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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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den Eindruck, den man erwarten müsste, wenn sie die
Farben wie wir unterschieden. Da es sogar Menschen
giebt, die nach Kants Ausdruck alles gleichsam im Kup-
ferstich sehen *), so ist leicht zu erwarten, dass wenig-
stens vielen Thiergattungen keine vollkommnere Sinnes-
empfindung zugetheilt seyn möge; -- wodurch wiederum
der ursprüngliche Vorrath an Elementar-Vorstellungen
eine sehr bedeutende Verminderung erleidet.

Vereinigt sich nun beym Menschen die Hand mit
den für mannigfaltigere Eindrücke empfänglichen Sinnen,
um an jedem Dinge eine bedeutend grössere Zahl von
Merkmalen ursprünglich aufzufassen: so ist doch noch
wichtiger das Handeln, welches von der Hand den Na-
men wie die Möglichkeit erhalten hat.

Mit denjenigen Gefühlen, die unmittelbar aus den
Bewegungen und Beugungen der Hand und ihrer Finger
entstehen, compliciren sich die Vorstellungsreihen, wo-
durch die Veränderungen der durch jene Bewegungen
behandelten Gegenstände aufgefasst werden. Aus den Com-
plicationen entstehen Reproductionsgesetze, nach welchen
wiederum rückwärts auch die Vorstellungsreihen, durch wel-
che eine ähnliche Veränderung der Gegenstände gedacht
oder begehrt wird, die zugehörigen Gefühle hervorrufen.
Hieraus erklärt sich das Handeln, wenn wir noch
den physiologischen Umstand hinzunehmen, dass mit dem
Wieder-Erwachen der Gefühle, welche früherhin durch
die Bewegung der Hand hervorgebracht wurden, auch
ein Austoss gegeben ist, der nun rückwärts dieselbe Be-
wegung hervorbringt. Was diese Verbindung des Lei-
bes und der Seele anlangt, so wird darüber im folgenden
Abschnitte etwas gesagt werden. Hier haben wir es noch
bloss mit den Verbindungen der Vorstellungen unter ein-
ander zu thun.

Das eben bemerkte gilt nun zwar von allen beweg-
lichen und zugleich empfindlichen Theilen des Leibes,

*) Kants Anthropologie S. 55.

den Eindruck, den man erwarten müſste, wenn sie die
Farben wie wir unterschieden. Da es sogar Menschen
giebt, die nach Kants Ausdruck alles gleichsam im Kup-
ferstich sehen *), so ist leicht zu erwarten, daſs wenig-
stens vielen Thiergattungen keine vollkommnere Sinnes-
empfindung zugetheilt seyn möge; — wodurch wiederum
der ursprüngliche Vorrath an Elementar-Vorstellungen
eine sehr bedeutende Verminderung erleidet.

Vereinigt sich nun beym Menschen die Hand mit
den für mannigfaltigere Eindrücke empfänglichen Sinnen,
um an jedem Dinge eine bedeutend gröſsere Zahl von
Merkmalen ursprünglich aufzufassen: so ist doch noch
wichtiger das Handeln, welches von der Hand den Na-
men wie die Möglichkeit erhalten hat.

Mit denjenigen Gefühlen, die unmittelbar aus den
Bewegungen und Beugungen der Hand und ihrer Finger
entstehen, compliciren sich die Vorstellungsreihen, wo-
durch die Veränderungen der durch jene Bewegungen
behandelten Gegenstände aufgefaſst werden. Aus den Com-
plicationen entstehen Reproductionsgesetze, nach welchen
wiederum rückwärts auch die Vorstellungsreihen, durch wel-
che eine ähnliche Veränderung der Gegenstände gedacht
oder begehrt wird, die zugehörigen Gefühle hervorrufen.
Hieraus erklärt sich das Handeln, wenn wir noch
den physiologischen Umstand hinzunehmen, daſs mit dem
Wieder-Erwachen der Gefühle, welche früherhin durch
die Bewegung der Hand hervorgebracht wurden, auch
ein Austoſs gegeben ist, der nun rückwärts dieselbe Be-
wegung hervorbringt. Was diese Verbindung des Lei-
bes und der Seele anlangt, so wird darüber im folgenden
Abschnitte etwas gesagt werden. Hier haben wir es noch
bloſs mit den Verbindungen der Vorstellungen unter ein-
ander zu thun.

Das eben bemerkte gilt nun zwar von allen beweg-
lichen und zugleich empfindlichen Theilen des Leibes,

*) Kants Anthropologie S. 55.
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[232/0267] den Eindruck, den man erwarten müſste, wenn sie die Farben wie wir unterschieden. Da es sogar Menschen giebt, die nach Kants Ausdruck alles gleichsam im Kup- ferstich sehen *), so ist leicht zu erwarten, daſs wenig- stens vielen Thiergattungen keine vollkommnere Sinnes- empfindung zugetheilt seyn möge; — wodurch wiederum der ursprüngliche Vorrath an Elementar-Vorstellungen eine sehr bedeutende Verminderung erleidet. Vereinigt sich nun beym Menschen die Hand mit den für mannigfaltigere Eindrücke empfänglichen Sinnen, um an jedem Dinge eine bedeutend gröſsere Zahl von Merkmalen ursprünglich aufzufassen: so ist doch noch wichtiger das Handeln, welches von der Hand den Na- men wie die Möglichkeit erhalten hat. Mit denjenigen Gefühlen, die unmittelbar aus den Bewegungen und Beugungen der Hand und ihrer Finger entstehen, compliciren sich die Vorstellungsreihen, wo- durch die Veränderungen der durch jene Bewegungen behandelten Gegenstände aufgefaſst werden. Aus den Com- plicationen entstehen Reproductionsgesetze, nach welchen wiederum rückwärts auch die Vorstellungsreihen, durch wel- che eine ähnliche Veränderung der Gegenstände gedacht oder begehrt wird, die zugehörigen Gefühle hervorrufen. Hieraus erklärt sich das Handeln, wenn wir noch den physiologischen Umstand hinzunehmen, daſs mit dem Wieder-Erwachen der Gefühle, welche früherhin durch die Bewegung der Hand hervorgebracht wurden, auch ein Austoſs gegeben ist, der nun rückwärts dieselbe Be- wegung hervorbringt. Was diese Verbindung des Lei- bes und der Seele anlangt, so wird darüber im folgenden Abschnitte etwas gesagt werden. Hier haben wir es noch bloſs mit den Verbindungen der Vorstellungen unter ein- ander zu thun. Das eben bemerkte gilt nun zwar von allen beweg- lichen und zugleich empfindlichen Theilen des Leibes, *) Kants Anthropologie S. 55.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/267>, abgerufen am 29.04.2024.