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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

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Ruh und Friede ist ein herrlicher Stand zu
genießen und sich zu sammeln; aber der Mensch,
ohne gereizt zu werden, träge, versinkt dabey in
Unthätigkeit. Besser, daß immer etwas da ist,
das ihn aus seinem Schlummer weckt. Wir sol-
len einander bekriegen, weil kein höher Geschöpf
es kann.

Was das ganze menschliche Geschlecht be-
trift, durch Meere und Gebirge und Klima,
durch Sitten und Sprachen abgesondert, wel-
cher Kopf will es in Ordnung bringen? Die
Natur scheint ewig wie ein Kind in das Man-
nichfaltige verliebt, und will zu jeder Zeit deß-
wegen rund um die Erdkugel Scythen, Perser,
Athen und Sparta.

Das besondre Geheimniß unsrer Staatsver-
fassung, welches nur denen anvertraut ward,
die sich durch Heldenthaten und großen Verstand
ausgezeichnet hatten, bestand darin: der ganzen
Regierung der Türken in diesem heitern Klima
ein Ende zu machen, und die Menschheit wieder
zu ihrer Würde zu erheben. Doch vereitelte
dieß nach seeligem Zeitraum das unerbittliche
Schicksal.


Ruh und Friede iſt ein herrlicher Stand zu
genießen und ſich zu ſammeln; aber der Menſch,
ohne gereizt zu werden, traͤge, verſinkt dabey in
Unthaͤtigkeit. Beſſer, daß immer etwas da iſt,
das ihn aus ſeinem Schlummer weckt. Wir ſol-
len einander bekriegen, weil kein hoͤher Geſchoͤpf
es kann.

Was das ganze menſchliche Geſchlecht be-
trift, durch Meere und Gebirge und Klima,
durch Sitten und Sprachen abgeſondert, wel-
cher Kopf will es in Ordnung bringen? Die
Natur ſcheint ewig wie ein Kind in das Man-
nichfaltige verliebt, und will zu jeder Zeit deß-
wegen rund um die Erdkugel Scythen, Perſer,
Athen und Sparta.

Das beſondre Geheimniß unſrer Staatsver-
faſſung, welches nur denen anvertraut ward,
die ſich durch Heldenthaten und großen Verſtand
ausgezeichnet hatten, beſtand darin: der ganzen
Regierung der Tuͤrken in dieſem heitern Klima
ein Ende zu machen, und die Menſchheit wieder
zu ihrer Wuͤrde zu erheben. Doch vereitelte
dieß nach ſeeligem Zeitraum das unerbittliche
Schickſal.


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[374/0382] Ruh und Friede iſt ein herrlicher Stand zu genießen und ſich zu ſammeln; aber der Menſch, ohne gereizt zu werden, traͤge, verſinkt dabey in Unthaͤtigkeit. Beſſer, daß immer etwas da iſt, das ihn aus ſeinem Schlummer weckt. Wir ſol- len einander bekriegen, weil kein hoͤher Geſchoͤpf es kann. Was das ganze menſchliche Geſchlecht be- trift, durch Meere und Gebirge und Klima, durch Sitten und Sprachen abgeſondert, wel- cher Kopf will es in Ordnung bringen? Die Natur ſcheint ewig wie ein Kind in das Man- nichfaltige verliebt, und will zu jeder Zeit deß- wegen rund um die Erdkugel Scythen, Perſer, Athen und Sparta. Das beſondre Geheimniß unſrer Staatsver- faſſung, welches nur denen anvertraut ward, die ſich durch Heldenthaten und großen Verſtand ausgezeichnet hatten, beſtand darin: der ganzen Regierung der Tuͤrken in dieſem heitern Klima ein Ende zu machen, und die Menſchheit wieder zu ihrer Wuͤrde zu erheben. Doch vereitelte dieß nach ſeeligem Zeitraum das unerbittliche Schickſal.

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/382>, abgerufen am 29.04.2024.