümmerlichem Oehllämpchen sein Gaselchen
ausseufzt. Interessant, in solcher Hinsicht, ist die
Vergleichung der Platenschen Gedichtchen mit dem
Petron. Bey diesem ist schroffe, antike, plastisch
heidnische Offenheit: Graf Platen hingegen, trotz
seinem Pochen auf Classizität, behandelt seinen
Gegenstand vielmehr romantisch, verschleyernd,
sehnsüchtig, pfäffisch, -- ich muß hinzusetzen:
heuchlerisch. Denn der Graf vermummt sich
manchmal in fromme Gefühle, er vermeidet die
genaueren Geschlechtsbezeichnungen; nur die Ein¬
geweihten sollen klar sehen; gegen den großen

praſſelnden Flammen deſto beſſer den Untergang
Trojas beſingen zu koͤnnen. Das war noch ein
Gaſelendichter, uͤber den ich mit Pathos ſprechen
koͤnnte; doch nur laͤcheln kann ich uͤber den neuen
Pythagoraͤer, der im heutigen Rom, die Pfade
der Freundſchaft duͤrftig und nuͤchtern und aͤngſt¬
lich dahinſchleicht, mit ſeinem hellen Geſichte
von liebloſer Jugend abgewieſen wird, und nach¬
her bey kuͤmmerlichem Oehllaͤmpchen ſein Gaſelchen
ausſeufzt. Intereſſant, in ſolcher Hinſicht, iſt die
Vergleichung der Platenſchen Gedichtchen mit dem
Petron. Bey dieſem iſt ſchroffe, antike, plaſtiſch
heidniſche Offenheit: Graf Platen hingegen, trotz
ſeinem Pochen auf Claſſizitaͤt, behandelt ſeinen
Gegenſtand vielmehr romantiſch, verſchleyernd,
ſehnſuͤchtig, pfaͤffiſch, — ich muß hinzuſetzen:
heuchleriſch. Denn der Graf vermummt ſich
manchmal in fromme Gefuͤhle, er vermeidet die
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[378/0386] praſſelnden Flammen deſto beſſer den Untergang Trojas beſingen zu koͤnnen. Das war noch ein Gaſelendichter, uͤber den ich mit Pathos ſprechen koͤnnte; doch nur laͤcheln kann ich uͤber den neuen Pythagoraͤer, der im heutigen Rom, die Pfade der Freundſchaft duͤrftig und nuͤchtern und aͤngſt¬ lich dahinſchleicht, mit ſeinem hellen Geſichte von liebloſer Jugend abgewieſen wird, und nach¬ her bey kuͤmmerlichem Oehllaͤmpchen ſein Gaſelchen ausſeufzt. Intereſſant, in ſolcher Hinſicht, iſt die Vergleichung der Platenſchen Gedichtchen mit dem Petron. Bey dieſem iſt ſchroffe, antike, plaſtiſch heidniſche Offenheit: Graf Platen hingegen, trotz ſeinem Pochen auf Claſſizitaͤt, behandelt ſeinen Gegenſtand vielmehr romantiſch, verſchleyernd, ſehnſuͤchtig, pfaͤffiſch, — ich muß hinzuſetzen: heuchleriſch. Denn der Graf vermummt ſich manchmal in fromme Gefuͤhle, er vermeidet die genaueren Geſchlechtsbezeichnungen; nur die Ein¬ geweihten ſollen klar ſehen; gegen den großen

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/386>, abgerufen am 14.05.2024.